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Kolumne: Im Hirn des Architekten

Alles ist wichtig!

Von Tony Ristola

Möchte ein Golfplatzarchitekt exzellente Arbeit abliefern, darf er nichts dem Zufall überlassen und nur alle Schaltjahre einmal auf der Baustelle aufkreuzen. Unser Kolumnist Tony Ristola weiß, was es braucht, um ein richtig gutes Par 4 zu entwickeln.

Wer die besten Golfanlagen studiert, wird feststellen, dass der Architekt während der Bauphase in den meisten Fälle sehr viel Zeit auf der Anlage verbracht hat. Viele Klassiker unter den Golfplätzen waren darüber hinaus Erstlingswerke oder Herzensangelegenheiten der jeweiligen Architekten. So lebten diese oft in der Nähe der Bauprojekte oder siedelten während der Bauphase in deren Nachbarschaft über.

Ein Architekt kann seine Ideen und Visionen nur zum Leben erwecken, wenn er täglich vor Ort ist. Schließlich kann er so auf spontane Eingebungen reagieren und die Möglichkeiten ergreifen, die sich während des Baus auftun. Es ist die Summe aus seinen täglichen Besuchen und den Anpassungen, die möglich macht, Golfplätzen ihren unverwechselbaren Charakter zu geben. Alles kann verbessert werden, Möglichkeiten tun sich auf. Gelegenheiten warten nicht auf die Stippvisite des federführenden Architekten. Ist er nicht vor Ort, kann er die Chancen, die sich bieten, nicht wahrnehmen. Diese Versäumnisse sind dann nicht wieder einzufangen.

Wie Shakespeare einst sagte: "Es ist besser, drei Stunden zu früh zu sein als auch nur eine Minute zu spät." Gerade in der Bauphase liegen die höchsten Kosten und die Ausgestaltung der Topografie ist für die Ewigkeit. Daher gibt es nur eine Chance, einen exzellenten und ökonomischen Platz zu kreieren. Ist der Architekt auch operativ jede Minute involviert, erhöht es die Chancen, die Investitionen bestmöglich auszuschöpfen. Es gewährleistet die maximale Flexibilität, um jedes einzelne Platzelement bestmöglich anzulegen. Ganz einfach durch einen engen und direkten Austausch zwischen dem Architekten und den verantwortlichen Arbeitern vor Ort. Hat jemand aus dem Kreis derer, die die Version vom Schreibtisch umzusetzen versuchen, eine spontane Idee, kann diese sofort zur Diskussion gestellt werden. Der Architekt kann so direkt und im Abgleich mit den Plänen reagieren und sein Feedback geben. Tägliche Anwesenheit des Designers mindert auch das Risiko teurer Fehler. All dies treibt das Projekt zielsicher voran und schafft darüber hinaus eine motivierende und fokussierte Atmosphäre im Team, in der es vertrauensvoll, motiviert und vor allem kreativ arbeiten kann.

So wird die Zeit, die der Architekt während der Monate des Platzbaus auf der werdenden Anlage verbringt, das wahrscheinlich Beste sein, was der Architekt seinem Kunden zur Verfügung stellen kann. Und steht der Architekt zu 100 Prozent hinter dem Vorhaben, wird er dem Club auch später zur Seite stehen und das "Erwachsenwerden" des Platzes innerhalb der intendierten Pläne gern begleiten.

Die folgende, von mir entworfene Spielbahn entstand auf einem Stück flachen Land und wurde unter täglicher Beobachtung entwickelt und gebaut. Sie stellt für mich einen evolutionären Prozess dar, ausgehend von der Position des Grüns und der Teeboxen, einer großen Fläche Ödland in der Nähe der idealen Landezone und jeder Menge Ideen, die sich in den Wochen des Baus entwickelten. Im Folgenden möchte ich die Entscheidungen aufzählen, die dazu beigetragen haben, diese Spielbahn einzigartig, optisch ansprechend, spielerisch herausfordernd und für Golfer sämtlicher Spielstärken spielbar zu gestalten.

Kolumne: Im Hirn des Architekten:

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ES IST KAUM MÖGLICH, DIE BEDEUTUNG EINER ENGEN KOOPERATION ZWISCHEN ARCHITEKT UND DEM BAULEITER ZU ÜBERTREIBEN. IN ALL MEINEN BERUFSJAHREN KAM ICH DEM KOMPLETTEN ERFOLG, DEN VORGEGEBENEN NATÜRLICHEN BEGEBENHEITEN DEN BESTEN GOLFPLATZ ZU ENTLOCKEN, NUR EINMAL NAHE: IN MADRID. DORT WAR ICH, MIT EINER AUSNAHME VON SIEBEN TAGEN ABWESENHEIT JEDEN TAG ZWEIMAL AUF DER ANLAGE - UND DAS ÜBER ACHT MONATE WÄHREND DER BAUZEIT DES ROYAL MADRID GOLF CLUB.
Tom Simpson in "Golf Courses: Design, Construction and Upkeep", 1950
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A Die hinteren Abschläge wurden gut 60 Meter nach rechts verlegt, um einen versetzten, diagonalen Abschlag zu schaffen. Die eineinhalb Meter hohe und recht lange Aufschüttung im Fairway erschwert die Wahl einer Spiellinie. Von den Backtees zieht der einsame Bunker die Aufmerksamkeit auf sich und soll Spieler dazu verleiten, aggressiver über die Waste Area rechts des Fairways abzukürzen, als es eigentlich ratsam wäre. Auch von den gelben Tees stellt der Bunker immer noch ein ehrliches Hindernis dar.

B Ein Hügel vor den vorderen Abschlägen macht diese von den hinteren Tees aus unsichtbar.

C Die Hügel auf der rechten Seite der Spielbahn sind eine klassische Geldsparmaßnahme. Anstatt den Abraum kostenintensiv abzutransportieren, wurde er von den Bulldozern dort hingeschoben, geformt und von Hand geharkt, sodass sie ein wie vom Wind geformtes Erscheinungsbild erhielten.

D Eigentlich sollte ein zweiter Bunker implementiert werden (im Bild: D). Aber die Entscheidung fiel dann auf nur ein zentrales Sandhindernis. Auf den zweiten Bunker zu verzichten macht den Versuch, den Ball vom Abschlag nach links zu platzieren, attraktiver. Die Folge ist allerdings, dass der zweite Schlag von dort aus so um einiges anspruchsvoller wird (siehe auch Punkt H).

E Die Waste Area mit Inseln zu versehen sorgt dafür, die Glücksfee ins Spiel zu bringen: Sand oder Gras - Glück gehabt oder eben nicht.

F Die Senke im Fairway ist der einzige Punkt, der einen freien Blick auf das Grün erlaubt. Der Grund ist einfach: H, ein Hügel mit einem breiten "Hell Bunker", der an seinen Namensvetter auf dem Old Course erinnert, blockiert den Blick aufs Grün von der linken Seite des Fairways.

G Das gesamte Fairway wurde von Hand geformt. Keinerlei Topografiepläne kamen zum Einsatz. Zusammen mit dem Nachbarloch ist es 150 Meter breit und somit einladend. Doch wie bereits angedeutet: Schlägt der Golfer den Ball nach links neben die zentrale Bunker-Landschaft, wird die Schräglage den Ball noch weiter von der Fahne entfernen.

H Der riesige "Höllenbunker" wurde aus Material gebaut, das eigentlich abtransportiert werden sollte. Ohne die überraschende Erhebung von bis zu drei Metern würde der schwierige Abschlag nach rechts an strategischer Bedeutung verlieren. Vermeintlich sicher nach links zu spielen schafft dann eben beim zweiten Schlag die Schwierigkeit, blind über den Bunker spielen zu müssen mit etwas weniger als einem Fitzelchen Fahne, das von dort auf dem Grün zu sehen ist.

I Das Grün wurde gut 30 Meter weiter nach rechts versetzt. Dadurch wird der Abschlag zum tiefsten Punkt der Spielbahn optimal belohnt und sorgt für eine einfachere Annäherung.

J Das Grün liegt nahe der Biegung eines kleinen Bachs. Das bedeutet, dass die Dünen-Anmutung des gesamten Grünkomplexes an Glaubwürdigkeit gewinnt.

Das sind einige der Entscheidungen, die ein ereignisloses, flaches Gelände zu dem gemacht haben, was es nun ist. Ohne diese Anpassungen wäre das Loch wohl nicht so einzigartig und sportlich herausfordernd. Alle Konturen, das auslaufende Fairway, das Grün und die Hügel wurden ohne vorher festgelegten Plan, wenngleich mit einer überschlagenen Kalkulation der Materialien und des Arbeitsaufwands entwickelt. Diese Flexibilität während der Entstehungsphase war nicht nur ideal für den Bau, sondern sorgte auch für eine natürlich in die Landschaft integrierte Spielbahn. Und das Beste: Das Ganze verlief wesentlich schneller und nur zu einem Bruchteil der üblichen Kosten.

 
DER AUTOR

DER AUTOR

Tony Ristola, ein Amerikaner mit finnischen Wurzeln, kann nicht nur Golf spielen - er war als Teaching- sowie als Playing-Pro aktiv -, sondern fand in der Golfplatzarchitektur seine wahre Bestimmung. Zusammen mit Arbeitern, von denen die meisten noch nie einen Golfplatz gesehen hatten, schuf er mit Sand Valley in Polen sein erstes, international gefeiertes 18-Loch-Layout. Als einziger Golfplatzarchitekt garantiert er, jeden einzelnen Tag der Planungs- und Bauphase einer neuen Anlage vor Ort zu sein. www.tonyristola.com

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