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Schottland

Fährway to Heaven

Von Jan Langenbein, Fotos: Rüdiger Meyer

Tief im Westen Schottlands trennt nur eine Fährfahrt die beiden Links-Plätze in Machrihanish vom absoluten Golf- und Whiskyhimmel auf Islay. Leinen los!

Es hat auch sein Gutes, dass es um die Verkehrsinfrastruktur im Vereinigten Königreich nicht zum Besten steht. Schließlich zwingt uns die Tatsache, dass von den zwei Autofähren, die das schottische Festland mit der Hebrideninsel Islay (sprich: Eila) verbinden, eine im Trockendock liegt, dazu, unsere Golfbags - vollgestopft mit Schlägern, Regenkleidung und frischer Unterwäsche - schulternd als Fußgänger die "MV Finlaggan" zu besteigen und unseren Mietwagen auf dem Festland zurückzulassen. So weiß Collin, der im Oberdeck der Fähre Kaffee, Snacks und natürlich Whisky verkauft, sofort, was das Ziel unserer Reise ist. "The Machrie, stimmt's?", ruft er uns mit dickem schottischen Akzent entgegen und kommt, ohne eine Antwort abzuwarten, ins Schwärmen: "Beneidenswert! Petrus scheint es gut mit euch zu meinen und der Platz ist in hervorragendem Zustand. Gestern habe ich selbst dort gespielt." Zwei Etagen tiefer rollen noch die Autos auf die Fähre, da wissen wir bereits, dass Collin bereits seit seiner Kindheit Mitglied im Machrihanish Golf Club ist. Da ihn sein Job als Stewart mehrmals die Woche nach Islay bringt, kennt er den einzigen Golfplatz der für ihren Whisky weltberühmten Insel allerdings beinahe genauso gut wie seinen Heimatplatz.

Knapp zwei Stunden dauert die Überfahrt von Kennacraig nach Islay vorbei an der Insel Jura, an deren schroffer Felsenküste im letzten Abendlicht das Milliardärsrefugium Ardfin auszumachen ist. Auf dessen 18 sagenumwobenen Golflöchern zocken jeden Sommer Hedgefonds-Manager und Wall-Street-Größen um exorbitante Summen - jedenfalls stellen wir uns das Treiben auf dieser Luxus-Spielwiese so vor, während wir den Sonnenuntergang bestaunend in den kleinen Hafen von Port Askaig einlaufen. Xander, der eigentlich an der Rezeption im The Machrie sitzen sollte, wartet bereits, um uns im Range Rover quer über die Insel zu unserer Unterkunft und - wie sich wenige Stunden später herausstellen soll - gleichzeitig in den Golfhimmel zu chauffieren. "Ich wollte euch ersparen, um diese Zeit ein Taxi organisieren zu müssen. Ihr hättet nämlich keine Chance gehabt. Dachte mir schon, dass ihr euer Auto auf dem Festland lassen musstet. Die Fähren sind auf Wochen ausgebucht", erklärt er uns, während der Wagen über stockdunkle Feldwege gleitet. "Selbst ich als Bewohner der Insel bekomme keinen Platz auf der Fähre, da sie Tag für Tag mit Whiskylastern vollgeladen wird." Whisky hat auf Islay Vorfahrt und all die hier abgefüllten Flaschen werden schließlich auf dem Festland schon sehnsüchtig erwartet.

Schottland: Gehört sich nicht: Ärger am Werkzeug ausgelassenSchottland: Gehört sich nicht: Ärger am Werkzeug ausgelassen
Gehört sich nicht: Ärger am Werkzeug ausgelassen

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UM DER BEATLEMANIA ZU ENTKOMMEN, KAUFTE MCCARTNEY 1966 EINE 80 HEKTAR GROSSE FARM AM ENTLEGENSTEN ORT DES VEREINIGTEN KÖNIGREICHS, DER IHM EINFIEL: CAMPBELTOWN.
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Am nächsten Morgen bietet sich beim ersten Blick aus dem Hotelzimmer eine beinahe unbeschreibliche Szenerie. Der friedlich daliegende Atlantik konkurriert mit dem wolkenlosen Himmel um das tiefste Blau auf Erden und vor dieser einem Gemälde gleichenden Kulisse schlängeln sich durch sanfte Dünen Fairways, die Teppichen gleichen.

Noch vor dem Frühstück spurten wir zum Pro-Shop, um Head-Pro David Foley um die erstmögliche Startzeit zu bitten. Der Ire, der vor sechs Jahren nach Islay übersiedelte, kontert unser Flehen jedoch mit einem Zitat aus "Zurück in die Zukunft": "Startzeiten? Wo ihr hinwollt, braucht ihr keine Startzeiten." Wir sind offiziell im Himmel angekommen. "Lasst euch das Frühstück schmecken und geht, wann ihr wollt, aufs erste Tee. Heute Vormittag spielen eine Handvoll Mitglieder, die euch garantiert den Weg weisen, solltet ihr verloren gehen." Obgleich Whiskyfans aus aller Welt in Scharen nach Islay pilgern, hält sich die Anzahl der Golfer, die den weiten Weg hierher finden, noch in überschaubaren Grenzen, was zum einen an der nicht unkomplizierten Anreise, zum anderen an der Tatsache liegt, dass Islay nur noch 18 Golflöcher bietet. "Ich habe viel Zeit im Winter und bin während Recherchen auf fünf Golfplätze gestoßen, die es einst auf der Insel gab, aber längst zugewachsen und in Vergessenheit geraten sind", erklärt David nach unserer ersten Runde.

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Willie Campbell designte den ersten Golfplatz zwischen diesen Dünen 1891 und kannte damals keine Gnade. 17 blinde Löcher mutete er den Golfern zu, die hieraus fanden, und trotzdem war der Machrie Links bereits 1901 Schauplatz eines der größten Matches der Golfgeschichte. James Braid, Harry Vardon und John Henry Taylor duellierten sich damals um 100 Britische Pfund, eine Summe, die damals ebenso unglaublich war wie heutzutage LIV-Antrittsgelder.

Mit dem Campbell-Design hat der heutige Machrie Links nicht mehr viel gemein. Nach einigen Jahren Dornröschenschlaf zu Beginn des neuen Jahrtausends eröffnete der Platz nach einem kompletten Redesign von D. J. Russell 2017 neu. Auch David Foley hat hier bereits seine Spuren hinterlassen: "17 blinde Löcher sind mindestens 14 oder 15 zu viel für meinen Geschmack, deswegen bin ich sehr froh, was D.J. hier geschaffen hat. Als ich ankam, gab es allerdings nur sechs Topfbunker und es wurde sogar diskutiert, den Platz komplett bunkerfrei zu gestalten. Da musste ich natürlich einschreiten." Da sich Links-Plätze ohne Bunker für einen Iren in etwa so anfühlen müssen wie alkoholfreies Bier für einen Bayern, machte er sich umgehend ans Werk. 2020 wurden elf neue Bunker gebaut, im Jahr darauf folgten 37 weitere und im vergangenen Jahr kamen noch einmal sechs Sandfallen dazu. Damit ist Machrie Links mittlerweile zu einem High-End-Links-Platz herangewachsen, der sich in Sachen Design, Szenerie und Pflegezustand nicht hinter legendären Neubauten wie Kingsbarns oder Port Stuart zu verstecken braucht und ganz nebenbei direkt hinter dem 18. Grün ein Hotel zu bieten hat, aus dem man am liebsten nie mehr auschecken würde.

Zwei Tage später, einige Golfbälle ärmer, dafür aber um einen Sonnenbrand und unzählige in unseren Hirnen gespeicherte Golf-Porn-Eindrücke reicher schultern wir unsere Bags zurück auf die Fähre, wo Collin hinter seinem Tresen steht, als hätte er nie Feierabend gemacht. "Na, habe ich zu viel versprochen?" Unser verzücktes Grinsen genügt ihm als Antwort.

 
WOHNEN

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THE MACHRIE

Ganz ehrlich: Wir haben schon viele Fünfsterne-Luxusbunker für GolfPunk bereisen dürfen und so schön viele von ihnen auch waren, meist glichen sie doch Altersheimen mit Tagesraten. "The Machrie" indes steckt als Viersterne-Bleibe jedes Luxusgolfhotel auf diesem Planeten in Sachen Stil und Coolness locker in die Tasche. Von der geschmackvollen Kunstsammlung, mit der die Besitzer Sue Nye und Gavyn Davies das Hotel aufgehübscht haben, über die exzellent eingerichteten 47 Zimmer und Suiten bis hin zur himmlischen "Stag Lounge", in der mit Blick aufs 18. Grün die hochprozentigen Erzeugnisse der nahe gelegenen Brennereien genossen werden können, ist hier alles schlicht perfekt. Absolutes Highlight: das Wandrelief des eigenen Links-Platzes in der Bar! www.themachrie.com

THE ROYAL HOTEL

Direkt im Hafen von Campbeltown gelegen bieten einige der insgesamt 23 Zimmer mit Blick auf die ein- und auslaufenden Fischkutter nicht nur Pittoreske, die Zimmer sind auch so geräumig, dass nicht mal Amerikaner hier Grund zum Meckern hätten. Auch in Sachen Ausstattung bleiben im frisch renovierten "Royal Hotel" keine Wünsche offen und das im Erdgeschoss gelegene "Black Sheep"-Pub wird nicht nur von Golfpilgern aus aller Welt, sondern genauso auch von Einheimischen frequentiert - interessante Gespräche über Golf, Whisky und das Wetter sind also garantiert. Während der Saison bringt ein Shuttle-Bus die Golfer zu den fünf Minuten entfernten Links-Plätzen. www.machrihanishdunes.com

Golfplätze in der Region

MACHRIHANISH DUNES

MACHRIHANISH DUNES

18 Löcher, Par 72, 6.476 Meter

Adresse
F75V+4G2 Argyll
Campbeltown
PA28 6TJ, Schottland
Tel. +44 (0)1586.810000
www.machrihanishdunes.com

Greenfee
ca. 145 Euro (Hochsaison), ca. 95 Euro (Hotelgast Hochsaison)

Das schwarze Schaf ist nicht nur das Wappentier von Machrihanish Dunes, sondern auch sinnbildlich zu verstehen, rümpfen doch viele Mitglieder des benachbarten Machrihanish GC, aber auch internationale Gäste verächtlich die Nase über dieses "new kid on the dunes". Zwar sind diese von David McLay Kidd designten 18 Löcher mehr als 130 Jahre jünger als die des berühmten Nachbarn, das Layout der einzelnen Bahnen steht ihnen allerdings in absolut nichts nach. Da sie in einem Naturschutzgebiet liegen, sind nicht nur Düngemittel, sondern auch Be- und Entwässerungsanlagen strikt verboten. Machrihanish Dunes bietet daher keine perfekt manikürten Fairways, dafür Design und Charme auf Champions-League-Niveau.

Killerloch
Loch 14 vereint alles in einer Spielbahn, was Links-Golf großartig macht: Während Longhitter bei Rückenwind darüber nachdenken, das Grün des kurzen Par 4 mit dem Driver anzugreifen, sehen sich auch konservative Eisen-Spieler mit vielen Problemen konfrontiert. Mannstiefe Bunker und ein Waschbrett-Fairway sind nur zwei davon.
www.machrihanishdunes.com

THE MACHRIHANISH GOLF CLUB

THE MACHRIHANISH GOLF CLUB

18 Löcher, Par 70, 5.693 Meter

Adresse
Machrihanish
Campbeltown
PA28 6PT, Schottland
Tel. +44 (0)1586.810213
www.machgolf.com

Greenfee
ca. 135 Euro (Hochsaison), ca. 100 Euro (Twilight Hochsaison)

Beim Blick auf die Scorekarte erinnert die stolze 1876 daran, dass die ersten Bälle hier im vorletzten Jahrhundert geschlagen wurden. Wenige Jahre nach der Eröffnung schaute Old Tom Morris vorbei und erweiterte die zwölf Löcher auf standesgemäße 18. An Bahn 1 musste er keine Hand anlegen, denn dieses Loch ist seit Clubgründung ein Klassiker gefolgt von einer über alle Zweifel erhabenen Front Nine. Dieser laut Tom Doak "einzig übrig gebliebene unberührte Links-Platz" ist wie ein Gang durch ein Golfmuseum. Eines, das aber immer noch Zähne hat.

Killerloch
Loch 1 wäre die offensichtliche Wahl, Design-Enthusiasten werden aber von Loch 3, einer rasanten Berg-und-Tal-Fahrt, ebenso entzückt sein.
www.machgolf.com

THE MACHRIE GOLF LINKS

THE MACHRIE GOLF LINKS

18 Löcher, Par 71, 5.763 Meter

Adresse
Port Ellen
Isle of Islay
PA42 7AN, Schottland
Tel. +44 (0)1496.302310
www.themachrie.com

Greenfee
ca. 130 Euro (Hotelgäste), ca. 200 Euro (externe Gäste)

Zwischen diesen Dünen wird bereits seit 1891 Golf gespielt, mit dem ehemaligen Layout von Willie Campbell hat der "neue" Machrie Links allerdings nur noch wenig zu tun. European-Tour-Legende D. J. Russell hievte diesen antiken Golfplatz mit einem gelungenen Redesign in die Golfmoderne, ohne dabei den rustikalen Charme der alten Golflöcher vollständig auszuradieren. Breite Fairways, riesige Grüns und mehr Höhenunterschiede, als man von der Hotelterrasse aus glauben möchte, machen jede Runde auf diesen 18 Löchern zu einer echten Achterbahnfahrt.

Killerloch
Was vor zwei Jahren noch ein 130 Meter langes Schätzchen von einem Par 3 mit echten Golf-Porn-Qualitäten war, wurde mittlerweile mit sechs (!) neuen Topfbunkern auf ein völlig neues Level gehoben. Loch 9 in The Machrie ist schlichte Perfektion.
www.themachrie.com

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