Wir nehmen es gerade mit Loch Nummer 5 auf, als sich überraschenderweise herausstellt, dass wir keineswegs die einzigen Menschen auf der Anlage sind, denn zwischen den Dünen taucht ein John-Deere-Fairwaymäher auf. Der von Wind und Wetter gegerbte Mann am Steuer ist sichtlich erfreut, uns zu sehen, und winkt mit seinem Smartphone in der Hand. "Schön, euch hier zu haben. Ich bin Dougie. Ist das eurer?", begrüßt er uns, auf dem Display seines Handys glänzt ein 911 R in Miamiblau auf dem Clubparkplatz. Ungläubig nickend wundern wir uns, woher dieses Foto stammt. "Mein Kollege ist gerade zur Arbeit erschienen und hat mir sofort eine WhatsApp geschickt: 'Du wirst nicht glauben, was bei uns auf dem Parkplatz steht!' Samt Bild. Yeah, yeah, yeah, cooles Auto!"
»VOR 20 JAHREN MACHTEN SICH DREI GOLFVERRÜCKTE LOCALS ANS WERK, DIESER UNFASSBAR SCHÖNEN LANDSCHAFT EINEN GOLFPLATZ ZU SCHENKEN, UND SCHUFEN SO DEN GOLFHIMMEL«
Wie viel Dougies Worte über diesen Club und die Hingabe seiner Mitglieder für den Golfsport aussagen, wird uns erst bewusst, als wir wenig später vom Clubparkplatz zurück auf die North Coast 500 biegen. Es sind nun tatsächlich ein paar vereinzelte Golfer auf dem Platz zu sehen und mindestens die Hälfte von ihnen hat sich im Winter beim Bau einer neuen Teebox die Hände schmutzig gemacht.
GO WEST!
Mit John o'Groats und den Duncansby Stacks, zwei Felsstellen im Meer, die wirken, als wären sie einem "Star Wars"-Film entsprungen, ist kurz nach Wick der nördlichste Punkt unseres Roadtrips erreicht. Von nun an verläuft die North Coast 500 in Richtung Westen und mit jeder Bucht, jedem Bergrücken, den wir umfahren, verändert die Landschaft ihren Charakter vollständig. Hatten wir gerade noch den Eindruck, durch das sanft hügelige Südschweden zu fahren, mutet die Szenerie nach der nächsten Biegung plötzlich wie in den tiefsten Wäldern Kanadas an, nur um kurze Zeit später den Charme der südafrikanischen Garden Route anzunehmen.
Der 911 T wird hier oben am Rande der Zivilisation zum absoluten Arbeitstier, das nicht nur ohne Murren Golfbags und das spärliche Handgepäck, sondern auch zwei riesige Koffer voller Foto- und Film-Equipment schluckt. Auf der North Coast 500 ist dieser Wagen mit seinem 370 PS liefernden Sechszylinder-Boxermotor kein Statussymbol wie in deutschen Großstädten, sondern ein Präzisionswerkzeug für die spektakulärsten Kurvenabfolgen des Planeten.
Es ist bereits nach 20 Uhr, als wir mit vollen Speicherkarten und reizüberfluteten Gehirnen im Durness Golf Club ankommen. Vor 20 Jahren machten sich drei golfverrückte Locals ans Werk, dieser unfassbar schönen Landschaft einen Golfplatz zu schenken, und schufen so den Golfhimmel. Selbstverständlich ist das Clubhaus längst geschlossen und der schriftlichen Aufforderung, für eine Abendrunde 15 Pfund unter der Tür durchzuschieben, kommen wir gerne nach.
Es ist ein Abend, wie man ihn hier oben garantiert nicht allzu oft genießen kann. Die tief stehende Sonne taucht Klippen, das azurblaue Meer und den sichelförmigen Sandstrand in satt goldenes Champagnerlicht. Ein halbes Dutzend Surfer versucht in der Bucht 40 Meter unterhalb des neunten Grüns, die letzten Wellen des Tages zu erwischen, und wir schlagen unsere Drives an Bahn 1 über einen Hügel, der die Sicht auf den restlichen Golfplatz versperrt. Mit jedem Schritt den wir näher in Richtung unsere Bälle laufen, öffnet sich die Aussicht auf das, was uns bevorsteht, ein wenig mehr und unsere Vorfreude steigert sich ins Unermessliche. Endlich oben auf dem Hügel angekommen, bleiben wir vor Ehrfurcht stehen und können nicht fassen, welches Paradies wir nun betreten werden. Nach Schweden, Kanada und Südafrika breitet sich nun so etwas wie Neuseeland auf Steroiden vor unseren Augen aus. Durchzogen von neun majestätisch angelegten Golflöchern, die an Seen, Felsformationen und Klippen entlang verlaufen, ist der Durness Golf Club an diesem Abend der schönste, beste und spektakulärste Ort auf der gesamten Welt, um Golf zu spielen. Nach mehreren Minuten andächtiger Stille fasse ich mir ein Herz und versuche, das Unbeschreibliche in Worte zu fassen: "Just in diesem Moment beginnen Golfer ihre Runde in Cypress Point, Augusta National oder Cape Kidnappers. Schön für sie, aber ich möchte nicht mit ihnen tauschen. Das hier ist besser und es kostet uns 15 Pfund." Ich schäme mich nicht dafür, in diesem Moment beim Versuch, eine Freudenträne zu unterdrücken, gescheitert zu sein, was mit Sicherheit auch daran lag, dass 200 Meilen der North Coast 500 noch vor uns liegen.