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Tiger Woods

Alles auf Rot!

Von Jan Langenbein, Fotos: Getty Images

Bis vor wenigen Wochen schien eine Welt, in der Tiger Woods und Nike keine Partner sind, undenkbar. Doch nun ist das rote Shirt mit dem Swoosh Geschichte. Wie konnte es so weit kommen?

Als Tiger Woods höchstpersönlich am 08. Januar auf Instagram die seit Wochen, wenn nicht Monaten kursierenden Gerüchte, die Zusammenarbeit zwischen Nike und dem wahrscheinlich größten Golfer aller Zeiten könnte bald ein Ende finden, bestätigte, geschah das selbstverständlich in einem perfekt von einer ganzen Horde PR-Strategen und hoch bezahlten Anwälten verfassten Statement. "Vor über 27 Jahren hatte ich das Glück, eine Partnerschaft mit einer der legendärsten Marken der Welt zu beginnen", war dort zu lesen. "Die Tage seitdem waren voller unglaublicher Momente und Erinnerungen, und wenn ich anfangen würde, sie alle aufzuzählen, könnte ich wohl ewig fortfahren. Phil Knights Leidenschaft und Vision haben diese Partnerschaft mit Nike und Nike Golf Realität werden lassen und ich möchte ihm persönlich danken, genauso wie den Nike-Mitarbeitern und großartigen Athleten, mit denen ich das Vergnügen hatte zusammenarbeiten zu dürfen."

Gleichzeitig huldigte auch der Sportartikelgigant aus Oregon seinem bisherigen Aushängeschild mit einem in der Länge deutlich knapperen, in seiner emotionalen Wirkung dafür umso effektiveren Abschiedsgruß: "It was a hell of a round, Tiger", stand auf einem ikonischen Foto von Woods' erstem Masters-Sieg zu lesen und sorgte bei Golf-Fans in aller Welt für feuchte Augen.

In einer Zeit, in der im Golf längst nichts mehr unmöglich erscheint - schließlich vollzog sich in jüngster Vergangenheit nicht nur das Schisma des Profi-Golfs, auch das saisoneröffnende Masters wurde nach 83 Turnieren im April mit der Auflage 2020 zum ersten Mal im November ausgespielt -, gab es bis zu diesen beiden Instagram-Posts zumindest ein für unumstößlich gehaltenes Golfgesetz: Am Sonntag trägt Tiger Woods Rot und einen Swoosh auf der Brust. Schließlich war dies bei so gut wie allen von Tigers 110 Profisiegen in den vergangenen knapp drei Jahrzehnten so.

Tiger Woods: Tiger Woods:

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DREI JAHRE SPÄTER WAR ES DANN DER PUTT DAS GLITSCHIGE 18. GRÜN VON TORREY PINES HINUNTER, DER ERNEUT FÜR EINEN MIT SWOOSH GEBRANDETEN VIRALEN TV-MOMENT SORGEN SOLLTE.
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Als Tiger Woods 1996 ins Profilager wechselte und sich mit einem "Hello world!" bei der Greater Milwaukee Open der Weltöffentlichkeit vorstellte, war seine Unterschrift unter einem mit 40 Millionen Dollar dotierten Fünfjahresvertrag gerade erst getrocknet. Im darauffolgenden Jahr gewann er das Masters und die Golfabteilung von Nike machte in den kommenden 24 Monaten mehr als 300 Millionen Dollar Gewinn.

Die sportlichen Erfolge der kommenden Jahre müssen an dieser Stelle wohl kaum aufgezählt werden. Im Jahr 2001 hatte Woods nicht nur den Karriere-Grand-Slam geschafft, sondern es standen auch alle vier Major-Trophäen gleichzeitig über dem heimischen Kamin und Woods dominierte die Konkurrenz auf dem Platz nach Belieben. Auch in Sachen Marketing lieferte Nikes Goldesel verlässlich einen Volltreffer nach dem nächsten. Neben einem guten Dutzend unvergessener Werbeclips - angefangen mit der Balljonglage 1999 über ein auf Regisseurwunsch aus 70 Metern Entfernung getroffenes Kameraobjektiv 2005 bis zum emotionalen Spot nach dem letzten Major-Sieg 2019 - waren es doch die ungescripteten Momente auf dem Golfplatz, mit denen Woods das Nike-Logo ins kollektive Gedächtnis der Golfwelt hämmerte. Allen voran natürlich der Chip an Loch 16 beim Masters 2005, als Tigers Ball sekundenlang mit dem Nike-Logo in Richtung Kamera grinsend an der Lochkante hing, bevor er unter Erdbeben auslösendem Jubel ins Loch fiel und so die wahrscheinlich beste Produktwerbung der Sportgeschichte lieferte. Drei Jahre später war es dann der Putt das glitschige 18. Grün von Torrey Pines hinunter, der erneut für einen mit Swoosh gebrandeten viralen TV-Moment sorgen sollte, der in die Sportgeschichte einging und maßgeblich dazu beitrug, dass Tigers letzter Nike-Vertrag 2013 über zehn Jahre lief und 200 Millionen Dollar Salär garantierte.

Als nach dem Sexskandal von 2009 Sponsoren wie Gillette, AT&T oder Gatorade das Weite suchten, blieb Nike seinem Superstar treu, obwohl die darauffolgende sieglose Durststrecke Jahre dauerte. Nicht einmal der Rückzug der Marke aus dem Golfschläger- und Bälle-Geschäft 2016 konnte der Partnerschaft etwas anhaben. Woods wechselte von seinen nun zu Auslaufmodellen gewordenen Nike-Schlägern zu TaylorMade und blieb im kollektiven Gedächtnis der Golf-Fans doch stets Nike-Athlet. Schließlich trug er immer noch seine längst zur Uniform gewordenen Nike-Outfits mit dem TW-Logo unter dem Kragen.

Mit der emotionalen Bindung an genau dieses Logo scheint es bei Tiger Woods allerdings nicht allzu weit her zu sein. Nur fünf Wochen nach den gegenseitigen Respektsbekundungen vom 08. Januar antwortete Woods bei der Vorstellung seines neuen Sportswear-Labels Sun Day Red auf die Frage, was denn nun aus dem altbekannten TW-Logo würde: "Ich will es nicht zurück. Das habe ich hinter mir gelassen. Das ist ein neues Kapitel in meinem Leben und nun trage ich Sun Day Red." Wie konnte es nach 27 Jahren zu einer derartigen Abkühlung einer Partnerschaft kommen, die bisher globale Skandale, Strategiewechsel im Konzern und sportliche Durststrecken überlebt hatte?

Tiger Woods: Logo: Alles ist vergänglich
Logo: Alles ist vergänglich
Wie so oft in Langzeitbeziehungen sind es meist viele kleine Gründe, die zum Bruch führen. Im Falle Tiger Woods und Nike trug sich die bedeutendste dieser Kleinigkeiten im April 2022 zu. Damals rieben sich die Golf-Fans verwundert die Augen und im Nike-Headquarter stieg der Blutdruck in der Chefetage bedenklich, als Tiger mit einem Paar schwarzer FootJoy (!) auflief. Ein Versehen? Keineswegs, denn Woods, der 14 Monate zuvor bei einem katastrophalen Autounfall in Los Angeles beinahe ein Bein, wenn nicht sogar sein Leben verloren hätte, erklärte das unerhörte Schuhwerk so: "Ich habe mit einer stark eingeschränkten Bewegungsfreiheit zu kämpfen, seit ich all die Schrauben und Platten im Bein habe. Ich habe nach etwas Neuem gesucht, etwas, das mir mehr Stabilität im Schwung gibt." Mit Blick auf seinen langjährigen Schuhpartner fuhr er fort: "Nike hat mir über die Jahre fantastische Ausrüstung zur Verfügung gestellt und wir haben hart daran gearbeitet, etwas zu finden, das es mir ermöglicht, wieder richtig zu schwingen." So unbezahlbar grandios die Werbewirkung des Chips von 2005 und des Torrey-Pines-Putt gewesen sein mögen, die Tatsache, dass Tiger Woods im Jahre 2022 Nike offensichtlich nicht zutraute, ihm einen Schuh auf den Fuß zu schustern, der seinen Anforderungen gerecht wird, entwickelte sich zum PR-Desaster und Nike sah sich zu einer Stellungnahme in Sachen "Footjoygate" genötigt: "Wie Golf-Fans auf der ganzen Welt freuen wir uns, Tiger wieder auf dem Platz zu sehen. [… ] Seine Geschichte geht weit über den Sport hinaus und inspiriert uns alle. Während er seine Rückkehr fortsetzt, werden wir mit ihm zusammenarbeiten, um seine neuen Bedürfnisse zu erfüllen."

Wie fieberhaft in der Entwicklungsabteilung von Nike daran gearbeitet wurde, dass der eigene 200-Millionen-Dollar-Mann nicht noch einmal im Produkt des größten Konkurrenten aufläuft, stellte Jordan Rogers, einstiger Marketingdirektor bei Nike, gegenüber Hypebeast.com klar: "Ich weiß ohne jeden Zweifel, dass Nike Tausende Paar Schuhe für den Kerl hergestellt hat. Sie haben den FootJoy komplett zerlegt und das gleiche Leder verwendet. Ich kenne die Nike Innovation Kitchen' dort können sie wahre Wunder vollbringen. Ich weiß, dass Nike sich förmlich zerrissen hat, um das Problem zu lösen."

Selbst zwölf Monate später war Woods jedoch immer noch nicht überzeugt, dass die Produktentwickler in Oregon den richtigen Schuh für seinen nach dem kapitalen Unfall wieder zusammengeflickten Körper liefern können, denn er spielte nicht nur die gesamte Saison 2022, sondern auch das Masters 2023 in FootJoy. Es war ein wenig, als würde ein frustrierter Lewis Hamilton in einen gebrauchten Red Bull aus der Vorsaison steigen, um Max Verstappen endlich wieder das Wasser reichen zu können.

Tiger Woods:
Vertragssache: Die 27 Jahre dauernde Tiger-Woods-Ära bei Nike teilt sich in vier aufeinanderfolgende Verträge auf. Nicht nur deren Laufzeit, auch ihre Dotierung wurde mit jedem neuen Kontrakt größer. Über Tigers Vertragssituation bei Sun Day Red ist nichts bekannt, dort werden vor allem Anteile an der Marke im Spiel sein.

Ein weitaus subtilerer Schatten, der seit Jahren über der Partnerschaft zwischen Nike und Tiger Woods lag, ist die Tatsache, dass die Marke TW im Nike-Konzern stets die zweite Geige spielte. Gegen den übermächtigen Michael Jordan und dessen "Jumpman"-Logo ist weder was den kommerziellen Erfolg noch was die Markenstrahlkraft des größten Sportstars aller Zeiten angeht, ein Kraut gewachsen - und schon gar keines, das auf dem Golfplatz zu Hause wäre. Auch dazu hat Jordan Rogers eine klare Meinung: "Tiger ist im Grunde ein sozial unbeholfener Introvertierter. Er war dieser nerdige Junge aus Stanford, der wirklich gut mit dem Golfball umgehen konnte und nicht viele Freunde hatte. Er ist in den letzten fünf Jahren zwar zugänglicher geworden, aber er vertraut niemandem. Klingt das nach jemandem, der eine Vision formuliert, ein Team von Kreativen zusammenstellt und Tonnen von Prototypen ausprobiert? Dafür ist Tiger nicht der Typ. Jordan ist es auch nicht, aber er ist extrovertiert und äußerst charismatisch."

Jordan und Woods sind zwar bereits seit den 90ern gute Freunde und Golf-Buddys, es muss aber bezweifelt werden, dass - Freundschaft hin oder her - bei zwei der größten Wettkämpfer aller Zeiten die Frage, wessen Nike-Brand mehr Schuhe verkauft, stets mit Humor genommen wurde. In dieser Hinsicht war Woods Jordan stets so unterlegen, wie es Michael gegenüber Tiger auf dem Golfplatz ist. Mit dem Start von Sun Day Red muss sich Tiger Woods zumindest konzernintern nun nicht mehr mit dem König der Sneaker messen. Die Wahrscheinlichkeit, dass über Sun Day Red eines Tages ein Hollywood-Streifen mit Stars der Güteklasse Matt Damon und Ben Affleck gedreht wird, ist allerdings doch eher gering.

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