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Typisch Schwabe: zu knauserig für einen Schlägerkopf

Schwinger Club Vol. 37

Charly Steeb

Von Rudi Schaarschmidt, Fotos: Matthias Soeder

Mit einigen Sternstunden hat er im vergangenen Jahrtausend viele Millionen Tennisfans begeistert. Heute dreht er große Räder im Sport-Business und spielt leidenschaftlich Golf: unser Charly!

Stell dir vor, du spielst in den USA gegen Dustin Johnson im letzten Ryder-Cup-Einzel, das über den Gesamtsieg entscheidet. Du liegst 2down nach 15 Löchern - und gewinnst das Match und Europa damit den Cup! Sweet!

Vergleichbares hat Charly Steeb im Dezember 1988 für den deutschen Tennissport vollbracht. Es sind die Zeiten, in denen Boris Becker und Steffi Graf für den großen Tennis-Boom hierzulande sorgen. Deutschland hat das Finale beim Davis Cup erreicht, dem seit 1900 ausgetragenen und bedeutendsten Tennis-Teamwettbewerb. Die deutsche Mannschaft fährt als krasser Außenseiter zum Endspiel nach Schweden, der damals führenden Tennisnation. Carl-Uwe, den außer seiner Mutter alle nur Charly nennen, wird in der Weltrangliste zu diesem Zeitpunkt auf Position 74 geführt und ist der zweite deutsche Einzelspieler neben Boris Becker. Charly muss gegen Mats Wilander antreten, 1988 für 20 Wochen die Nummer 1 der Tenniswelt. Der damals 21-jährige Linkshänder bietet von Beginn an einen heroischen Kampf, verliert aber die ersten beiden Sätze. Schlechte Aussichten, denn Mats Wilander hatte bis dahin noch nie eine Zweisatzführung hergegeben. Steeb kämpft sich trotzdem zurück und gewinnt die nächsten beiden Sätze. Die 12.000 erfolgsverwöhnten schwedischen Tennisfans im Scandinavium reiben sich verwundert die Augen. Ihre Nervosität legt sich erst ein wenig, als Wilander im fünften und entscheidenden Satz mit 5:2 führt und bei eigenem Aufschlag Matchball hat. Und trotzdem: Seit diesem Tag trägt Charly Steeb den Beinamen "Held von Göteborg", denn er dreht das Match tatsächlich noch zu seinen Gunsten. Am Ende gewinnt Deutschland zum ersten Mal den Davis Cup. Die Protagonisten feiern entsprechend exzessiv und haben noch kein Auge zugemacht, als sie zurück in Deutschland - noch immer ziemlich derangiert - von Bundespräsident Richard von Weizsäcker für ihre Heldentaten geehrt werden.

"Dieses Match hat mein Leben natürlich verändert. Mit dem gewachsenen Selbstvertrauen konnte ich in der Folge Spieler wie Andre Agassi besiegen, die Grand-Prix-Turniere in Gstaad, Genua und Moskau gewinnen und bis auf Weltranglisten-Platz 14 klettern", erinnert sich Steeb an seine glorreichen Tage auf den Tenniscourts zurück. Damals war er eine Art Popstar in Deutschland. "Heute erkennen mich nur noch gelegentlich Hardcore-Tennisfans, die sich auch ein wenig mit der Historie beschäftigen. Unglaublich, dass das alles schon so lange her ist!" Mittlerweile ist Charly Steeb 54 und hat sich längst eine eben so schillernde zweite Karriere aufgebaut.

Er war selbst Davis-Cup-Teamchef, Vizepräsident des Deutschen Tennis Bundes und hat sich im Laufe der Jahre mit diversen eigenen Unternehmungen im Sportmanagement einen Namen gemacht. Dabei profitiert er zum einen von seinem enormen Netzwerk, das er sich in den langen Jahren als Profisportler, Funktionär und Sportmanager aufgebaut hat, zum anderen von seinem Wesen, in dem sich seine Herkunft widerspiegelt: "Ich bin alles andere als geizig, ansonsten verkörpere ich schon schwäbische Tugenden wie Zuverlässigkeit und Ehrgeiz. Ich denke, die Art, wie ich Tennis gespielt habe, spiegelt vieles meiner Mentalität wider. Man muss immer kämpfen, Punkt für Punkt. Manchmal reicht es vielleicht nicht, doch manchmal wird man dafür belohnt." So wie in Göteborg.

Schwinger Club Vol. 37:

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Ich bin alles andere als geizig, ansonsten verkörpere ich wohl schon schwäbische Tugenden wie Zuverlässigkeit und Ehrgeiz. Ich denke, die Art, wie ich Tennis gespielt habe, spiegelt vieles meiner Mentalität wider. Man muss immer kämpfen, Punkt für Punkt.
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Diesen Kampfgeist steckt er auch in seine jüngste Unternehmung als Mitbegründer von Servsport, einem digitalen Marktplatz, der Sportler und Unternehmen werbewirksam verbinden soll. Klingt wie Tinder mit dem Unterschied, dass hier Sportler und Marken matchen sollen. "Mit dem Aufkommen der Social-Media-Kanäle von Sportlern ist ein neues gewinnbringendes Spielfeld entstanden. Auch weniger bekannte Athleten können sich profilieren und ihre Fanbase kommerzialisieren", so Steeb, der dem ambitionierten Start-up aus Berlin mit Rat und Tat zur Seite steht. "Servsport ermöglicht Unternehmen ebenso wie Sportmanagement-Agenturen und Athleten, über seine Technologie-Plattform wirkungsvolle und zielgerichtete Kampagnen zu entwickeln", zeigt sich der Ex-Profi von dieser Idee begeistert, die seit ihrer Markteinführung im Januar bereits für über 500 Athleten zu Projekten geführt hat.

Schon vor der Taufe seines neuesten geschäftlichen Babys hat Steeb im Sport-Business einige Spuren hinterlassen. Charly war Direktor der Tennisturniere am Hamburger Rothenbaum und in Kitzbühel. Als Tennis noch eine deutlich größere TV-Präsenz hatte, war er für das ZDF und Sport 1 als Co-Kommentator tätig. Und er war und ist für verschiedene Agenturen auch als Vermarkter zahlreicher Sportler und Sport-Events aktiv wie zum Beispiel für das 2015 in Bad Griesbach wiederbelebte Profigolfturnier der European Tour, für die er Porsche als Titelsponsor gewinnen konnte.

Der alte Spruch, ein Handicap sollte der Anzahl an Wochenarbeitsstunden entsprechen, kann also auf Charly Steeb nicht zutreffen. "Meine beste Runde war 7 über Par. Ich habe jetzt Handicap 12, das ist ganz okay. Aber ich spiele schon recht lange und eigentlich will ich irgendwann schon noch einstellig werden." Der Ehrgeiz des einstigen Profisportlers ist ungebrochen, egal welchen Schläger er in der Hand hält. "Als Tennisprofis waren wir weltweit unterwegs und meistens waren Golfplätze in der Nähe. In ihrer Freizeit haben dann fast alle Tennisspieler das Golfspielen ausprobiert. So wie mich hat es die meisten anderen auch gepackt."

Auf sich allein gestellt zu sein und den Druck zu spüren - das sind die Gefühle, die er beim Tennis geliebt hat und genauso auf dem Golfplatz wiederfindet. "Beides sind technisch höchst anspruchsvolle Sportarten und es ist wichtig, den Geist kontrollieren zu können. Auf dem Golfplatz aber noch etwas mehr, weil du so viel Zeit hast, Mist zu denken, während du im Tennis oft nur reagierst." Am liebsten spielt er frühmorgens eine Runde zu zweit in drei Stunden. "Schleicher nerven mich. Deshalb spiele ich auch kaum Turniere. Die dauern mir zu lange." Auch für ihn gilt die alte Manager-Weisheit, nach der eine gemeinsame Golfrunde aussagekräftiger ist als jedes Bewerbungsschreiben. "Wenn ich wirklich wissen möchte, mit welchem Charakter ich es zu tun habe, dann geh ich mit demjenigen Golf oder Tennis spielen. So sieht man schnell, was für ein Typ das ist."

Einmal Sportler, immer Sportler. Der Kampf Mann gegen Mann fasziniert Charly Steeb immer noch. "Am liebsten zocke ich mit meinem alten Tennis-Buddy Eric Jelen im Lochspiel um 10 oder 20 Euro pro Loch. Am Anfang habe ich mal aus Unwissenheit den Fehler gemacht, mich bei einer Vierball-Zockerei auf ,Chicago' einzulassen, und schnell gemerkt, wie das ausufern kann." Etwa 30 Runden kommen bei ihm pro Jahr zusammen und gelegentlich spielt er auch noch Tennis. "Ich versuche, mich fit zu halten. Der Gedanke, in ein paar Jahren 60 zu werden, gefällt mir gar nicht."

Schwinger Club Vol. 37: Carl-Uwe Steeb, T Golf & Country Club Mallorca, 29. September 2021Schwinger Club Vol. 37: Carl-Uwe Steeb, T Golf & Country Club Mallorca, 29. September 2021
Carl-Uwe Steeb, T Golf & Country Club Mallorca, 29. September 2021
Die Expertise des ehemaligen Profisportlers, der erfolgreich den Wechsel vom Sportdress in den Businessanzug vollzogen hat, ist sehr gefragt. So wird er auch regelmäßig als Referent gebucht, um Vorträge darüber zu halten, wie man vom Einzelkämpfer zum Teamplayer wird, wie man Hindernisse überwinden kann oder sich für das Erreichen persönlicher und beruflicher Ziele motiviert.

In der Rückschau auf seine Karriere gibt es neben der magischen Nacht von Göteborg mit der zweimaligen Teilnahme an Olympischen Spielen noch weitere prägende Highlights. "Im olympischen Dorf völlig ungestört nicht nur mit dem gesamten deutschen Team, sondern auch mit allen Top-Athleten der Welt zusammenzukommen ist schon Wahnsinn. Beim Warmmachen läuft dann plötzlich Haile Gebrselassie neben dir. Oder wenn abends die Athleten von den Wettkämpfen kommen und der eine hat eine Medaille gewonnen, während der andere tragisch verloren hat - diese Emotionen sind unbeschreiblich", schwärmt Steeb von seinen Erlebnissen in Seoul und Barcelona.

Wer im fortgeschrittenen Alter zurückblickt, entdeckt logischerweise nicht nur Glanzpunkte, sondern auch den ein oder anderen Makel. "Ich hatte einige Male die Chance, mit einem Sieg in die Top Ten der Weltrangliste zu kommen. Das ist so eine Auszeichnung im Tennis, die hätte ich gerne erreicht. Und wenn ich zurückblicke, hätte ich wohl noch ein paar Jahre länger spielen sollen. Aber mit Mitte 20 hatte ich eine Knieoperation und fühlte mich nicht mehr so fit wie vorher, wenig später kam der erste Nachwuchs und dann mit der Familie ständig um die ganze Welt zu reisen... also habe ich mit 28 Jahren schon aufgehört." Mittlerweile sind seine beiden Söhne Jeremy (22) und Luke (26) längst flügge und selbst im Tech-Business unterwegs. Und wer auf den Klatschspalten unterwegs ist, hat auch mitbekommen, dass Charly mittlerweile mit der Schwägerin von Marius Müller-Westernhagen liiert ist.

Um wie manch anderer Ex-Profi nach der Karriere in ein Loch zu fallen, dafür war er zu intelligent und umtriebig, hat sich sein Know-how als Profisportler zunutze gemacht und einfach die Seiten gewechselt. Vor einigen Jahren ist er vom Schwabenland an den Zugersee in der Schweiz umgezogen, wo er seine eigene Consulting-Firma gegründet hat. Und er liebt Mallorca. Logisch, dass wir uns auch dort für unser Foto-Shooting getroffen haben. "Ich will mich über mein Leben nicht beschweren", schmunzelt der immer noch drahtige Mittfünfziger, den man sich durchaus auch als neuen Bond vorstellen könnte. Vorerst aber muss er sich mit der Aufnahme in unseren Schwinger Club begnügen - herzlich willkommen, Charly!

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