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Kolumne: Im Hirn des Architekten

Wie Augusta National überlebte

Von Tony Ristola, Fotos: Tony Ristola

Der Augusta National Golf Club war nicht immer der immense Erfolg, den wir heute kennen. Unser Kolumnist erklärt, was wir vom Design und von den schwierigen Anfangsjahren des berühmtesten Golfclubs der Welt lernen können.

Ein paar primitive Traktoren, 150 Männer und 76 Tage - mehr war nicht nötig, um Augusta National im Jahre 1932 aus dem Boden zu stampfen. Auch das Budget war mit auf die heutige Zeit umgerechneten 1,6 Millionen Euro eher bescheiden. Trotz der schnellen und kosteneffizienten Bauphase und des Dream-Teams bestehend aus Stararchitekt Dr. Alister Mackenzie und Bobby Jones, keinem Geringeren als dem Tiger Woods seiner Zeit, sah sich der Augusta National Golf Club während der ersten Jahre seines Bestehens ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten ausgesetzt.

Der ursprüngliche Masterplan für den Club weicht drastisch von dem ab, was wir heute Augusta National nennen. Zusätzlich zum bestehenden Golfplatz waren auch ein "Ladies Course", ein Pitch&Putt-Platz, Tennisplätze, einige Häuser und sogar ein Hotel geplant. Die angedachte Anzahl an Mitgliedern: 1.800. Doch die Anlage kratzte am Existenzminimum und somit war kein Geld für diese hochtrabenden Pläne vorhanden. Diese erzwungene Besinnung auf das Wesentliche machte den Club schließlich zu dem, was er heute ist: ein ultraexklusives Refugium für weniger als 300 der einflussreichsten Persönlichkeiten der internationalen Geschäftswelt.

In den wirtschaftlich schwierigen Anfangsjahren war die überragende Qualität des Golfplatzes der wichtigste Schlüssel zum Überleben des Clubs. Seine Mitglieder wussten von der Stärke ihrer Anlage und träumten sogar von der Ausrichtung einer US Open. Als diese Seifenblase allerdings platzte, entschloss man sich dazu, ein eigenes Invitation Tournament auszutragen, das sich zum Masters weiterentwickeln sollte. Dieses Turnier ermöglichte es dem Club nicht nur, sich aus seiner prekären finanziellen Lage zu befreien. Wären die 18 Löcher von Augusta National nicht eine solch überragende Trumpfkarte in den Händen des Clubs gewesen, wer weiß, welches Schicksal die Anlage in den späten 30er-Jahren ereilt hätte, schließlich verschwinden zehn Prozent aller amerikanischen Golfclubs während der mageren ersten Jahre wieder von der Landkarte.

Was aber macht Augusta National so gut? Der Pflegezustand ist ohne Zweifel großartig, die majestätischen Pinien sind überwältigend und die unzähligen Blumen eine Augenweide. Doch das ist nur die Oberfläche. Die Brillanz von Augusta National liegt in Jones' und Dr. Mackenzies großer Liebe für den Old Course in St. Andrews verwurzelt. Obwohl der Platz in Augusta seit seiner Eröffnung 1933 unzählige Male verändert wurde, blieben vier Grundprinzipien dieser Anlage stets bestehen. Erstens: Die Fairways und Grüns spielen sich stets hart und schnell. Zweitens: Die Grüns sind enorm onduliert. Drittes: Die Fairways sind überdurchschnittlich breit. Viertens: Das vorhandene Gelände bietet viel Abwechslung. Werden diese vier Grundprinzipien eingehalten, kann es auch heute noch nicht nur gelingen, die Bau- und Betriebskosten zu senken, sondern einen Golfplatz der Spitzenklasse entstehen zu lassen.

Kolumne: Im Hirn des Architekten: Dr. Mackenzies Zeichnung von 1920 verdeutlicht die unterschiedlichen Optionen auf Bahn 14 (Par).
Dr. Mackenzies Zeichnung von 1920 verdeutlicht die unterschiedlichen Optionen auf Bahn 14 (Par).

HART UND SCHNELL


Die charakteristischen Spieleigenschaften der klassischen Heidelandplätze in England erfordern nicht nur eine klare Strategie, sondern auch Kreativität, diese zählen deshalb zum besten Set-up überhaupt. Das Gegenteil davon - weicher, nasser und somit langsamer Untergrund - raubt dem Golfspiel mit der Kreativität und dem nötigen Vorstellungsvermögen unterschiedlicher Schlagvarianten seine wichtigsten Elemente.

Obwohl Augusta auf Lehmboden gebaut ist, schaffen es die Greenkeeper seit mehr als 80 Jahren, die Fairways und Grüns des Platzes den gesamten Winter über hart und schnell zu präparieren. Dies ist der Grund, warum wir bei TV-Übertragungen vom Masters Dutzende Bälle von den Grüns in missliche Lagen rollen sehen. Augusta-Veteranen behaupten auch gerne, dass der Platz sich vor Jahrzehnten noch härter spielte als heute und einzelne Grüns praktisch unmöglich direkt angespielt werden konnten. Bälle mussten vor den Grüns landen und in Richtung Fahne rollen, um eine realistische Birdie-Chance zu ermöglichen.

Trockene und harte Bedingungen sorgen darüber hinaus für gesünderen Boden, tiefere Wurzeln und geringere Betriebskosten, weil weniger Wasser, Dünger und Benzin für Maschinen benötigt werden, und sollten daher das Ziel jeder Greenkeeper-Crew sein. Nicht die Farbe der Fairways, sondern ihre Spieleigenschaften entscheiden über die Qualität eines Golfplatzes und der von Mackenzie und Jones verehrte Old Course ist dafür das Paradebeispiel.

BEWEGTE GRÜNS


Interessante Grünkomplexe allein können einen Golfplatz vom Durchschnitt in die Spitzenklasse katapultieren und es ist fraglich, ob Augusta National heute noch existieren würde, wäre der Platz in den 30ern mit langweiligen Standard-Grüns gebaut worden.

Obwohl Augusta seit Jahrzehnten vor allem für seine wild ondulierten Grüns berühmt und berüchtigt ist, sind die heutigen Grüns an der Magnolia Lane lediglich eine entschärfte Version der ursprünglichen Putting-Flächen. Im Gegensatz zu vielen anderen Golfplätzen, auf denen Grüns als eine Art sicherer Hafen fungierten, beginnt in Augusta der "Spaß" erst so richtig, wenn es ans Putten geht. Als Strategie reicht es nicht aus, das Grün treffen zu wollen, sondern es im Falle eines suboptimalen Schlags auf jeden Fall auf der richtigen Seite zu verfehlen. Die Konturen einzelner Grüns bedeuten, dass es oft besser ist, das Ziel um zehn Meter auf der einen Seite zu verfehlen, im Gegensatz zu lediglich zwei Metern auf der anderen, falschen Seite.

FAIRWAYS MIT RAUM


Dank der enorm bewegten Grüns bestimmt in Augusta die Fahnenposition bereits vom Abschlag aus die Strategie. Wer in der Lage ist, seinen Abschlag auf der richtigen Seite des Fairways zu platzieren, wird mit einem besseren Winkel zur Fahne und somit einem leichteren Schlag belohnt. Ein Abschlag, der nicht auf der korrekten Linie gespielt wird, läuft Gefahr, mit weniger Roll auf dem Fairway, einem schlechten Winkel zur Fahne oder mit einer unangenehmen Lage hinter Bäumen oder auf abschüssigen Stellen bestraft zu werden. Hindernisse auf einem Golfplatz müssen nicht zwangsläufig aus Wasser oder Sand bestehen, sie können weitaus weniger augenscheinlich und hinterlistig sein. Solch subtile Elemente einer Golfanlage werden von den Spielern erst nach und nach entdeckt und sorgen dafür, dass ein Golfplatz über lange Zeit die Golfer vor immer neue Aufgaben und Situationen stellen kann.

Gut designte Grüns können die Spielstrategie vom Tee zwar beeinflussen, aber nur dann, wenn die Fairways auch genügend Raum für unterschiedliche Strategien bieten. Breite Spielbahnen erlauben es, unterschiedliche Routen in Richtung Fahne zu planen, um Gefahren, die rund um die Grüns lauern, aus dem Weg zu gehen. Enge Fairways dagegen sind der Tod jedes strategischen Designs. Sie eliminieren nicht nur verschiedene Optionen vom Abschlag, sondern machen das Spiel auch redundant und langweilig. Oder wie es Dr. Mackenzie 1920 beschrieb: "Enge Fairways gesäumt von dichtem Gras produzieren schlechte Golfer, indem sie die Harmonie und den natürlichen Fluss des Spiels zerstören."

ABWECHSLUNGSREICHE TOPOGRAFIE


Die meisten der wirklich großartigen Golfplätze leiten ihren Charakter von der Landschaft ab, in die sie gebaut wurden. Das gilt auch für Augusta. Konfrontiert mit einem hügeligen Gelände, das bis zu 45 Meter Höhenunterschied aufwies, und mit einfachsten Werkzeugen ausgestattet, war Dr. Mackenzie gezwungen, den von der Natur vorgegebenen Formen zu folgen. Der von ihm erdachte Verlauf der Spielbahnen nutzt die örtlichen Gegebenheiten optimal.

Bei Höhenunterschieden von bis zu 45 Metern liegt folgende Frage nahe: Wie lässt sich all dies auf flachere Landschaften anwenden? Die vier Grundprinzipien des Golfplatzbaus sind universal gültig. Flachere Grundstücke haben Vorteile. Sie erlauben dem Architekten mehr Freiheit beim Routing der Spielbahnen, denn er ist nicht an die Konturen des Geländes gebunden. Gelingt es dem Architekten, interessante und abwechslungsreiche Grünkomplexe zu gestalten, breite Fairways anzulegen und clevere Erdbewegungen vorzunehmen, kann er einen Golfplatz der Spitzenklasse entwerfen, ohne dafür eine Bank ausrauben zu müssen. Dann liegt es an den Greenkeepern und den Mitgliedern des Clubs sicherzustellen, die Bedingungen stets so hart und schnell wie möglich zu gestalten, denn nur so kann gute Architektur ihre Vorteile auch ausspielen und für Nervenkitzel und Vergnügen sorgen.

Die gute Nachricht für die deutsche Golflandschaft ist, dass auch hierzulande unzählige Möglichkeiten gegeben sind, Golfplätze von Weltrang kosteneffektiv zu entwickeln und zu bauen, solange diese vier zeitlosen Grundsätze beachtet werden.

 
DER AUTOR

DER AUTOR

Tony Ristola, ein Amerikaner mit finnischen Wurzeln, kann nicht nur Golf spielen - er war als Teaching- sowie als Playing-Pro aktiv -, sondern fand in der Golfplatzarchitektur seine wahre Bestimmung. Zusammen mit Arbeitern, von denen die meisten noch nie einen Golfplatz gesehen hatten, schuf er mit Sand Valley in Polen sein erstes, international gefeiertes 18-Loch-Layout. Als einziger Golfplatzarchitekt garantiert er, jeden einzelnen Tag der Planungs- und Bauphase einer neuen Anlage vor Ort zu sein. www.tonyristola.com

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