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Die angenehmsten Orte der Welt

Irland - Waterville

Von Rüdiger Meyer, Fotos: Getty Images, Rüdiger Meyer

Stummfilmstar Charlie Chaplin und die neumodische Telegrafie machten das irische Waterville bekannt. Diese Dualität zwischen Tradition und Moderne findet sich auch in den beiden Golfplätzen der Ortschaft wieder.

'Österreich und Preußen haben einen Friedensvertrag unterzeichnet.' Mit diesen Worten geriet die Region um das irische Waterville 1866 in den Blick der Weltöffentlichkeit. Nicht etwa, weil der Ort im County Kerry etwas mit dem Prager Frieden zu tun gehabt hätte. Aber von der benachbarten Valentia Island wurde die Kunde als erste Nachricht durch das nagelneue Transatlantikkabel nach Trinity Bay in Neufundland geschickt.

Das technische Mammutprojekt, dessen Realisierung neun Jahre dauerte, ist auch der Grund, warum der Golfsport in den 465-Seelen-Ort Waterville kam: Im tiefsten Westen Irlands gab es kaum ein Unterhaltungsprogramm und die vielen Arbeiter der Commercial Cable Company mussten bei Laune gehalten werden. Also widmeten sie sich dem Golfsport. 1889 entstand unter der Schirmherrschaft des Waterville Athletic Club ein schlichter Neunlochplatz, der 85 Jahre später das Fundament für den heutigen Waterville Golf Links bildete.

Auch Hogs Head, der zweite Golfplatz in Waterville, entstand aus der Asche eines anderen Golfplatzes. 2006 eröffnete auf einer Klippe im Süden des Ortes der Skellig Bay Golf Club. Doch die kurz darauf einsetzende Rezession zog auch den Club in den Abgrund. Die Chance für die Besitzer der Beratungsfirma Alvarez & Marsal, sich den Traum vom eigenen Club zu erfüllen. Sie erwarben das Grundstück, heuerten den US-Architekten Robert Trent Jones II an und setzten sich das bescheidene Ziel, den besten Club der Welt zu schaffen.

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Sie sind nicht die ersten Amerikaner, die dem Charme von Waterville erlegen sind. 1946 recherchierte Walt Disney für seinen Film "Das Geheimnis der verwunschenen Höhle" in Waterville und übernachtete im traditionsreichen "Butler Arms Hotel". Der Filmproduzent schwärmte seinem Freund Charlie Chaplin so lange von den Angelmöglichkeiten im Ort vor, bis auch der ins "Butler Arms Hotel" reiste - und abgewiesen wurde. Das Hotel war ausgebucht und der Rezeptionist erkannte Chaplin ohne seine Verkleidung als Tramp nicht. Als der Besitzer des Hotels davon hörte, raste er Chaplin hinterher, warf seine Familie aus ihren Zimmern und quartierte Chaplin ein. Der Beginn einer jahrzehntelangen Liebesbeziehung zu Waterville, das den Stummfilmstar noch heute mit einer Statue ehrt.

Auch im Waterville Golf Links entdecke ich die Statue eines Amerikaners: Payne Stewart. Gemeinsam mit Mark O'Meara und Tiger Woods bereitete sich der dreifache Major-Sieger hier 1998 und 1999 auf die Open Championship vor und erlag dem Reiz des Ortes. Stewart mischte sich unters Volk, zapfte Bier am Tresen des Pubs und freundete sich mit den Einheimischen an. Die Verbindung war so eng, dass der Club Stewart zum Ehrenkapitän für das Jahr 2000 wählte. Weil Stewart zuvor tragisch ums Leben kam, errichtete man zwei Statuen um die Übungsgrüns, zu deren Einweihung auch Tiger Woods nach Waterville zurückkehrte.

Bereits am ersten Tee wird mir klar, warum sich der Platz in das Herz so vieler Profis und Amateure gespielt hat. Mit 6.718 Metern von den Championship Tees ist es selbst für die Golfelite ein absoluter Test. Und dennoch hat er nichts von den modernen Plätzen, die Unmengen an Gelände beanspruchen. Die vom Iren Eddie Hackett designten 18 Bahnen wirken fast intim, besitzen unverwechselbare Eigenheiten und forcieren das taktische Überlegen. Ein gutes Beispiel dafür ist Bahn 1, die im Birdiebook wie ein typisches Startloch anmutet: geradeaus, mittellang, unspektakulär. Doch nach dem Abschlag erkenne ich deutlich die Strategie des Lochs. Die gesamte rechte Seite des Grüns wird von einer wild ondulierten Bunker-Landschaft geschützt. Wer hier nicht das Grün von der linken Seite des Fairways anspielt, kann das Par schon mal vergessen.

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Nach einem Par 4, das Ryder-Cup-Held Christy O'Connor jr. zu den besten Löchern Irlands zählt, und einem starken Par 5, das links des River Inny entlangführt, stehe ich auf Bahn 4 wieder an einem dieser Löcher, das man nur auf den britischen Inseln findet. Das bis zu 182 Meter lange Par 3 verläuft mitten zwischen zwei Dünen entlang und spielt sich von einer erhöhten Teebox gegen den Wind. Die stramm bergauf spielende Bahn 7 sowie die auf das Clubhaus zurückführende 9 mit ihrem erhöhten Grün sind zwei weitere unvergessliche Highlights. Bereits hier stellt sich bei mir das Gefühl ein, einen dieser wenigen Plätze zu spielen, die sich auf ewig in die Gehirnwindungen einbrennen. Und dabei gelten die Front Nine gemeinhin als schwächere Hälfte.

Warum das so ist, wird mir spätestens an der 11 deutlich, die es zumindest verdient, in eine Diskussion über die besten Par 5 der Welt einbezogen zu werden. Am Abschlag sehe ich davon erst mal nichts. Buchstäblich. Denn eine der größten Dünen des Geländes versperrt meinen Blick auf das in einem leichten Dogleg nach rechts verlaufende Fairway. Als ich den Drive auf der Bahn platziert habe und zu meinem Ball gehe, klappt mir erst einmal die Kinnlade runter. Denn nach gut 250 Metern fällt das Fairway steil in eine Senke, bevor es zum Grün wieder ansteigt.

Es ist der Auftakt zu einem Spektakel an Schlusslöchern, wie ich es nur selten erlebt habe: erhöhte Grüns, ein mit zwei Schlägen erreichbares Par 5, das trotzdem eine Herausforderung bleibt. Grünkomplexe, bei denen die Betonung auf dem zweiten Wortteil liegt, ein brillantes, 346 Meter langes Par 4, das der einheimische Profi Liam Higgins bei seinem Platzrekord 1979 mit einem Ass absolvierte, und schließlich eine Schlussbahn, die bei normalen Windbedingungen dem Spieler den Mut abverlangt, Richtung Meer zu zielen. Schwer vorstellbar, dass es in Irland eine noch angenehmere Runde gibt.

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Genau das jedoch wollen Bryan Marsal und Tony Alvarez vier Kilometer weiter mit dem Hogs Head Golf Club erreichen. Die New Yorker Investoren lassen es allerdings an zwei Sachen vermissen, die Waterville auszeichnen: Weltoffenheit und Gastfreundschaft. Bevor ich auf das Gelände darf, muss ich vor einem eisernen Tor stoppen und klingeln. Ganz klar: Hier will man unter sich bleiben. Davon zeugen auch das happige Greenfee von 250 Euro sowie die Verpflichtung, einen Caddie zu buchen.

In meinem Fall ist es Francesco, ein angehender Playing Professional aus Argentinien, der so seine Karriere finanziert. Bevor mich Francesco mit klugen Ratschlägen über die Runde geleiten darf, werde ich aber erst einmal von einer Heerschar an Angestellten in Empfang genommen und namentlich begrüßt. Außer mir scheint an diesem Tag niemand zu spielen, was nicht nur daran liegt, dass der Club offiziell erst zwei Tage vorher eröffnet hat. "Wir machen keine Publicity", heißt es am Empfang. Eine höfliche Umschreibung für "Wir wollen unter uns bleiben". Dass Wärme hier nicht gerade großgeschrieben wird, zeigt sich auch in der Bar. Da außer mir niemand anwesend ist, mit dem ich mich unterhalten könnte, widme ich mich der Lektüre von Artikeln am Handy - und kassiere prompt einen Rüffel: "Die Besitzer erlauben hier keine Handys. Sie möchten, dass dies hier eine Fluchtmöglichkeit vor dem Alltag ist." Und noch etwas mögen die Besitzer nicht: Bargeld. Selbst der Schokoriegel muss hier mit Kreditkarte bezahlt werden.

Eine solche Prätention ist zu verkraften, wenn es der Platz rechtfertigt. Doch das einzige Pfund, mit dem der Schweinskopf wuchern kann, ist seine Lage. Der Ausblick von sämtlichen Löchern ist eine Augenweide und ein Steinkreis am Rand von Loch 11 führt mir vor Augen, wie lange dieser Boden schon angebetet wurde. Was allerdings auffällt, ist, wie anders der Platz im Vergleich zu den Links-Plätzen der Umgebung ist. Fast alle Mauern, die noch den Vorgängerplatz zierten, wurden niedergerissen, Dünen finden sich nur vereinzelt und Ondulierungen sind ebenfalls Mangelware.

 

WOHNEN

BUTLER ARMS HOTEL
"Danke, dass ihr uns das Gefühl gegeben habt, Teil der Familie zu sein!" Diese Nachricht von Mark "Luke Skywalker" Hamill ist nur eine von vielen Promi-Erinnerungen, die im "Butler Arms Hotel" hängen. Quarterback Dan Marino, Eishockeylegende Wayne Gretzky, Michael Douglas und Catherine Zeta-Jones und nicht zuletzt Cast und Crew der neuen "Star Wars"-Trilogie haben sich in den 36 Räumen des Familienhotels einquartiert, dessen Geschichte bis ins Jahr 1884 zurückreicht. Besonders die Executive Rooms mit Blick auf den Atlantik laden zum Verweilen ein. Aber auch das kulinarische Angebot kann sich sehen lassen. In der "Fisherman's Bar" gibt es das obligatorische Bar Food, wer es vornehmer mag, speist in "Charlie's Restaurant".
www.butlerarms.com

Alles wirkt irgendwie künstlich. Als habe Robert Trent Jones II Versatzstücke von Links-Plätzen genommen und zu einer amerikanisierten Version gemacht. Das führt zwar zu einigen Highlights wie der Bahn 3 (ein Par 3, vor dessen Grün sich der Finglas River wie ein schottischer Burn windet) oder der Bahn 6 (ein Par 5, dessen großes Grün mit seiner Senke in der Mitte dem Biarritz- Grün von North Berwick West nachempfunden ist). Aber als ich nach 18 Löchern wieder im Clubhaus bin, habe ich nicht das Gefühl, in Irland gespielt zu haben.

Der Hogs Head Golf Club wirkt vielmehr, als habe Walt Disney bei seinem Waterville-Besuch 1946 die Epcot-Version eines Links-Platzes hinterlassen. Ein Nachbau, der auf den ersten Blick wie das reale Vorbild wirkt, aber eigentlich nichts damit gemein hat. Doch Epcot und das gesamte Disneyland sind nicht ohne Grund ein Erfolg. Und so wird auch Hogs Head seine Klientel finden - besonders wenn im weiteren Verlauf des Jahres auf dem Gelände auch noch ein Luxushotel eröffnet. Wer jedoch das echte Irland erleben möchte, kommt um den Waterville Golf Links nicht herum.

Golfplätze in der Region

WATERVILLE GOLF CLUB

WATERVILLE GOLF CLUB

18 Löcher, Par 72, 6.718 Meter

Adresse:
Murreagh, Waterville,
Co. Kerry, Ireland
Tel. +353 66.9474102
www.watervillegolflinks.ie

Greenfee:
ab 150 Euro

Hidden Gem nennt man Golfkurse, die unter dem Radar fliegen. Waterville gehört technisch gesehen nicht dazu, taucht er doch auf Bestenlisten immer vorne auf. Im wörtlichen Sinne ist er aber ein Hidden Gem, denn ans südwestliche Ende Irlands verliert man sich doch nur äußerst selten. Wenn man den Weg allerdings geschafft hat, möchte man dort nicht mehr weg. Das Design von Eddie Hackett gehört zu der Art von Plätzen, die man jeden Tag spielen könnte, ohne von den Bahnen gelangweilt zu werden: anspruchsvoll, abwechslungsreich und gastfreundlich.

Killerloch:
Judge lautet der ominöse Name der 14 und das Par 4 dürfte für viele tatsächlich zum Richter über die Runde werden. Das von den Back Tees 417 Meter lange Loch spielt sich bergauf und für gewöhnlich gegen den Wind. Und das höher gelegte Grün macht den zweiten Schlag noch länger.
www.watervillegolflinks.ie

HOGS HEAD

HOGS HEAD

18 Löcher, Par 72, 6.529/6.479 Meter

Adresse:
Ballybrack, Waterville,
Co. Kerry, Ireland
Tel. +353 66.9474133
www.hogsheadgolfclub.com

Greenfee:
250 Euro + Caddie

"Von Freunden für Freunde gebaut", lautet der offizielle Slogan des Members-Clubs, der eine begrenzte Zahl an öffentlichen Runden zulässt. Der offiziell am 29. April 2018 eröffnete Platz erstreckt sich über ein riesiges Gelände. Das Fairway der 14 wirkt beispielsweise, als könne man einen A380 darauf landen lassen. Das flache Design ermöglicht von fast jedem Loch den Blick auf den Atlantik. Eine Besonderheit stellt die 13 dar, die tagesaktuell zwischen einem 225 Yards langen A- oder einem 170 Yards langen B-Loch variiert.

Killerloch:
Bahn Nummer 9 ist von den Back Tees 443 Meter und selbst von den Member Tees noch 411 Meter lang - und das als Par 4. Hinzu kommt, dass das Grün von zwei Bunkern verteidigt ist, die einen Treffer in Regulation recht unwahrscheinlich machen. Da das Grün dazu noch in einer heftig ondulierten Schüssel liegt, droht zu allem Überfluss ein Drei-Putt.
www.hogsheadgolfclub.com

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