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Nova Scotia

Schottland ohne Schotten

Von Rudi Schaarschmidt, Fotos: Evan Schiller

Zwei Golfplätze von einem anderen Stern und ein Land mindestens so schön wie Scarlett Johansson - wer kommt mit auf eine Reise in die tiefste kanadische Provinz?

Der ehemalige Dortmunder Fußballtrainer Thomas Tuchel hat mal erzählt, dass er als kleines Kind für Tottenham Hotspur geschwärmt habe, weil er den Namen so toll fand. Es gibt die unterschiedlichsten Gründe, warum man von etwas angezogen werden kann, ohne es genau zu kennen. Bei mir hatte sich schon vor langer Zeit die fixe Idee im Hirn verankert, dass ich eines fernen Tages, wenn ich mal nicht mehr arbeite, nach Nova Scotia auswandern und mein Leben genießen werde, ohne dass ich jemals dort gewesen wäre. In meinen Vorstellungen musste das Leben dort herrlich sein. Wälder und Seen, wohin das Auge reicht. Zudem ist Kanada ein großartiges Land mit einer offenen und freundlichen Bevölkerung, in dem alle wesentlichen Aspekte des Lebens auf mindestens demselben Niveau ablaufen wie in Deutschland, mal abgesehen vom Fußball. Und sollte unsere Erde einmal untergehen, was angesichts der Kims, Trumps, Putins, Erdogans und Konsorten dieser Welt nicht gänzlich auszuschließen ist, dann, so denke ich mir, geht sie dort zuletzt unter.

Dass ich dann auch noch Bilder von den neuen Shooting-Stars am Golfplatzhimmel Cabot Links und Cabot Cliffs gesehen hatte, war schließlich der entscheidende Auslöser dafür, in diesem Jahr die kleine kanadische Seeprovinz am östlichsten Zipfel des zweitgrößten Landes unseres Planeten endlich persönlich daraufhin zu überprüfen, ob die Realität vor Ort meinen Sehnsuchtsfantasien standhalten könnte. Und was soll ich sagen: Ich würde tatsächlich gerne dort leben, wenn ich von kanadischer Seite aus dürfte, was nicht der Fall ist, denn die Immigrationsregeln sind streng. Man muss etwas können und dem Staat somit nützlich sein und darf auch nicht alt sein. Beides träfe auf mich zu gegebener Zeit nicht zu, sodass ich mich lediglich sechs Monate pro Jahr im Land aufhalten dürfte. Also werde ich einfach immer mal wieder als Tourist hinfliegen, schließlich ist Nova Scotia eines der schönsten Fleckchen dieser Erde. Auch oder vor allem - und jetzt sind wir beim Punkt - für Golfer!

Nova Scotia:

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ICH WUSSTE: EINES FERNEN TAGES, WENN ICH MAL NICHT MEHR ARBEITE, WERDE ICH NACH NOVA SCOTIA AUSWANDERN UND MEIN LEBEN GENIESSEN, OHNE DASS ICH JEMALS DORT GEWESEN WÄRE.
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BUDGETPROBLEME? GIBT'S NICHT!

Nicht nur wegen der beiden erwähnten Golfraketen in Inverness. Rund 90 Golfplätze erwarten den Süchtigen und es ist für jeden etwas dabei. Ken ist Greenkeeper, Sekretär, Küchenchef und Manager der Minas View Golf Links, ein Golfclub als Einmannunternehmen. Die Lage der kleinen Neunloch-Anlage (Par 33) ist traumhaft. Sie liegt direkt an einer Art Fjord des Nordatlantiks, der Minas Bay. Ansonsten ist der Begriff "Links" so zutreffend wie für jeden Platz in Österreich. Hier kann jedermann für 13 Euro eine Runde Golf spielen ohne Platzreife und jedweden anderen steifen Etikettenkram - wer möchte, auch in Flip-Flops und Badeshorts mit geliehenen Schlägern. Und nach acht Löchern ruft man Ken an und bestellt ein Bier und einen Burger. Beides wartet dann nach dem neunten Grün. Selbst redend, dass der Zustand dieser Wiese am untersten Ende der Skala angesiedelt ist. Aber hey, have fun!

Wer mit dieser legeren Laisser-faire-Haltung am Eingangstor zum Fox Harb'r Resort auftaucht, würde aus der Gegensprechanlage die akustische Transformation eines mitleidigen Lächelns hören und müsste warten, bis das gusseiserne Tor verrottet ist, um hineinzukommen. Hier heißt es: Millionaires welcome! Standesgemäß fließen in diesem Refugium Milch und Honig und auch der Golfplatz ist ein feuchter Traum.

Nova Scotia: Arrrrrr: Der Captain ist zum Bierholen gefahrenNova Scotia: Arrrrrr: Der Captain ist zum Bierholen gefahren
Arrrrrr: Der Captain ist zum Bierholen gefahren
In puncto Exklusivität sind dies die beiden Golfpole der Region. Für alle Golfer, die nicht auf Extreme stehen, bietet Nova Scotia aber auch noch jeden denkbaren Zwischenwert an.

Spätestens jetzt sollte auch der letzte Leser gegoogelt haben, wo denn dieses fabelhafte Neuschottland liegt (zwei Flugstunden nordöstlich von New York). Nicht selten habe ich auf die Information, ich würde nach Neuschottland fliegen, die Antwort erhalten: "Ich war auch schon mal in Schottland. Sehr schön dort." Ist klar. Ein Sieben-Stunden-Flug von Frankfurt lässt einen in der Hauptstadt Halifax landen, der mit 400.000 Einwohnern (40 Prozent der Gesamtbevölkerung) einzigen echten Stadt der Provinz. Nova Scotia ist in etwa so groß wie Baden-Württemberg und Hessen zusammen, hat aber den Vorteil, dass es von keinem Ort mehr als 55 Kilometer zum Meer sind. Schon die Fahrt vom etwas außerhalb gelegenen Flughafen in die Stadt vorbei an tiefblauen Seen inmitten sattgrüner Wälder lässt die Vorfreude wachsen. Ein Bummel an der Waterfront im Allgemeinen lohnt ebenso wie ein Essen im "Bicycle Thief" mit dem Blick auf die beiden Golden-Gate-ähnlichen Brücken im Speziellen. Neben Halifax besteht das Land eigentlich nur aus Natur. Die zweitgrößte Stadt würde hierzulande als größeres Dorf bezeichnet. Statistisch leben in Nova Scotia 17 Menschen auf einem Quadratkilometer. In Deutschland sind es 230.

Nova Scotia:
Wir haben Nova Scotia praktisch einmal umrundet und versucht, für unsere Golftour sowohl nach geografischen als auch nach qualitativen Gesichtspunkten eine möglichst große Vielfalt abzubilden. Viele Touristen stoßen nach den Visiten des Piratennests Peggy's Cove und dem pittoresken Lunenburg (beides ein Muss) nicht weiter nach Süden vor.

Wer es dennoch tut, dem sollte der West Pubnico Golf Club einen Besuch wert sein. In der näheren Umgebung wohnen lediglich 4.000 Menschen, von denen knapp 350 hier aktive Mitglieder sind. Dementsprechend geht es im Clubhaus und auf dem Par-72-Kurs wunderbar familiär zu. Ein schöner und guter urwüchsiger Platz, dessen Greenfee einen Mitteleuropäer an einen Scherz glauben lässt. Der Platz liegt inmitten eines wunderschönen Waldes, und während des Indian Summer erschlägt einen an einem sonnigen Herbsttag förmlich ein Farbenfeuerwerk - allein dieser Anblick wäre schon die gut 20 Euro Spielgebühr wert. Wenn es zwischen Tees und Grüns auch mal hart und holprig sein kann, so sind die relativ kleinen Grüns makellos.

Bei unserer weiteren Umrundung von Nova Scotia im Uhrzeigersinn machen wir die bereits erwähnten Extremerfahrungen: Wir kommen erst bei Ken vorbei und klingeln am nächsten Tag am Tor der exklusivsten Anlage. Auch wenn Fox Harb'r kein exklusiver Privatclub ist, so fühlt sich hier doch alles so an. Ron Joyce ist als Kanadas "Donut-König" bekannt und als Mitbegründer der Schnellrestaurantkette Tim Hortons Milliardär geworden. Anfang des Jahrtausends hat er dieses Luxus-Resort gebaut, von dem ich bis heute nicht weiß, warum ihm zwei Vokale geklaut wurden. Etwas abgelegen an der Northumberland Coast erwartet den betuchten Urlauber neben den obligatorischen Annehmlichkeiten wie Spa, Schwimmbad und Tennisplätzen auch eine Anlage zum Tontaubenschießen. Hier ist alles High End in Ausstattung und Design - von den Wasserhähnen bis zum klimatisierten Weindepot, in dem ein Dutzend Flaschen schnell mal ein Jahresgehalt verschlingen können. Eine Urlaubsoase für die Superreichen. Von denen gehen nicht wenige im eigenen Yachthafen vor Anker oder sie landen mit ihren Privatjets auf der im Resort befindlichen Landebahn, wie es beispielsweise schon Bill Clinton, George W. Bush, Charles Barkley oder Tiger Woods getan haben. Letzterer hält mit 63 Schlägen den Platzrekord auf dem zweigeteilten Kurs. Die Front Nine mit vielen Wasserhindernissen schlängeln sich durch bewaldetes Gebiet. Die offeneren Back Nine liegen am Meer und sind deutlich windanfälliger. Ein schöner und guter Resort-Platz, nicht ganz einfach, aber auch nicht übermäßig schwierig, weil man dem wohlhabenden Kunden ja nicht die Freude am Spiel nehmen will. Allerdings: Wem beim Anblick und Spielen der finalen fünf Bahnen direkt entlang des Ufers nicht die Kinnlade runterklappt, der sollte dringend mal zum Kieferorthopäden.

Golfplätze in der Region

CABOT CLIFFS

CABOT CLIFFS

18 Löcher, Par 72, 6.185 Meter

Adresse
15933 Central Avenue
Inverness, Nova Scotia, B0E 1N0
Tel. +1 902.258.4653
www.cabotlinks.com

Ein, um mit Barney Stinson zu sprechen, überragen... warte, es kommt gleich ...der Golfplatz. Drei Kilometer vom Links Course entfernt haben Bill Coore und Ben Crenshaw ein unglaubliches Meisterwerk erschaffen. Dieser Platz besteht aus 18 Signature-Holes. Wer ihn gespielt hat, will anschließend der ganzen Welt zurufen, er habe das Paradies gesehen. Allerdings braucht der erst 2015 eröffnete Kurs wohl noch ein bis zwei Jahre, bis die Grüns dieselbe Qualität und Geschwindigkeit wie auf dem Links Course erreichen.

Killerloch:
Ein Loch herauspicken? Unmöglich. Bahn 2 ist extrem schwierig. Die 7 nicht minder. Man könnte so weiter aufzählen, aber der Hammer trifft einen an der 16: Bei dem Par 3 über eine Schlucht direkt an den Meeresklippen stellt schon die Schlägerwahl je nach Windverhältnissen die entscheidende Herausforderung dar.
www.cabotlinks.com

CABOT LINKS

CABOT LINKS

18 Löcher, Par 70, 6.267 Meter

Adresse
15933 Central Avenue
Inverness, Nova Scotia, B0E 1N0
Tel. +1 902.258.4653
www.cabotlinks.com

Greenfee
12. Mai bis 01. Juni und 16. bis 22. Oktober: 81 Euro, 02. Juni bis 15. Oktober: 200 Euro

Jeder kosmopolitische Golfer hat im Kopf ein persönliches Ranking der besten Plätze, die er jemals gespielt hat. Wer im Westen von Cape Breton Island aufteet, wird diese Rangliste anschließend neu überdenken müssen. Der Cabot Links ist ein echter Links Course, gebaut auf einer ehemaligen Kohlenmine. Wer Kingsbarns "grandios" findet, muss hier seinen Wortschatz erweitern.

Killerloch
Das Beste kommt bekanntlich zum Schluss. In diesem Fall das Schwierigste, denn die Schlussbahn hat es wahrlich in sich. Von den Herren- Abschlägen schlängelt sich dieses Par 4 über 413 ansteigende Meter hin zum Grün. Auf dem Weg dorthin lauern an allen neuralgischen Punkten Bunker, deren Sand das einzig Verbesserungswürdige auf diesem Traumplatz ist.
www.cabotlinks.com

FOX HARB'R RESORT

FOX HARB'R RESORT

18 Löcher, Par 72, 6.632 Meter

Adresse
1337 Fox Harbour Road
Wallace, Nova Scotia, B0K 1Y0
Tel. +1 902.257.1801
www.foxharbr.com

Greenfee
152 Euro

Graham Cooke hat (nicht nur) in Nova Scotia einige Spitzenplätze erschaffen wie etwa The Lakes oder Glen Arbour. Finanziell dürfte ihm aber wohl in Fox Harb'r der größte Schaffensraum geboten worden sein. Beim Betreten dieser komplett gusseisern umzäunten Anlage schreit Besuchern
das Wort "Luxus" förmlich entgegen. Ein typisch amerikanischer, top gepflegter Resort-Platz mit fünf Teeboxen, riesigen Grüns und makellos weißem Bunkersand in atemberaubender Landschaft.

Killerloch
Der gemeine Europäer muss sich ohnehin zunächst an die andersartigen Spieleigenschaften der in Nordamerika verwendeten Grassorten gewöhnen. Und dann trifft er schon auf Bahn 3 auf eine 410 Meter lange Par-4-Bestie, auf der gefühlt überall riesige Bunker auf die Bälle warten.
www.foxharbr.com

FOX HARB'R RESORT

WEST PUBNICO GOLF & COUNTRY CLUB

18 Löcher, Par 72, 5.580 Meter

Adresse
238 Golf Course Road
Pubnico, Nova Scotia, BOW 3SO
Tel. +1 902.762.2007
www.pubnicogolf.ca

Greenfee
22 Euro

Der südlichste Platz des Landes ist ein grandioses Beispiel dafür, dass ein unprätentiöser und günstiger Platz trotzdem großen Spaß machen kann. Es gibt keine automatische Bewässerungsanlage und wird auch nicht mit der Nagelschere manikürt. Die Fairways auf diesem landschaftlich wunderschönen Parkland-Kurs sind keine makellosen Teppiche, aber das Design ist anspruchsvoll und die Grüns sind tipptopp. Ein Platz, der fordernd ist und Spaß macht in einer liebenswert ursprünglichen Atmosphäre.

Killerloch
Die Schlussbahnen der Front Nine und Back Nine sind die anspruchsvollsten. Das Par 4 der 9 ist irgendwie schräg angelegt und lang und wird zudem in Drive-Länge schmal. Die 18 ist ein Par 5 mit doppeltem Dogleg und knifffligem Terrassengrün.
www.pubnicogolf.ca

DUNDEE RESORT & GOLF CLUB

DUNDEE RESORT & GOLF CLUB

18 Löcher, Par 72, 5.838 Meter

Adresse
2750 West Bay Highway
West Bay, Nova Scotia, B0K 3K0
Tel. +1 902.345.2649
www.dundeegolfclub.com

Greenfee
bis 12 Uhr: 37 Euro, ab 12 Uhr: 24 Euro

Ein echter Geheimtipp für kleines Geld. Der Golfplatz schlängelt sich direkt am Ufer des wunderschönen Bras d'Or Lake durch die hügelige Waldlandschaft und bietet Ausblicke, dass einem der Atem stockt. Körperlich (ein Cart ist absolut empfehlenswert) und spieltechnisch extrem fordernd mit absoluten Spitzengrüns. Eine Perle, die in Nova Scotia angesichts der vielen namhaften Plätze deutlich unter Wert gehandelt wird. Einzig das in die Jahre gekommene Hotel wirkt etwas muffig und bedarf dringend einer Renovierung - was aber schon in der Mache ist.

Killerloch
Bergauf, lang und eng - eine knifflige Addition, die es an der 16. Bahn zu bewältigen gilt. Selbst für Longhitter ist dieses 387 Meter lange Par 4 eine Herausforderung, denn neben Länge braucht es jede Menge Genauigkeit, um den Drive durch eine Waldschneise zu manövrieren.
www.dundeegolfclub.com

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