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Spirit(s) Of The Game

Golf und Whisky

Von Christoph Keller, Fotos: Mike Meyer

The perfect match? Absolut. Zumindest wenn Witterung, Landschaft, Platz und Gaumen zusammenpassen - wie auf dem Tain Golf Course von 1890 am Dornoch Firth, Old Tom Morris' 'Northern Jewel', mit einem guten Speyside Scotch an einem Tag mit klassisch schottischem Wetter.

Wenn auf dem Golfplatz die Rede auf Whisky fällt, bekommen die meisten meiner Golf-Kumpels leuchtende Augen und haben viel zu erzählen. Die meisten haben schon einmal eine jener Distillery-Kaffeefahrten durch Schottland unternommen und fühlen sich seither als "Connaisseure" und Whisky-Liebhaber. Man kann sich ja auch tatsächlich stundenlang und sehr gepflegt über Wind, Meersalz, Torf, Darren, Rauch, Fässer, Toasting, das weiche Wasser und die jahrelange Reife unterhalten und Insider-Tipps austauschen.

Leider muss ich den vermeintlichen Gourmets dann immer ein bisschen Wein ins Wasser - ich meine: in den Scotch - kippen und darauf hinweisen, dass wir es bei Whisky eben nicht mit einer exklusiven Kennerpreziose zu tun haben, sondern trotz aller Legendenbildung mit einem Massenprodukt, das zwar seit einem halben Jahrhundert ganz großartig vermarktet wird, aber den Liebhaber von exklusiven Geschmackserlebnissen aufgrund seines schieren Massenvorkommens nicht wirklich befriedigen kann. 400 Millionen Flaschen Whisky wurden im Jahr 2015 aus Schottland exportiert, die größte der 115 aktiven schottischen Whisky-Destillerien produziert 12,5 Millionen Liter pro Jahr. 40.000 Arbeitsplätze sind an die Whisky-Industrie gebunden, vom Tourismus einmal ganz abgesehen. Zum Vergleich: In Baden-Württemberg existieren derzeit etwa 20.000 Kleinbrennereien, die gemeinsam etwa so viele Flaschen an Obstbränden produzieren, wie die kleinste schottisch Whisky-Destillerie.

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400 MILLIONEN FLASCHEN WHISKY WURDEN IM JAHR 2015 AUS SCHOTTLAND EXPORTIERT, DIE GRÖSSTE DER 115 AKTIVEN SCHOTTISCHEN WHISKY-DESTILLERIEN PRODUZIERT 12,5 MILLIONEN LITER PRO JAHR.
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Wenn es also die nur angeblich geringe Menge nicht ist, was macht dann einen guten Whisky zu einem besonderen Produkt mit mythischer Aura? Nun, es ist sicher die Variabilität der Geschmacksempfindungen, die aus einem recht einfachen Destillat aus vergorener, gemälzter Gerste ein so komplexes Getränk mit Noten von Rauch, Karamell, Torf, Salz, Vanille, Toffee, Gerbstoffen, Dörrfrüchten, Gewürzen und vielem mehr werden lassen. Dass solche Aromen in einem einfachen Getreidedestillat entstehen können, ist die große Kunst der schottischen Fasslagerung, des Blendings, ein Ergebnis des weichen Wassers und der klimatischen Bedingungen - und das große Geheimnis des Whiskys.

In vielen Gesprächen über Whisky auf dem Golfplatz habe ich festgestellt, dass die meisten Golfer genau so über ihre geschmacklichen Empfindungen sprechen wie über ihr Golfspiel: Wenn es beim Golf zuallererst um die Länge des Drives geht, muss auch beim Whisky das schwere Geschütz her, nämlich die extrem rauchigen und torfigen Islay-Whiskys. Wer die etwas feinere Klinge führt und über den maßvollen Biss beim Chippen aufs Grün philosophiert, der ist oft auch beim Whisky für die etwas subtileren, eleganteren und vielschichtigeren Vertreter, also Highland- oder Speyside-Whiskys, empfänglich. Und natürlich hat das auch mit dem entsprechenden (Gaumen-)Training zu tun. Unsere Sensorik will nämlich genau wie unser Schwung trainiert werden.

Spirit(s) Of The Game:
Für solch eine Trainingsreise empfehle ich einen Trip nach Nordschottland in die Gegend von Elgin/Moray und Inverness. Hier in der so genannten Speyside, der Region rund um Schottlands zweitgrößten Fluss, sind nämlich nicht nur viele ursprüngliche Links-Courses beheimatet, sondern auch gut die Hälfte aller schottischen Whisky-Destillerien. Und hier passen Golf und Whisky auch unmittelbar und absolut zusammen. Wem der nordatlantische Wind vom Moray Firth vier Stunden lang ins Gesicht gepeitscht hat gemischt mit horizontalem Regen, der hat seinen Gaumen tatsächlich hinreichend auf einen 20-jährigen Single Malt vorbereitet - und ihn auch wirklich verdient.

Die Speyside ist eigentlich keine echte geografische Bezeichnung, sondern dient hauptsächlich den rund 60 hier ansässigen Destillerien, die ursprünglich zu den Highland-Whiskys gezählt wurden, für ein spezifisches Labelling und eine weitere Abgrenzung von anderen Whiskys. Die wunderbar grüne fruchtbare Region entlang des Spey weist weltweit die größte Dichte an Whisky-Destillerien auf und erfüllt alle Voraussetzungen für die Produktion von Whisky - Wasser, Torf und Gerste gibt es reichlich. Mit The Glenlivet (1823) ist auch die älteste noch aktive Brennerei ansässig, ebenso wie viele andere große Marken.

Die Single Malts der Speyside sind grundsätzlich eher subtil, elegant, süßlich. Sie weisen klassische Aromen von frischen Früchten wie Äpfeln und Birnen sowie Vanille und Honig auf, die zu komplexen, eleganten und anspruchsvollen Single-Malt-Whiskys komponiert werden. Durch die Reifung in Bourbon- und Sherry-Fässern entwickeln sie im Alter ein süß-würziges Aroma von getrockneten Früchten und verführerischem Duft nach Rosen, Veilchen und Zimt.

Das Epizentrum der schottischen Whisky-Produktion ist die Speyside Cooperage, die größte Böttcherei der Welt, die vor allem Bourbon- und Sherry-Fässer restauriert und die gesamte schottische Whisky-Welt mit Fässern versorgt. Ein Besuch ist unbedingt lohnenswert!

Aber das Schönste im nördlichen Schottland sind natürlich die Golfplätze rund um Inverness. Sagenhafte Links-Courses wie Moray, Cullen, Nairn, Castle Stuart, Royal Dornoch oder auch Brora bringen uns zu den ursprünglichen Anfängen des Spiels. Hier liegt auch eine Perle, die vielleicht kein echter Geheimtipp mehr ist, aber doch - völlig zu Unrecht - oft vergessen wird: Tain Golf Links am Dornoch Firth.

Die Ankunft am Clubhaus von Tain gleicht einer Zeitreise ins vorige Jahrhundert. 35 Pfund für das Greenfee sind hier fällig und die Einführung in das Design des 1890 von Old Tom Morris erbauten Platzes ist inbegriffen. Bereits nach drei Löchern wird jedem Golfer klar, warum diese nötig ist: Das hier ist absolut ursprüngliches Golf auf einem Par-70-Platz mit 6.404 Yards (!), spektakulären Löchern zwischen gelb blühenden Ginsterbüschen, weidenden Schafen und unglaublichen Ausblicken auf den Dornoch Firth einerseits und die Berge der Highlands auf der anderen Seite. In der Brandung am Firth spielen Otter, zwischen den Dünen segeln diverse Seevögel. Auch das Wetter spielt hier beinahe das ganze Jahr über seine angedachte Rolle: Es ist ein wilder Mix aus Sonnenschein, Sturmböen und Furcht einflößenden Regenschauern, die wie aus dem Nichts auf den ahnungslosen Kontinentaleuropäer herunterprasseln.

Mein Favorit und eine immer unvergesslich in Erinnerung bleibende Bahn ist allerdings das Signature Hole des Tain Golf Club: das elfte Loch, ein 380 Yards langes Dogleg nach links, das direkt auf den Dornoch Firth und die gegenüberliegende Destillerie von Glenmorangie zuläuft. Der ironische Titel "The Alps" deutet auf eine gehörige Portion schwarzen schottischen Humors hin - und auf ein gigantisches Hindernis direkt vor dem schmalen Grün, das nämlich hinter drei riesigen, etwa zehn Meter hohen Dünen liegt, die wie Beulen aus der Landschaft herausragen ("The Alps"!) und das Grün völlig uneinsehbar machen. Wenn man dann aber - nach einem komplett blinden Schlag - über diese Dünen steigt, den gigantischen Rundumblick genießt und im besten Fall den Ball irgendwo in der Nähe des Grüns, hinter dem direkt der Strand beginnt, entdeckt, dann richtet sich der Fokus so langsam auf die große Destillerie am anderen Ufer... und der Durst beginnt, sich in einem hinteren Winkel der Kleinhirnrinde auszubreiten. Die Vorfreude auf ein schönes Gläschen Single Malt nach der Runde wächst.

 

ZUR PERSON

Christoph Keller ist 47 Jahre alt und trägt schon immer Vollbart. Als Jugendlicher spielte er mit den Leonberg Lobsters in der Baseball-Bundesliga und studierte im Anschluss Kunst, Kunstgeschichte und Philosophie. 1998 gründete er den Revolver Kunstverlag und führte diesen bis 2004, bevor er ihn verkaufte. Danach zog er in die Stählemühle im südlichsten Baden und fand dort eine Brennerei vor. 2005 wurde dann die Leidenschaft fürs Schnapsbrennen entfacht und er entwickelte als Master Distiller den legendären Monkey 47 Schwarzwald Dry Gin. Die Stählemühle entwickelte sich währenddessen zu einer der zehn besten Brennereien der Welt und dann nahm Christoph zum ersten Mal einen Golfschläger in die Hand, erspielte sich ein einstelliges Handicap, wurde Kapitän im Golfclub Schloss Langenstein und spielt gerne Runden mit Hickory Schlägern.

Jedenfalls gönnen wir uns, während unsere Schläger und Klamotten trocknen, das ein oder andere Tröpfchen in "Old Tom's Restaurant" im Clubhaus. Mein Favorit an diesem Abend ist ein Geheimtipp: ein 26 Jahre alter Glen Moray, der unter den großen Liebhabermarken ein Underdog ist und nicht zu den gängigen Jagdtrophäen der Sammler gehört, durch sein ausgeprägt würziges Aromenspiel mit Noten von Dörzwetschgen, Pfeffer, Vanille und Karamell jedoch zum Erlebnis des Abends wird. Natürlich immer mit einem Spritzer Wasser angereichert - genau wie Links Golf in Nordschottland!

Und jetzt passt eben alles zusammen: der Platz, die Witterung, mein körperlich-seelischer Allgemeinzustand und der Drink im Glas!

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