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Der tatsächliche Plan eines Grünkomplexes

Der Blick des Architekten

35 Unumstössliche Wahrheiten der Golfplatzarchitektur

Von Tony Ristola, Fotos: Tony Ristola

Phänomenale Golfplätze, die Golfer glücklich machen und ihren Besitzern nicht den letzten Cent rauben, entstehen weder am Zeichenbrett noch via Zoom. Unser Kolumnist Tony Ristola weiß genau, worauf es bei der Planung einer neuen Anlage ankommt.

Beginnt irgendwer ein neues Golfplatzprojekt oder ein Redesign mit der Möglichkeit des Scheiterns vor dem geistigen Auge? Sicherlich nicht, doch jeder Golfinvestor sollte diese Möglichkeit zumindest bedenken, denn großartige Golfplätze entstehen nicht durch Zufall. Anlagenbesitzer und Komitees sollten sich zweifelsfrei darüber im Klaren sein, wohin die gemeinsame Reise nicht gehen sollte. Dazu ist es nötig, die kostspieligen Mythen und zahlreichen Fallstricke zu kennen, die viele Golfanlagen zu Millionengräbern machen. Trotz immenser Investitionen entstehen zu viele nichtssagende Golfplätze. Eine mittelmäßige Anlage führt jedoch unter Garantie dazu, dass die Betreiber nur ein Mittel in der Hand haben, Golfer anzulocken: Preiskampf. Oft werden derartige Anlagen bereits wenige Jahre nach ihrer Entstehung -erneut für horrende Gelder umgebaut. All die Kosten, die durch Platzsperrungen und Umbaumaßnahmen entstehen, sind nichts weiter als verzögerte Baukosten einer Golfanlage. Ein Investor, der die 35 unumstößlichen Wahrheiten der Golfplatzarchitektur verinnerlicht, erspart sich ein Leben in der Welt des Schmerzes.

Der Blick des Architekten: Grünskizze eines der führenden Golfplatzarchitekten, Dr. Alister MacKenzie
Grünskizze eines der führenden Golfplatzarchitekten, Dr. Alister MacKenzie

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Architektur ist eine Kunstform und es sind die Architekten, die tagtäglich mit ihrer Entstehung betraut sind.
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1. Du hast nur eine einzige Chance, einen exzellenten und ökonomisch funktionierenden Golfplatz zu bauen.

2. Das Budget für die Bauarbeiten bestimmt nicht die Qualität des Platzes. Es gibt wichtigere Faktoren als Geld.

3. Architekt, Bauland, Clubhaus und Finanzierung: Es sind die frühen Entscheidungen, die über Wohl oder Elend eines Projekts entscheiden.

4. Es gibt keinen Ersatz für einen qualifizierten Golfplatzarchitekten als Bauleiter. Die Zeit eines Architekten vor Ort ist das wertvollste Gut für einen Investor.

5. Planung und Bauphase sind keine voneinander getrennten Aufgaben. Beides sind spezialisierte Einzelteile desselben Jobs: Design.

6. Der Bau ist die kostenintensivste und weitreichendste Phase der Designarbeit.

7. USGA- und FLL-Spezifikationen führen nicht unbedingt zu hervorragenden Grüns. Zahlreiche berühmte Golfplätze erfüllen diese Spezifikationen nicht. Es gibt andere, auf Sand basierende Lösungen, die ebenfalls gut funktionieren. Viele Experten sind sich sogar einig, dass diese Lösungen funktionaler und gleichzeitig preiswerter sind.

8. Ein Architekt mit einer langen Liste simultaner Projekte verrät dem Investor, was er wissen muss: Er wird nicht genügend echte Zeit für seines haben.

9. Sämtliche Architekten, die gleichzeitige Bauprojekte übernehmen, hatten bereits mit massiven Problemen auf einzelnen Baustellen zu kämpfen, da sie delegieren und somit auf das Beste hoffen mussten. Dieser "Es wird schon alles gutgehen"-Ansatz gleicht einer Partie Roulette mit den Millionen der Investoren.

10. Bauunternehmen kalkulieren knapper, wenn der Architekt stets vor Ort ist. Warum? Während der Bauphase wird keine Zeit mit Abstimmungsprozessen vergeudet. Zeit ist Geld.

11. Möglichkeiten ergeben sich nicht nur während sporadischen Besuchen des Architekten. Sie bieten sich täglich und ohne Vorankündigung. Ist der Architekt nicht vor Ort, um die Chancen zu nutzen, sind sie für immer verloren.

12. Pläne sind sterile und leblose technische Dokumente, die Konformität einfordern. Pete Dye sagte einmal: "Pläne sind nur der Anfang", und Donald Ross: "Designe das Land und nicht auf Papier."

13. Eine Änderung am Design zieht oft weitere Chancen nach sich. Über die gesamte Bauphase eines Projekts betrachtet wird klar, wie oft sich dieser Prozess wiederholt und warum sich die besten Plätze der Welt über ihre gesamte Bauphase hin entwickelt haben.

14. Pläne geben niemals alle Ideen und die gesamte Vision des Architekten wieder.

15. Jeder Arbeiter auf der Baustelle ist ein von seinen eigenen Erfahrungen geprägtes Individuum. Zwei unterschiedliche Shaper würden dieselben Pläne eines Architekten daher unterschiedlich umsetzen. Tägliche Zusammenarbeit ist daher unabdingbar.

16. Die drei Meter breite Bulldozer-Schaufel ist ein großartiges Werkzeug, um flache Ebenen wie Straßen zu schaffen. Im Golfplatzbau kann modernes Equipment jedoch dazu führen, sterile und repetitive Resultate zu liefern.

17. Zeitmanagement und Baupläne sind notwendig, um Material- und Arbeitskosten zu sparen, aber auch um Bürokraten zufriedenzustellen. Allerdings ist kein großer Golfplatz das Resultat von bis ins Detail umgesetzten Plänen.

18. Ein Investor, dessen Golfplatz bei Fertigstellung exakt den Plänen entspricht, sollte sich absolut nicht glücklich schätzen. Er kann sicher sein, dass zahlreiche Möglichkeiten, eine organisch gewachsene Anlage zu erhalten, vergeben wurden.

19. Viele der besten Golfplatzarchitekten zeichnen keine detaillierten Pläne ihrer Grüns und deren direkter Umgebung. Sie bevorzugen es, diese Visitenkarten einer Anlage vor Ort zu entwerfen und umzusetzen - wie man es von Künstlern erwartet. So bleibt die Möglichkeit einzigartiger Details erhalten. Darüber hinaus ist diese Arbeitsweise flexibler und kosteneffizienter.

20. Massenproduktion wird häufig mit einem eigenen "Design-Stil" verwechselt. Doch immer wiederkehrende Designelemente eines Architekten reduzieren die Kunstform des Platzdesigns auf ein reines Abarbeiten einzelner Aufgabenstellungen. Diese Art von "McGolf" ist effizient für das Architekturbüro, doch niemals im Sinnes des Golfers.

21. Baufirmen sind auf dem Platz, um Geld zu verdienen. Sie sind weder Wohltäter noch Förderer der Künste. Sie werden daran interessiert sein, das Projekt so schnell wie möglich abzuschließen.

22. Kein Arbeiter kann durch reines Betrachten der Pläne die Gedanken des Architekten lesen.

23. Weil Design subjektiv ist, trauen sich viele Shaper nicht, im kleinen Rahmen selbst Architekt zu spielen. Das Risiko wäre zu groß, es könnte den hauptamtlichen Architekten vor seinen Auftraggebern schlecht aussehen lassen. Darüber hinaus müssen eigene Ideen, sollten sie dem Architekten nicht gefallen, auf eigene Kosten zurückgebaut werden. Ganz zu schweigen von der Wahrscheinlichkeit, dass dieser Architekt besagten Shaper wohl kaum erneut für ein Projekt engagieren würde.

24. Die meisten Arbeiter auf den Bulldozern sind weder Golfer, noch interessieren sie sich für das Spiel, für seine Historie, die berühmten Plätze oder verschiedene Designphilosophien. Trotzdem können diese Arbeiter Weltklasse-Resultate schaffen, wenn der Architekt stets vor Ort ist.

25. Der Kostenvoranschlag einer Baufirma wird höher ausfallen, wenn dem Architekten des Projekts der Ruf des in der Zusammenarbeit schwierigen Künstlers vorauseilt. Kosten, die wohl oder übel der Investor tragen muss.

26. Eine "Golf Course News"-Umfrage ergab, dass mehr als die Hälfte aller Golfplatzarchitekten in Amerika Schwierigkeiten dabei haben, qualifizierte Bauarbeiter für ihre Projekte zu finden. Im Rest der Welt fällt diese Zahl noch deutlich höher aus.

27. Platzpflege ist ebenfalls ein Teil der Golfplatzarchitektur. Es ist immens wichtig, dass der Architekt von Beginn an mit dem Club und dem Head-Greenkeeper zusammenarbeitet und alle derselben Vision folgen.

28. Länge ist lediglich ein Werkzeug, um Varianten zu schaffen. Sie ist kein Maßstab für Qualität.

29. Ein großartiger Golfplatz braucht keine Wasserhindernisse. Viele der besten Golfplätze der Welt verzichten komplett auf sie.

30. Viele berühmte Golfplätze sind keine Par-72-Anlagen. Zwischen Par 65 und Par 74 ist alles denkbar.

31. Kartwege: Die meisten Weltklasseplätze verzichten auf diese hässlichen Betonstreifen entlang der Spielbahnen.

32. Die Mehrheit aller großartigen Golfplätze wurde auf sandigem Boden erbaut. Dieser Untergrund erlaubt Designern ein Maximum an Kreativität, optimale Spielbedingungen und geringe Baukosten. Auf der Suche nach Bauland sollte Sand daher immer bevorzugt werden.

33. Gut gemeinte Baumpflanz-Initiativen von Clubkomitees ruinierten bereits zahlreiche Spitzenplätze. Daher sollte vor jeder Veränderung am Platz ein Architekt konsultiert werden.

34. Golfplatzarchitekten-Vereinigungen sind keine vom Gesetzgeber berufenen Regelwächter, sondern Clubs. Genauso wie Frank Lloyd Wright niemals Mitglied des American Institute of Architects war, gehören viele hervorragende Golfarchitekten keiner Vereinigung an.

35. Mund-zu-Mund-Propaganda ist das mächtigste Marketinginstrument einer Golfanlage, da es persönlich und glaubwürdig ist. Darüber hinaus ist es das preiswerteste. Leider fehlt vielen Anlagen jedoch der eigene Charakter, der Golfer dazu verleitet, wiederzukommen und ihren Freuden davon zu erzählen.

Architektur ist eine Kunstform und es sind die Architekten, die tagtäglich mit ihrer Entstehung betraut sind. Es sind engagierte Platzarchitekten, die Hunderttausende - egal welche Währung der Investor sein Eigen nennt -, wenn nicht Millionen während der Planungs- und Bauphase eines Golfprojekts einsparen und die Erwartungen dabei sogar noch übertreffen können. Von Beginn an einen wirtschaftlich tragfähigen und wirklich hervorragenden Golfplatz zu bauen ist langfristig gesehen der bei Weitem sinnvollste Weg. So kann nicht nur die Qualität der Anlage mit zunehmendem Alter stetig ansteigen, ihre Reputation unter Golfern und Gästen wird es ebenfalls.

 
Der Autor

Der Autor

Tony Ristola, ein Amerikaner mit finnischen Wurzeln, kann nicht nur Golf spielen - er war als Teaching- sowie als Playing-Pro aktiv -, sondern fand in der Golfplatzarchitektur seine wahre Bestimmung. Zusammen mit Arbeitern, von denen die meisten noch nie einen Golfplatz gesehen hatten, schuf er mit Sand Valley in Polen sein erstes, international gefeiertes 18-Loch-Layout. Als einziger Golfplatzarchitekt garantiert er, jeden einzelnen Tag der Planungs- und Bauphase einer neuen Anlage vor Ort zu sein. www.tonyristola.com

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