Ein Blick aufs Gründungsjahr des Golf-Resort Semlin macht jedoch schnell deutlich, dass wir uns nicht in England oder Australien befinden, sondern in einer noch vor nicht allzu langer Zeit aus politischen Gründen vollkommen golffreien Zone. 1993 wurden die ersten 18 Spielbahnen hier draußen, etwa 80 Kilometer nordwestlich von Berlin, eröffnet, was die Anlage spielend zum ältesten Golfplatz in ganz Brandenburg macht. Kein Wunder, schließlich war vor 1989 für weit mehr als 50 Jahre an Golf in dieser Gegend wie generell östlich des Eisernen Vorhangs nicht zu denken. Selbst in West-Berlin gab es mit dem Golfclub der Amerikaner in Wannsee und dem britischen Neunlochplatz am Flugplatz Gatow nur zwei Möglichkeiten, die Schläger zu schwingen. Deshalb machten sich bereits vor der Wende zwei Berliner Unternehmer auf die Suche nach einem geeigneten Stück Land für einen dritten Golfplatz in der damaligen Inselstadt, was sich aufgrund akuter Landknappheit im Schatten der Mauer als äußerst schwieriges Unterfangen herausstellte. Mit dem Fall der Mauer konnte der Suchradius dann plötzlich enorm erweitert werden. Gemeinsam mit Christoph Städler, dem Golfplatzarchitekten ihres Vertrauens, machten sich die beiden auf die Suche nach einem geeigneten Grundstück in Brandenburg und wurden am Rande eines Naturschutzgebiets im heutigen Naturpark Westhavelland fündig. 1996, drei Jahre nachdem die ersten Golfbälle flogen, folgte das Hotel mit 72 Zimmern direkt am 18. Grün, 2004 wurde die Golfanlage um neun Löcher erweitert und kurz darauf folgte ein Neunloch-Kurzplatz direkt an der Driving Range, um Golfinteressierten und Anfängern den Einstieg in den Golfsport zu erleichtern.
»Hier drehte einst Christian Ulmen die Schlüsselszene seiner Miniserien ,Die Snobs - Sie können auch ohne Dich', eine absurde Mischung aus ,Tin Cup' und ,Apocalypse Now', die jedoch längst im unergründlichen Dickicht der zahllosen Streamingplattformen verschollen ist.«
Obwohl die ursprünglichen Neunlochschleifen A und B unter den Mitgliedern in Semlin immer noch als der "eigentliche" 18-Loch-Platz gesehen werden, lassen sich die drei Halbrunden beliebig miteinander kombinieren und ergeben Plätze mit grundverschiedenen Herausforderungen und Highlights. So stellt sich auf Loch 8, einem eigentlich äußerst übersichtlichen Par 5, eine mehr als 300 Jahre alte Eiche dem Drive in den Weg, die dem Club einerseits als Logo dient, andererseits schon unzählige Hoffnungen vereitelt hat, das Grün mit dem zweiten Schlag zu erreichen. Auf dem B-Platz ist Loch 15 ein unbestrittenes Highlight. Ebenfalls ein Par 5, bieten die weiße und die gelbe Teebox vollkommen unterschiedliche Blickwinkel auf das von Bunkern durchzogene Fairway, was je nach Wahl der Abschlagbox zwei völlig verschiedene Spielbahnen zur Folge hat. Während von Gelb eine realistische Chance besteht, das Grün mit dem zweiten Schlag zu erreichen, ist von Weiß nicht nur ein Draw entlang des dichten Kiefernwalds gefragt, eine Drei-Stopp-Strategie ist von den Backtees nahezu unumgänglich. Highlight des C-Platzes ist das riesige Doppelgrün der Bahnen 22 und 25. Hier drehte einst Christian Ulmen die Schlüsselszene seiner Miniserien "Die Snobs - Sie können auch ohne Dich", eine absurde Mischung aus "Tin Cup" und "Apocalypse Now", die jedoch längst im unergründlichen Dickicht der zahllosen Streamingplattformen verschollen ist.
Wer klassisches Resort-Golf bevorzugt, spielt A/B, Longhitter, denen der Marsch zurück auf die Backtees gar nicht weit genug sein kann, werden in Semlin am ehesten auf der Platzkombination A/C fündig und die letzte Möglichkeit, 18 Löcher in diesem Resort zusammenzustellen, ist eine interessante Kombination aus kurzen Doglegs, die Platzkenntnis erfordern, auf den Front Nine und modernem Championship-Golf auf den Back Nine. Die Stärke dieser Golfanlage liegt aber besonders auf der A/B-Kombination in der Tatsache, dass nahezu jede Spielbahn wie ein in sich geschlossener Mikrokosmos anmutet, der mit dem gerade gespielten Vorgängerloch nichts zu tun hat. Mit anderen Worten: An Abwechslung mangelt es auf den 27 Spielbahnen von Semlin ganz und gar nicht.
Damit sich diese Vielfalt nicht nur auf das Golfspiel beschränkt, bekam die Gastronomie des Resorts 2021 ein fettes Upgrade spendiert, denn seither steht Gästen nicht nur das Clubrestaurant, in dem die üblichen Verdächtigen Burger, Currywurst und Pasta hungrige Golfer satt und glücklich machen, sondern auch das Fine-Dining-Restaurant "Hasenpfeffer" zur Verfügung. Hier zaubert der 35 Jahre alte Christopher Franz exquisite Gaumenfreuden auf den Tisch, die zum größten Teil aus Zutaten der Region bestehen. Berührungsängste mit diesem kulinarischen Tempel muss niemand haben, denn die Atmosphäre im "Hasenpfeffer" ist betont locker und unverkrampft. No jacket or tie required!
Und so war auch das Publikum während unseres Besuchs in Semlin im Hochsommer 2022 eine bunte Mischung bestehend aus Clubmitgliedern aus dem Berliner Umland, skandinavischen Roadtrippern, die hier auf ihrem Weg zu Golfplätzen im Süden einen zweitägigen Stopp einlegten, und einer Jugendmannschaft eines Golfclubs aus der Nähe von Münster, die zu einem einwöchigen Trainingslager ins Havelland gekommen war und direkt neben der Abschlaghütte der Driving Range ihre Zelte aufgeschlagen hatte. Der denkbar kurze Weg vom "Bett" bis zu den Trainingsanlagen schien seine Wirkung nicht verfehlt zu haben, denn als am Ende dieser Woche für zwei Jungs, die sich im Laufe des Zeltlagers ein einstelliges Handicap erspielt hatten, die Golfertaufe im Wasserhindernis des 18. Grüns anstand, war diese keinesfalls wie eine Strafe oder eine Demütigung vor den Freunden zu verstehen, sondern vielmehr wie willkommene Erlösung von den erbarmungslosen Temperaturen im Golfsommer 2022 hierzulande.
WOHNEN
GOLFRESORT SEMLIN
Aus Sicht des monothematisch strukturierten Golfers, der hierherkommt, dürften die "Golfdirekt-Zimmer" ganz klar das Highlight dieses 72 Zimmer umfassenden Viersternehotels sein. Im Parterre gelegen bieten diese Doppelzimmer über die Terrassentür direkten Zugang zum Putting-Grün und liegen keine 50 Meter vom Inselgrün der 18 entfernt. Näher am Golfplatz zu wohnen ist also kaum möglich. Ein Spa, zwei Tennisplätze und zwei Restaurants sorgen dafür, dass auch die nicht auf dem Golfplatz verbrachte Zeit angenehm ausfällt. Und dann gibt es da ja noch die hübschen Badestellen des beeindruckend großen Hohennauener Sees direkt vor den Toren des Resorts.
Golfplätze in der Region
GOLF- UND LANDCLUB SEMLIN AM SEE PLATZ A/B
18 Löcher, Par 72, 6.296 MeterAdresse
Ferchesarer Straße 8b
14712 Rathenow OT Semlin
Tel. +49 (0)3385.5540
www.golfresort-semlin.de
Greenfee
Mo.-Do.: 55 Euro, Fr.: 60 Euro, Sa. & So.: 75 Euro
Seit knapp 30 Jahren wird auf den ursprünglichen 18 Löchern von Semlin bereits Golf gespielt und dieses Erwachsenenalter sieht man dem Platz in jeder Hinsicht an. Das ist absolut positiv gemeint, denn komplett in tiefen Wald eingewachsene Spielbahnen wie der fantastische Auftakt zum Finish der Runde auf den Bahnen 15 und 16 versprühen den Charme einer Golfanlage, die scheinbar schon Ewigkeiten auf diesem für harte und schnelle Spielbedingungen optimalen Sandboden existiert. Zahlreiche Doglegs machen nicht unbedingt Longhitter, sondern Präzisionsschützen zu den Favoriten.
Killerloch
Mit gerade einmal 338 Metern von den Backtees ist Bahn 14 alles andere als ein Monster und noch dazu sind die Fairways relativ großzügig. Das Problem, wie der Plural andeutet: Es gibt zwei davon. Ganz egal was dein Handicap sein mag, der Ball sollte links des Wassergrabens der diese Bahn in zwei Hälften teilt, abgelegt werden. Wirklich!
www.golfresort-semlin.de
GOLF- UND LANDCLUB SEMLIN AM SEE PLATZ C
9 Löcher, Par 36, 3.191 MeterGreenfee
Mo.-Fr.: 35 Euro, Sa. & So.: 40 Euro
Kurz nachdem der Golfplatz in Semlin zehnjähriges Bestehen gefeiert hatte, kam Platzdesigner Christoph Städler zurück ins Havelland und ergänzte sein ursprüngliches Design um weitere neun Löcher, an Land mangelt es hier schließlich nicht. Da sich die "neuen" Spielbahnen optisch wie von der Charakteristik perfekt in die Anlage eingliedern, fällt dieser Altersunterschied längst nicht mehr auf. Lediglich die Tatsache, dass Platz C spürbar länger ausfällt als die anderen beiden Neunlochschleifen, verrät, dass in Etappen gebaut wurde. Ein Paradies für Bomben vom Tee ist dieser Platz trotzdem nicht automatisch, denn zahlreiche Wassergräben durchschneiden Landezonen und kniehohes Rough abseits der Fairways wartet auf Opfer.
Killerloch
Tief im Wald und weit entfernt vom Clubhaus hat Christoph Städler ein riesiges Doppelgrün versteckt. Spieler, die auf Loch 7 ankommen, treffen zum zweiten Mal mit diesem Grün zusammen und haben eine Ahnung, warum dieses 180 Meter lange Par 3 so weit abseits liegt: damit im Clubhaus die Flüche nach einem Doppel-Bogey nicht beim Essen stören!