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Der Blick des Architekten

Brautarholt auf Island

Von Tony Ristola, Fotos: Tony Ristola

Unser Kolumnist hat die letzten beiden Jahre damit zugebracht, auf Island ein Rohjuwel von einem Zwölfloch-Platz zu einer spektakulären 18-loch-Anlage umzubauen, die sich bald auf der Bucketlist vieler Abenteuerlustiger Golfer finden wird. Los geht der Spass in Brautarholt mit einem Par 5 zum Zungeschnalzen.

Das Auftaktloch von Brautarholt ist ein breites Par 5 mit etwa 480 Metern Länge, dessen Fairwayform an eine Wespentaille erinnert. Abhängig vom Wind kann es von Longhittern in zwei Schlägen erreicht werden, bei starkem Gegenwind ist aber für alle Golfer eine Drei-Stopp-Strategie notwendig. Besonders einmalig ist der Blick vom Backtee. Auf der Spitze einer massiven Felsformation etwa 15 Meter über dem Golfplatz bietet sich hier ein atemberaubendes 360-Grad-Panorama. Im Westen erstreckt sich das erste Fairway zwischen schroffen Felsvorsprüngen und Sumpfland vor der massiven Kulisse des Atlantischen Ozeans. Im Osten zieht sich ein schroffer Vulkan entlang des Fjords. Zur Linken im Südwesten erhebt sich die gewaltige Felsformation Borg über das 18. Grün und das zehn Kilometer entfernte Reykjavík wirkt von hier oben viel näher, als es tatsächlich ist. Willkommen in Brautarholt!

Nach dem Abschlag folgt der Abstieg hinunter zum hügeligen, 70 Meter breiten Fairway. Aufgrund des Winds und seiner wechselnden Richtung sind die Fairways in Brautarholt ausufernd, um so verschiedene Routen, Flexibilität und Spaß zu garantieren.

260 Meter vom Abschlag entfernt verengt sich dieser erste Teil des Fairways auf 35 Meter. Ursprünglich war hier der Beginn eines 30 Meter langen Feuchtstreifens mit vereinzelten Bäumen. Zunächst sollte diese Ecke in einen naturbelassenen Sumpf umgewandelt werden, was funktioniert hätte, wäre das Loch später in der Runde ins Spiel gekommen. Aber als Eröffnungsloch wäre ein solches Ballgrab zu viel des Guten. Ich wollte die Spielbahn nicht aufteilen, denn niemand sollte sich zwischen Vorlegen oder einem erzwungenen Carry-Schlag entscheiden müssen, was lediglich das Spiel verlangsamt.

Allerdings habe ich die Landezone nicht völlig trivial gestaltet, denn sie wird von drei Bunkern verteidigt. Für Experten ist - bei trockenen Fairways und passendem Wind - sogar der entfernteste dieses Trios nach 310 Metern erreichbar.

Bunker sind die visuell auffälligsten Elemente auf einem Golfplatz und hier im Südwesten Islands hat die dramatische Erosion fantastische natürliche Bunker geschaffen. In Brautarholt erfüllen diese Sandfallen vier Grundfunktionen: Sie diktieren die Spielstrategie. Sie dienen als Verbindungselemente, bei denen der Bunker in die umgebende natürliche Umgebung übergeht. Bunker machen einzelne Bereiche aber auch spielbarer, indem verhindert wird, dass dorthin geschlagene Bälle ein schlimmeres Schicksal erleiden. Und zu guter Letzt natürlich die Ästhetik, denn Bunker verleihen Golfplätzen mehr Dramatik.

Der flache erste Bunker links des Fairways erfüllt alle diese Elemente. Er sieht gut aus und fordert Golfer heraus, die entlang der Ideallinie spielen. Schroffe Inseln im Bunker tragen dazu bei, seine große Form aufzubrechen und eine Verbindung zur natürlichen Umgebung unmittelbar links herzustellen, während sie zugleich verhindern, dass Bälle im unwegsamen und felsigen Gelände dahinter landen.

Der zweite Bunker, Newfoundrock genannt, durchlief einen längeren Entwicklungsprozess. Schon früh nach Baubeginn stellte ich fest, dass es sich bei kleinen Hügeln, die ich für menschengemacht hielt, nach Abtragen der oberen Erdschicht in Wirklichkeit um eine Felsformation handelte, die die ursprüngliche Designidee unmöglich machte. Ich musste zurück ans Zeichenbrett und so entwickelte sich ein riesiger Bunker entgegengesetzt der ursprünglich angedachten Richtung, der als Puffer zum angrenzenden Sumpf dient.

Der Blick des Architekten:
Bild links: 27.05.2022: erste Designidee
Die ursprüngliche Idee war, den aus dem Hügel gegrabenen Fairway-Bunker in einen Waste-Bunker übergehen zu lassen, der als Puffer zum Rough rechts des Fairways fungiert. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine Ahnung, dass unter dem Hügel massiver Fels lag und mich zurück an den Zeichentisch zwang.

Bild rechts: 05.06.2022: zurück an den Zeichentisch
Als klar war, dass dieser Plan nicht funktioniert, mussten Entwürfe her. Die ersten beiden Skizzen vom 06. Juni kommen dem Endergebnis am nächsten. Anstatt nach rechts zu verlaufen, umschließt der Bunker nun den Fels und verläuft etwa 40 Meter entlang der rechten Seite des Fairways.


Überall auf dem Grundstück finden sich jahrhundertealte Steinmauern. Auf der linken Seite des dritten und letzten Bunkers, Cottage getauft, fanden wir einen abgeflachten Bereich mit altem Mauerwerk. Obwohl dies von den Archäologen nicht dokumentiert wurde, bedeckten wir das Gebiet sorgfältig mit Erde und bauten den letzten und kleinsten Bunker der Bahn rechts davon. Jeder dieser Bunker unterscheidet sich in Form, Größe und Struktur, gleichzeitig sind sie eine Vorschau auf das, was Golfer im Laufe der Runde hier immer wieder entdecken werden.

Hinter dem dritten Bunker öffnet sich die Landschaft. Ein diagonaler Grat beginnt am Cottage-Bunker und knüpft an das wichtigste Merkmal des Lochs an, eine große Welle im Fairway rechts des Grüns. Diese Erhöhung mag harmlos wirken, doch zu kurze Annäherungsschläge werden mit einem halb blinden oder blinden Pitch aufs Grün aus unebener Lage bestraft. Die konservative Linie verläuft links der Welle, wo ebenes Gelände einen Standard-Chip zur Fahne ermöglicht.

Die Schwierigkeit dieser Welle liegt aber nicht nur darin, dass sie Teile des Grüns verdeckt. Bälle, die auf ihrer Rückseite wenige Meter vor dem Grün landen, werden unweigerlich nach vorne springen und über die Putting-Fläche hinausschießen.

Das Grün selbst liegt erhöht über dem Fairway. Das ursprünglich stark nach links zum Meer abfallende Gelände war in dieser Form für ein Grün leider zu steil. Die Vorderseite des Grüns zu erhöhen wäre eine einfache Lösung gewesen, aber ich entschied mich dagegen, um Golfer, die sich links der großen Welle halten, mit einem freien Blick aufs Grün zu belohnen. Also habe ich das Grün aus dem Hang herausgegraben - besser gesagt: das vulkanische Grundgestein weggemeißelt -, um mehrere Ebenen und Wellen zu schaffen. Dieser Grünkomplex ist eine echte Herausforderung und deshalb konnte ich den Eigentümer der Anlage davon überzeugen, dass es keine Hindernisse rund um dieses Grün braucht. Das Grün selbst ist Hindernis genug.

Bei gutem Wetter ist die neue Bahn 1 in Brautarholt ein recht einfach zu spielendes Eröffnungsloch. Wer aber von der richtigen Linie abkommt und sich mit den Bunkern oder den Unebenheiten vor dem Grün anlegt, wird sich beim Gang zum zweiten Abschlag sicher fragen, wie zum Teufel auf diesem Loch ein Bogey zustande kommen konnte.

 
Der Autor

Der Autor

Tony Ristola, ein Amerikaner mit finnischen Wurzeln, kann nicht nur Golf spielen - er war als Teaching- sowie Playing-Pro aktiv -, sondern fand in der Golfplatzarchitektur seine wahre Bestimmung. Zusammen mit Arbeitern, von denen die meisten noch nie einen Golfplatz gesehen hatten, schuf er mit Sand Valley in Polen sein erstes, international gefeiertes 18-Loch-Layout. Als einziger Golfplatzarchitekt garantiert er, jeden einzelnen Tag der Planungs- und Bauphase einer neuen Anlage vor Ort zu sein. www.tonyristola.com

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