Featured StoriesFeatured Stories

North Coast 500

Ganz oben angekommen

Von Jan Langenbein, Fotos: Mike Meyer

Sieben Schläger, ein Weekender-Bag fürs Handgepäck, die Wiedergeburt einer Sportwagenlegende und einen sich durch unglaubliche Landschaften windenden Asphaltstreifen - mehr braucht es nicht für den besten Golf-Roadtrip aller Zeiten.

Wenn wieder einmal, meist hervorgerufen durch absolute Tristesse vorm Redaktionsbürofenster, das Gesprächsthema in Richtung Sehnsuchtsorte abdriftete, fiel in den vergangenen Jahren mit zunehmender Regelmäßigkeit der Name North Coast 500. Die Berichte von dieser landschaftlich angeblich über jeden Zweifel erhabenen Straße hatten stets etwas vage Mystisches, denn niemand, der von dieser Asphaltschleife im Norden Schottlands schwärmte, sprach aus eigener Erfahrung. Es waren stets die Kumpel von Freunden oder entfernte Bekannte eines Arbeitskollegen, die von dort oben wie verzaubert zurückkamen und sich sicher waren, dass diese 500 Meilen entlang der nördlichsten Küsten des schottischen Festlands es mit jeder Traumstraße des Planeten aufnehmen könnten. Der Chapman's Peak Drive? Die Great Ocean Road? Der Pacific Coast Highway durch Big Sur? All diese Asphalt gewordenen Autofahrerträume verblassen angeblich zu schnöden Landstraßen im Vergleich mit der sagenhaften North Coast 500. Als dann im vergangenen Jahr auch noch "The Grand Tour"-Moderator Jeremy Clarkson, der schon jede Straße zwischen Savile Row und UlanBator mit einem fahrbaren Untersatz bereist hat, in die Lobeshymnen über besagte North Coast 500 einstimmte, war klar, dass diese Straße weder eine Urban Legend noch ein Social Media Hype sein konnte. Schließlich hat Clarkson als absolute Verkörperung englischer Borniertheit eine angeborene Abneigung gegen alles Schottische und zum anderen hasst er nichts mehr als Golf, Clarkson nannte seinen ersten Versuch einer Autobiografie sogar "Never Played Golf".

Wenn also selbst großspurige Reiseveteranen, die unter Garantie kein Auge für die Golfplätze links und rechts des Weges haben, überzeugt sind, dass die North Coast 500 auf die Todo-Liste eines jeden ernsthaften Globetrotters gehört, in welche Euphorie muss diese sagenhafte Straße dann erst den reisenden Golfer versetzen? Denn dass es dort oben fantastische Golfplätze geben muss, ist so sicher wie die Tatsache, dass in Texas vorzügliche Steaks auf den Tisch kommen. Schließlich reden wir von Schottland.

North Coast 500:

»
HATTEN WIR GERADE NOCH DEN EINDRUCK, DURCH DAS SANFT HÜGELIGE SÜDSCHWEDEN ZU FAHREN, MUTET DIE SZENERIE NACH DER NÄCHSTEN BIEGUNG PLÖTZLICH WIE IN DEN TIEFSTEN WÄLDERN KANADAS AN, NUR UM KURZE ZEIT SPÄTER DEN CHARME DER SÜDAFRIKANISCHEN GARDEN ROUTE ANZUNEHMEN.
«

BACK TO BASICS
Vier Wochen intensive Planung später stehen wir zwischen erstem Tee und altehrwürdigem Clubhaus des Royal Dornoch Golf Club. Es herrscht Postkartenwetter und Reisebus um Reisebus lädt seine Ladung bestehend aus mehrheitlich amerikanischen und asiatischen Golftouristen auf dem Parkplatz ab. Royal Dornoch taucht zu Recht regelmäßig in den Top Ten der verschiedenen Rankings auf, die sich anschicken, die besten Golfplätze des Planeten zu bestimmen. Seit 1616 wird hier Golf gespielt, Donald Ross erblickte hier 1872 das Licht der Welt und zog nach Amerika, um einer der wichtigsten Golfplatzarchitekten aller Zeiten zu werden, und die 18 Löcher des Championship Course sind absolute Links-Golf-Perfektion. Doch wir sind auf der Suche nach etwas anderem, nach einer Erfahrung abseits der ausgetrampelten Golftouristenpfade bestehend aus Fünfsternehotels und Open-Championship-Plätzen mit ihren 300-Euro-Greenfees und monatelangen Wartezeiten auf eine Startzeit.

Dornoch ist für 99 Prozent aller Golfer der nördlichste Punkt einer Schottlandreise, unser Trip fängt hier allerdings erst an. Brora, Wick, Durness und Gairloch heißen die Golfplätze auf unserem Reiseplan entlang dieser Küstenstraße, die uns in fünf Tagen wieder nach Dornoch zurückbringen wird.

North Coast 500: Time to say goodbye: die letzten gemeinsamen Sekunden mit einem neuen BallNorth Coast 500: Time to say goodbye: die letzten gemeinsamen Sekunden mit einem neuen Ball
Time to say goodbye: die letzten gemeinsamen Sekunden mit einem neuen Ball
"Mit einem geöffneten Clubhaus ist nicht auf jeder dieser Anlagen zu rechnen", warnte unser Kontaktmann beim schottischen Tourismusverband. Und weiter: "Darüber hinaus ist auch die Anzahl der Übernachtungsmöglichkeiten und für Kontinentaleuropäer akzeptablen Möglichkeiten der Nahrungsaufnahme äußerst begrenzt. Ihr müsst euch im Klaren sein, dass dies eine Golfreise ohne jeden Luxus wird. Back to Basics sozusagen. Dort oben gibt es das Meer, das Wetter, eine Straße und eine Handvoll Golfplätze."

Ohne es zu wissen, gab dieser ehrliche Schotte uns damit die Inspiration, diesen Roadtrip der Landschaft und den Golfplätzen angemessen anzugehen. Ein Pencilbag mit sieben Schlägern muss genügen für die rudimentären Links-Plätze an der North Coast 500 und die Garderobe sollte im Handgepäck Platz finden. Ein paar Golfschuhe, vier K Poloshirts, ein Pulli, eine Hose und natürlich eine komplette Garnitur Kjus Regenklamotten - mehr ist nicht nötig, um mit möglichst geringem Aufwand den maximalen Spaß auf dieser Reise zu haben.

North Coast 500: Auch in Rot erhältlich: Das neue iPhone ist riesig
Auch in Rot erhältlich: Das neue iPhone ist riesig
Ein nicht unwesentliches Detail für einen unvergesslichen Roadtrip fehlt in dieser Aufzählung allerdings: das Auto. Von Beginn der Planungen an ein Garant für emotionale Streitgespräche wurden die verschiedensten Vorschläge in den Raum gestellt: ein Aston Martin? Zu englisch. Ein VW Bus? Zu langsam. Ein Range Rover? Zu pompös. Oder gar ein Ford Mustang? Zu amerikanisch. All diese Vehikel wurden als Transportmittel für diese Pilgerfahrt in die Heimat des Golfsports diskutiert und verworfen. Beendet wurden diese Diskussionen erst, als der Praktikant einen Werbespot für die Neuauflage des Porsche Carrera 911 T beim zornigen Röhren über einen Alpenpass entdeckte. Diese auf die Essenz herunterdestillierte Version der Sportwagenlegende feiert es als Tugend, die Straße beinahe ungefiltert an den Fahrer weiterzugeben und muss deshalb das ideale Werkzeug sein für eine schottische Landstraße, die über mehr Kurven verfügt als die schottische Sprache über Worte für "Niederschlag".

Dieser 911 T in Miamiblau ist das Ausrufezeichen hinter unserer auf das absolut Wesentliche beschränkten Ausrüstung. Die Tatsache, dass auch das mit nach Schottland gebrachte Pencilbag samt den Schlägerhauben ins Farbschema passt, ist dabei ein absoluter, aber gern gesehener Zufall.

 
HARTE FAKTEN

HARTE FAKTEN

NORTH COAST 500
Es sind nicht nur 500, sondern insgesamt 516 Meilen (830 Kilometer), die es zu bezwingen gilt, möchte man die North Coast 500 einmal komplett umrunden. Ausgangs- und Endpunkt bildet offiziell das Inverness Castle und unsere Bedenken, dort oben in den dünn besiedelten North Highlands Probleme aufgrund fehlender Tankstellen zu bekommen, erwiesen sich als unbegründet. Weniger als die des Autos erwies sich die eigene Nahrungsaufnahme ab und an als knifflig, denn im Gegensatz zu den 24 Stunden geöffneten Zapfsäulen haben die spärlich verteilten Restaurants und Supermärkte deutlich unvorteilhaftere Öffnungszeiten. Stets genügend Trinkwasser im Kofferraum zu haben ist absolut ratsam. Mehr Informationen zur North Coast 500 und zu all ihren Sehenswürdigkeiten unter www.northcoast500.com.

PORSCHE 911 CARRERA T
Motor: Sechszylinder-Boxer
Leistung: 370 PS (272 kW)
Leergewicht (DIN): 1.425 kg
Getriebe: Siebengang-Schaltgetriebe mit
Zwischenscheibenkupplung
Höchstgeschwindigkeit: 293 km/h
0 -100 km/h: 4,5 Sekunden
Basispreis: 107.553 Euro
Testwagenpreis: 117.353 Euro
www.porsche.de

GANZ ALLEIN
Keine 30 Minuten nach Norden sind es von Dornoch bis zum Brora Golf Club und so verwundert es nicht, dass er ein Auge auf die äußerst zahlungskräftigen Golfpilger im Süden geworfen hat. Trotzdem widersteht der Club bereits seit Jahrzehnten den Versuchungen, das 1891 von James Braid angelegte Design seiner 18 Löcher zu modernisieren, um spektakulärere Bilder für Hochglanzbroschüren bieten zu können. Wer hier auf die Runde geht, teilt sich den Platz mit unzähligen Schafen und bei den Schlägen ins Grün gilt es nicht nur, Topfbunker, sondern auch elektrische Zäune, die ebenjene Schafe von den Putt-Oberflächen fernhalten sollen, zu überspielen. Als wir spätabends beim letzten Licht des Tages unsere Bälle im 18. Loch versenken, schallen Gläserklirren und Gelächter durch die offenen Türen der Clubhausterrasse. Wie es sich für einen kleinen Küstenort in Nordschottland gehört, spielt sich ein nicht unerheblicher Teil des sozialen Lebens dieser Dorfgemeinschaft am Tresen des Golfclubs ab, und als Tony, Broras Cubmanager, bei einem Pint von Old Trafford und der bald zu erwartenden Renaissance von Manchester United schwadroniert, erscheinen uns die Schilderungen absoluter Einsamkeit, verwaister Links-Plätze und menschenleerer Clubhäuser doch stark übertrieben. Es bräuchte lediglich eine Jukebox und schon würde aus dieser gut gefüllten Bar eine ausufernde Party werden.

Featured Stories