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Cory Lewis

Der Duracell-Golfer

Von Rüdiger Meyer, Fotos: Cory Lewis, Rüdiger Meyer

Cory Lewis spielt und spielt und spielt. Sein selbst gestecktes Ziel, 2.000 verschiedene Golfplätze spielen, hat der PGA Professional längst übertroffen, weil er etwas mit Lucky Luke gemeinsam hat: Er schlägt schneller als sein Schatten.

Als ich 2018 im Internet-Forum "Golf Club Atlas" zum ersten Mal von Cory Lewis lese, traue ich meinen Augen kaum. Ich dachte, ich hätte schon einiges an Golf gespielt, aber hier ist ein junger Mann von 37 Jahren, der bereits auf 1.380 verschiedenen Golfplätzen seine Spuren in Form von Divots hinterlassen hat. Seine kühne Prognose: "Wenn ich mein Pensum halte, sollte ich 2.000 Plätze schaffen, wenn ich 45 Jahre alt bin." Dieses Ziel treibt ihn derart an, dass er für seinen Blog und seine Instagram-Seite den Handle "2000golfcourses" wählt. Als ich ihn sieben Jahre später anschreibe, weil mich ein Trip an seiner Arbeitsstelle vorbeiführt, ist dieses Ziel längst so pulverisiert worden wie einst der Weitsprung-Weltrekord von Bob Beamon. Allein 2024 hat Lewis 262 neue Golfplätze gespielt und seine Marke nunmehr auf mehr als 2.500 geschraubt. Grund dafür war ein Arbeitsplatzwechsel nach Florida, vor dem er in seiner alten Heimat South Carolina noch so viel wie möglich wegspielen konnte.

Als wir uns für ein Gespräch verabreden, erwarte ich, jemanden in einem Rolls-Royce zu treffen. Denn wie kann man solch ein Pensum schaffen, ohne ein Treuhandvermögen anzuzapfen? Stattdessen kommt Cory in einem in die Jahre gekommenen blauen Mittelklassewagen vorgefahren und hat gerade einen Tag voll harter körperlicher Arbeit hinter sich. Eigentlich ist der 44-jährige PGA Professional in einem nagelneuen Privatplatz angestellt, doch die Bauarbeiten seines künftigen Arbeitsplatzes sind in Verzug geraten, sodass er vorerst im Landschaftsbau-Team hilft, die Anlage bis zu ihrer Eröffnung in Schuss zu bringen. Was einerseits Fluch ist, ist andererseits Segen, schließlich bleibt ihm dadurch etwas Zeit, seinen Kurs-Zähler weiter nach oben zu schrauben. Während wir über Architektur und Golfdestinationen ins Plaudern geraten, entfaltet sich vor mir das Bild eines Mannes, der schon früh eine Begeisterung für Golfplätze entwickelt hat.

TOP 100 GOLF COURSES USA

1. Pine Valley
2. Cypress Point
3. Shinnecock Hills
4. National Golf Links of America
5. Oakmont
6. Augusta National (nicht gespielt)
7. Sand Hills
8. Merion (East)
9. Pebble Beach
10. Los Angeles North
11. Fishers Island
12. Chicago GC
13. Pinehurst #2
14. Riviera
15. Friar's Head
16. Prairie Dunes
17. Seminole
18. Winged Food (West)
19. Pacific Dunes
20. Oakland Hills (South)
21. The Country Club
22. San Francisco
23. Crystal Downs
24. Southern Hill
25. Shoreacres
26. California GC of San Francisco
27. Somerset Hills
28. Garden City
29. Maidstone
30. The Lido
31. Camargo
32. Old Town
33. Peachtree
34. Bethpage Black
35. Ballyneal
36. Oak Hill (East)
37. Kiawah Island (Ocean)
38. Rock Creek Cattle Company
39. Bandon Trails
40. Sleepy Hollow
41. Inverness
42. Baltusrol (Championship)
43. Myopia Hunt Club
44. Ohoopee Match Club
45. Winged Food (East)
46. CapRock Ranch
47. Yeamans Hall
48. TPC Sawgrass
49. Bandon Dunes
50. Eastward Ho!

"Ich erinnere mich noch genau, wie ich als Kind die Top-100-Listen in Golfmagazinen sah. Pine Valley war auf dem Cover, Cypress Point - Orte, von denen ich noch nie gehört hatte. Also habe ich Briefe mit Rückumschlag an die Clubs geschickt und um eine Scorekarte gebeten. Jeder einzelne hat geantwortet. Ich habe eine Scorekarte von Augusta, Pine Valley und National Golf Links bekommen. Ich habe Scorekarten der gesamten Top 100 zusammenbekommen und habe sie noch heute", erzählt Cory und in seinen Augen blitzt der gleiche Begeisterung auf, die er als Kind gespürt haben muss, wenn der Briefträger vor der Tür stand.

Die Liebe zu Scorekarten ist geblieben. Wo andere Logobälle sammeln ("Was soll ich mit 3.000 Bällen? Kannst du dir vorstellen, wie schwer das ist?"), macht Cory ein Foto von der Fahne und nimmt zwei Dinge mit: einen Bleistift und vor allem eine Scorekarte. "Ich gebe zu, ich bin schon mal ausgerastet auf dem Golfplatz, als sie sagten, sie hätten keine Scorekarten mehr." Seine Sammlung bewahrt er in einer großen Kiste auf. "Das ist etwas, was ich meiner Frau hoch anrechne: Jedes Mal, wenn wir umziehen, misten wir aus; meine Scorekarten und Bleistifte standen nie zur Disposition", verrät Cory, der auch schon feste Pläne hat, was später damit passieren soll. "Wenn ich mich zur Ruhe setze, werde ich mit den Scorekarten die Wände meines Golfzimmers tapezieren."

Cory Lewis:

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ICH ERINNERE MICH NOCH GENAU, WIE ICH ALS KIND DIE TOP-100-LISTEN IN GOLFMAGAZINEN SAH. PINE VALLEY WAR AUF DEM COVER, CYPRESS POINT - ORTE, VON DENEN ICH NOCH NIE GEHÖRT HATTE.
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Doch wie schafft man es, mit einem Job und einer Ehe so viel Golf zu spielen? Cory führt dies auf eine Verkettung glücklicher Umstände zurück. 2014 zogen er und seine Frau nach Charlotte, wo sie einen Job hatte. Gleichzeitig bekam er eine Stelle als Head-Pro in North Carolina angeboten, wo seine Familie eine Wohnung hatte. Corys Bedingung für die Zusage: Viertage-Woche und vier Wochen Urlaub. Plötzlich konnte er nach Feierabend Golf spielen, weil seine Frau mehrere Hundert Kilometer entfernt war, und an den Tagen, an denen er zu Hause war und sie arbeiten musste, war ebenfalls viel Platz für Golf. Dabei hilft, dass Cory "der schnellste Schaft im Westen" ist, wie man ihn bei "Golf Club Atlas" scherzhaft getauft hat. Einen typischen Golftag beschreibt er so: "Ich versuche, morgens gegen sieben Uhr die erste Startzeit zu bekommen. Ich weiß also, dass ich gegen neun Uhr, spätestens halb zehn, fertig sein werde, und kann um etwa zehn Uhr meine zweite Startzeit buchen. Die dritte Startzeit des Tages ist etwas ungewiss, deshalb versuche ich sicherzustellen, dass der letzte Platz nicht der beste ist. Ich weiß, dass ich erschöpft sein werde und die Runde vielleicht nicht beende. Ich zähle einen Golfplatz für meine Wertung, wenn ich mindestens neun Löcher gespielt habe, das ist meine persönliche Regel." Während andere darauf schielen, die besten Plätze zu spielen, ist die Beschaffenheit der Wiese Cory prinzipiell egal. "Man spielt eine Menge Schrott", gibt er zu. "Aber selbst auf den miesesten Plätzen kann man immer noch etwas Interessantes finden."

Mittlerweile ist Cory ein wenig wählerischer geworden und spielt auch schon mal Plätze, die er bereits kennt. Das war vor zehn Jahren noch anders: "Ich habe mich zu 100 Prozent auf neue Orte konzentriert. Wenn ich die Wahl hatte, ein zweites Mal Shinnecock zu spielen oder Poxabogue, einen Neunlochplatz in den Hamptons, fiel die Wahl auf Poxabogue. Ich gebe zu, da bin ich vielleicht ein bisschen falsch gepolt", lacht der Mann, der schon in 49 US-Bundesstaaten gespielt hat. Einzig Alaska ist noch weiß. Viel bitterer ist jedoch, dass ihm in einer anderen Sammlung nur ein einziger Platz fehlt. "Ich bin Mitglied des sogenannten 99er-Clubs! Das ist der Club, in dem man nicht sein möchte." Übersetzt heißt das, von den 100 Plätzen, die im Ranking der besten Plätze der USA auftauchen, fehlt ihm nur einer: Augusta National. "Ich kenne zehn weitere, die im 99er-Club sind, einer von ihnen ist es bereits seit 25 Jahren. Einmal war ich nah dran, aber es hat sich dann leider doch nicht ergeben."

Cory Lewis: 'Laufen Sie eine gerade Linie': durchgefallen bei der MPUCory Lewis: 'Laufen Sie eine gerade Linie': durchgefallen bei der MPU
'Laufen Sie eine gerade Linie': durchgefallen bei der MPU
Das Problem ist, dass man in Augusta National nicht aktiv anfragen kann, sondern eingeladen werden muss. Etwas, was bei anderen exklusiven Adressen nicht ganz so strikt gehandhabt wird. Cypress Point etwa hat weniger Mitglieder als Augusta, doch Cory hat ihn als 25-Jähriger gespielt. "Ich schickte dem mittlerweile leider verstorbenen Pro Jim Langley im April einen Brief. Ich schrieb, ich würde gerne mit meinem Vater kommen und er könne jeden Tag im August und jeden Tag im Oktober. Jim antwortete: ,Wie wäre es mit dem 15. August?', und ich fuhr mit meinem Vater nach Kalifornien." Für alle, denen ein Brief zu aufwendig ist, hat Cory aber noch einen ganz simplen Rat zur Hand. "Leute treffen. Geht allein spielen und lasst euch mit anderen Leuten zusammen in eine Gruppe stecken. Man wundert sich, wen man dort alles kennenlernt. Ich habe einen Freund, der auf einem der räudigsten öffentlichen Plätze in Los Angeles gespielt hat und dort ein Mitglied des L.A. Country Club traf, der ihn dann in seinen Club eingeladen hat. Wenn man nett ist und seine Begeisterung zeigt, werden sie dich fragen. Schließlich sind die Leute, die in diesen Clubs Mitglied sind, stolz darauf und wollen ihn anderen zeigen."

TOP 100 GOLF COURSES USA

51. Old Barnwell
52. Quaker Ridge
53 The Creek
54. Honors Course
55. Whistling Straits
56. Muirfield Village
57. Pikewood National
58. Valley Club of Montecito
59. Olympic (Lake)
60. The Golf Club
61. Congressional (Blue)
62. Old Sandwich
63. Wade Hampton
64. Plainfield
65. Essex County
66. Piping Rock
67. Pasatiempo
68. Kittansett
69. Harbour Town
70. Bel-Air
71. Monterey Peninsula (Shore)
72. Scioto
73. Interlachen
74. Medinah #3
75. Hollywood
76. Gozzer Ranch
77. Newport
78. Milwaukee
79. Old Macdonald
80. Shadow Creek
81. Moraine
82. Fox Chapel
83. Nanea
84. Aronimink
85. Ridgewood
86. White Bear Yacht Club
87. Ladera
88. Pinehurst #10
89. Lawsonia Links
90. Monterey Peninsula (Dunes)
91. Cherry Hills
92. Sankaty Head
93. St. Louis
94. Old Elm
95. Baltimore (Five Farms East)
96. Trinity Forest
97. Streamsong Red
98. Philadelphia Cricket
99. Kingsley
100. Gamble Sands

Doch nur weil ein Platz bekannter ist, ist die Runde nicht automatisch besser. Wenn Cory von seinen schönsten Runden erzählt, spricht er oft von kleinen Geheimtipps wie Trestle Creek in Montana oder Dogwood Hills, einem unspektakulären Neunlochplatz in South Carolina. "Ich spielte mit einem netten, etwa 65 Jahre alten Afroamerikaner. Er spielte Birdie auf dem ersten Loch. Auf Bahn 3 liefen wir auf eine Gruppe auf und sie sagten: ,Oh, der Bürgermeister. Lasst ihn durch!' Das Ganze ging dreimal so. Als wir mit der Runde durch waren, die er 6 unter Par spielte, fragte ich, was die Gruppe vorhin meinte, und er sagte: ,Ach, ich habe für das Amt des Bürgermeisters kandidiert und nur eine Stimme bekommen. Seither nennt mich jetzt jeder Bürgermeister.' Auf dieser Neunlochrunde in Dogwood Hills hatte ich mehr Spaß als im vornehmen Congaree Golf Club, für den ich eigentlich runtergefahren war."

Cory Lewis:
Eine Runde wird aber für immer unerreicht bleiben: die mit seinem Vater in Royal Dornoch. "Mein Vater nahm mich mit nach Schottland, als ich 16 war. Wir haben es so geliebt, dass wir ihn am nächsten Tag gleich noch mal spielten. Der Platz spielte sich völlig anders, weil der Wind aus einer anderen Richtung wehte, und am anderen Ende des Platzes hatten wir einen unglaublichen Moment, in dem es schien, als wären wir die einzigen Menschen auf der Welt. Es war magisch." So magisch, dass Cory unbedingt noch einmal zurückkehren möchte - ganz egal wie. "Ich habe in meinem Testament festgelegt, dass meine Asche auf dem neunten Tee verstreut werden soll."

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