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Florida Man

Billy Horschel

Von Jan Langenbein

Transatlantikflüge, Trachten und Triple-Träume - selbst ungewohntes Terrain und allgegenwärtige Reizüberflutung können eine coole Socke wie Billy Horschel nicht aus der Ruhe bringen. Während rundum die Golfwelt verrückt spielt, geht er stoisch seiner Arbeit nach. Wir trafen Billy Horschel bei der BMW Interntional Open in Eichenried.

Für Billy Horschel ist es zwar der erste Ausflug nach good old Germany, doch bereits am ersten Tag dieser Geschäftsreise nach München kann sich der Amerikaner beinahe wie zu Hause fühlen. Schließlich sorgen drückend schwüle Sommerhitze und ein Golfplatz so flach wie die Witze von Mario Barth für astreines Florida-Feeling im Golfclub Eichenried. Lediglich mit Alligatoren ist in den zahlreichen Wasserhindernissen nicht zu rechnen. "Die Gefahr geht hier eher von anderen Flüssigkeiten aus", lacht der 35-Jährige und zählt auf, an wie vielen Biergärten er auf dem Weg vom Flughafen zum Hotel und dann zum Golfplatz bereits vorbeigekommen ist.

Sein Sieg bei Jack Nicklaus' Memorial Tournament in Ohio katapultierte Horschel bis auf Rang elf der Weltrangliste. So nah war er seinem ausgemachten Ziel, dieses Ranking in nicht allzu ferner Zukunft einmal anzuführen, noch nie. Nicht einmal als er im Spätsommer 2014 zwei Play-off-Turniere und zugleichden FedEx Cup gewann und für einige Wochen ohne jeden Zweifel der beste Golfer der Welt war. Kein Wunder, dass auch Bayern-Prominenz Thomas Müller und Claudio Pizarro happy sind, noch vor dem eigentlichen Pro-Am eine Neunloch-Challenge mit dem Topstar des Turniers spielen zu können. Sich der Bedeutung eines Triple selbstverständlich bewusst, lässt es sich der WM-Torschützenkönig von 2010 und Weltmeister von 2014 nicht nehmen, den Gast aus Amerika über dessen historische Chance hier in München aufzuklären, schließlich gewann Horschel bereits die BMW Championship auf der PGA Tour und vergangenes Jahr in London auch die BMW PGA Championship. "Tatsächlich", grinst die Nummer 14 der Golfwelt, "nachdem ich in Wentworth gewonnen habe, wurde mir bewusst, dass ich als Erster die Chance dazu habe. Ganz egal ob später einmal jemand dasselbe schafft, ich wäre der Erste mit einem BMW-Triple."

Doch bevor sich Billy Horschel an die Arbeit machen kann, um eine zeitweilige 100-Prozent-Siegquote in Deutschland zu erreichen, gilt es noch, eine BMW-International-Open-Tradition zu ehren, die es in Florida ganz sicher nicht gibt. In den Katakomben des Turniers liegen nämlich Dutzende Lederhosen und Janker zur Anprobe für die Players-Party am Freitagabend bereit. Bayerische Trachten hat Ralph Lauren schließlich nicht im Sortiment.

Florida Man: Smartes Farbschema: Stimmt Löwen und Bayern versöhnlich.Florida Man: Smartes Farbschema: Stimmt Löwen und Bayern versöhnlich.
Smartes Farbschema: Stimmt Löwen und Bayern versöhnlich.

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Mein Abschneiden bei den Major-Turnieren ärgert mich enorm. Aber ich kann nur mich selbst und meine Einstellung, mit der ich bisher an die Majors herangegangen bin, dafür verantwortlich machen.
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Am Freitag bei der Players Party werden eine Menge der Jungs Lederhosen tragen. Wie viel Bier wird nötig sein, damit du dich selbst auch in Tracht wirfst?
Dazu braucht es kein Bier. Natürlich werde ich Lederhosen tragen, mich gut darin fühlen und mir alle Mühe geben, darin auch stylish und selbstbewusst auszusehen. Ganz egal ob man mir dieses Outfit abnimmt oder nicht. [lacht]

Spielt sich der Platz in München anders als Anlagen auf der PGA Tour?
Nicht wirklich, denn die Grassorten sind dieselben und auch der Pflegezustand ist auf dem gleichen Level. Wie sich ein Platz spielt, ist viel mehr vom Wetter als von der geografischen Lage abhängig. Die Grüns hier sind vielleicht ein bisschen langsamer als auf der PGA Tour, abgesehen davon hat man sich schnell golferisch akklimatisiert.

Wenn du den Billy Horschel, der 2014 den FedEx Cup gewann und einige Monate der beste Golfer der Welt war, mit dem Billy Horschel, der 2022 das Memorial gewann, vergleichst, gibt es da Unterschiede, was das Golfspiel oder die Persönlichkeit dieser beiden Billys angeht?
Na klar, das ist ja immerhin schon fast ein Jahrzehnt her. Mit zunehmendem Alter lernt man viel über sich selbst. Auf persönlicher Ebene hat sich in dieser Zeit viel verändert. Ich habe mittlerweile Kinder und meine Frau hat einige persönliche Schwierigkeiten durchgemacht, die es uns beiden abverlangten, uns menschlich weiterzuentwickeln. Und auf dem Golfplatz bin ich heute ein komplett anderer Spieler. Ich denke, dass ich in mein Golfspiel sozusagen hineingewachsen bin. Ich weiß, was es braucht, Woche für Woche gute Leistungen abliefern zu können. Dieser Trial-and- Error-Prozess hat eine Weile gedauert, aber seit drei bis vier Jahren habe ich das Gefühl, sehr geradliniges und gutes Golf zu spielen.

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Nach deinem Sieg beim Memorial hast du gesagt, dass die 65 am Samstag deine wohl beste Runde wäre, die du bisher gespielt hast. Woran machst du das fest? Du hast schließlich schon oft bessere Scores als 65 gespielt.
Ja, ich habe tatsächlich schon oft niedrigere Scores gespielt, aber gemessen an der Schwierigkeit des Golfplatzes - im Zeitfenster von zwei Stunden um meine Startzeit herum hat es niemand geschafft, unter 70 zu spielen - war es wirklich eine unglaubliche Runde. Ich bin Perfektionist und spare deshalb sehr mit Eigenlob. Normalerweise finde ich immer das Haar in der Suppe, aber in diesem Fall muss ich wirklich sagen, dass ich an diesem Samstag kaum etwas hätte besser machen können.

Bei deinem FedEx-Cup-Sieg 2014 stand das amerikanische Ryder-Cup-Team bereits fest. Daraufhin änderte die PGA of America ihren Auswahlprozess, denn du warst in derartig bestechender Form - natürlich hättest du Teil des Team sein müssen. Diese Änderung des Prozedere wird inoffiziell die "Horschel Rule" genannt. Wie denkst du als Namensgeber darüber?
[lacht] Wahrscheinlich gibt es keinen anderen Spieler, der für so viele Regeländerungen im Golf mitverantwortlich ist. Es war ja nicht nur das mit dem Ryder-Cup-Team, sondern auch in Augusta, wo ich meinen Ball auf dem Grün markiert hatte und er kurz darauf ins Wasser rollte. Diese Regel wurde im Nachhinein ebenfalls geändert. Ich kann mich damit trösten, dass diese Regeländerungen nicht auf ein Fehlverhalten zurückgehen, sondern auf Dinge, die mir widerfahren sind. Nervt es, dass ich nicht Teil des Teams war? Klar! Dass es als "Horschel Rule" in die Golfgeschichte eingegangen ist, damit kann ich leben. Ich wünschte nur, ich hätte auch davon profitiert.

Verglichen mit deinen Leistungen auf der PGA Tour und den WGC-Turnieren ist dein Abschneiden bei den Majors doch sehr erstaunlich. Woran liegt's, dass du bei 36 Major-Starts erst ein einziges Top-Ten-Ergebnis eingespielt hast?
Oh Mann… das ist längst mehr als ein Affe, der auf meinen Schultern sitzt - es ist ein Gorilla! Mein Abschneiden bei den Major-Turnieren ärgert mich enorm. Aber ich kann nur mich selbst und meine Einstellung, mit der ich bisher an die Majors herangegangen bin, dafür verantwortlich machen. Seit mein Caddie Mark Fulcher im Mai letztes Jahr zum Team gestoßen ist, haben wir sehr an der Vorbereitung auf Major-Turniere gearbeitet. Das hat sich bisher noch nicht in den Ergebnissen niedergeschlagen, aber ich muss erst die harte Arbeit machen und das neu Erlernte im Turnierbetrieb testen, bevor die Ernte eingefahren werden kann.

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Brooks Koepka hat seinen Wechsel zu LIV Golf bekannt gegeben. Machst du dir Sorgen, dass in Zukunft die besten Spieler der Welt nur noch bei den Majors gegeneinander antreten werden?
Auch vor LIV gab es bereits Touren, die miteinander konkurrierten. In den 70ern, 80ern und 90ern hatten wir nicht alle der besten Spieler auf der PGA Tour, da viele der dominanten Europäer damals auf der European Tour spielten. Eines ist klar: Die Konkurrenz aus Saudi-Arabien wird nicht so schnell wieder verschwinden. Sie werden sich in einigen Jahren anschauen, ob ihr Milliardeninvestment Früchte trägt und sie dafür bekommen, was auch immer sie sich vom Einstieg in den Golfsport versprochen haben. Ich mache mir aber keine Sorgen um die PGA Tour, denn was die Spieler der vergangenen Jahrzehnte zusammen mit den Commissionern geschaffen haben, steht auf einem sehr soliden Fundament. Ich bin Mitglied des Player Advisory Council und hatte daher einige Insider-Informationen über die Entwicklungen der vergangenen Wochen. Vielleicht stelle ich in diesen Meetings die richtigen Fragen und andere Spieler tun das nicht, aber auf der LIV Tour wird es in absehbarer Zeit keine Weltranglistenpunkte geben. Wer also nicht durch bereits gewonnene Titel für die Majors qualifiziert ist, wird ab kommender Saison zuschauen müssen. Für die Golf-Fans in aller Welt ist es ärgerlich, dass die größten Turniere in Zukunft nicht mehr wirklich alle der besten Spieler im Feld haben werden.

Viele der LIV-Spieler haben ihren Wechsel als strikte Business-Entscheidung bezeichnet. Ist Golf für dich auch zuallererst ein Business oder hast du einen etwas idealistischeren Blick auf den Sport?
Es wurden eine Menge Gründe für einen Wechsel zu LIV genannt. Einer war zum Beispiel, das Wachstum des Spiels zu unterstützen. Aus meiner Sicht ist Golf in den vergangenen Jahren ganz prächtig gewachsen, auch ohne LIV. Darüber hinaus wird oft angeführt, dass man auf der LIV Tour weniger Events im Jahr spielen muss. Als Mitglied der PGA Tour ist man lediglich verpflichtet, 15 Turniere zu spielen, und die Majors zählen dazu. Wer also weniger spielen möchte, dem kann man nur sagen: Niemand zwingt dich dazu, 25 Turniere auf der PGA oder der DP World Tour zu spielen. Wenn der Grund für einen Wechsel eine rein geschäftliche Entscheidung ist und man mehr Geld verdienen will, gut. Das ist wenigstens ehrlich. Ich habe Golf nie des Geldes wegen gespielt und ich komme auch nicht aus einem wohlhabenden Elternhaus. Einer der Großen des Sports zu werden, damit mein Name eines Tages vielleicht gemeinsam mit Jack Nicklaus, Arnold Palmer und Tiger Woods genannt werden kann, das ist mein Ziel.

Gibt es einen Teil des Golfspiels eines deiner Tourkollegen, den du gerne klauen würdest?
Ich war immer scharf auf Tigers Eisenspiel. Aber er spielt ja nicht mehr so häufig und deshalb ist es mittlerweile Justin Thomas' Eisenspiel, auf das ich ein wenig neidisch bin. Es wird immer behauptet, wie wichtig es sei, lang vom Tee zu sein, und da ist auch was dran. Aber wie Justin ein unglaublich gutes Eisenspiel ins Grün zu haben ist so viel wichtiger, als einfach lange Drives zu schlagen. Wenn J.T.s Ballstriking zum Verkauf steht, bin ich der erste Interessent. [lacht]

 
Steckbrief

Steckbrief

NAME_
William John "Billy" Horschel

ALTER_
35 Jahre

GEBURTSORT_
Grant (FL), USA

PROFI SEIT_
2010

LIEBLINGSTEAM_
Boston Red Sox (MLB) & Atlanta Falcons (NFL)

ERFOLGE_
2013_
Zurich Classic Of New Orleans (PGA Tour)
2014_
BMW Championship & Tour Championship (PGA Tour)
2017_
AT&T Byron Nelson (PGA Tour)
2018_
Zurich Classic Of New Orleans (PGA Tour)
2021_
WGC-Dell Technologies Match Play (WGC)
BMW PGA Championship (DP World Tour)
2022_
Memorial Tournament (PGA Tour)

Unter den Top 20 der Welt tummeln sich zurzeit viele junge Amerikaner. Wer von deinen Landsleuten beeindruckt dich als Veteran auf der Tour am meisten?
Ich hatte in den letzten Monaten das Glück, oft mit Colin Morikawa, Will Zalatoris, Cameron Young, Scottie Scheffler und Sam Burns spielen zu können - allesamt extrem talentiert. Aber ich bin überzeugt davon, dass Sam Burns über das Potenzial verfügt, einmal einer der ganz Großen zu werden. Ich bin natürlich befangen, da Sam ein guter Freund ist und wir zusammen die Zurich Classic als Team gewonnen haben. Aber ganz objektiv: Er ist unglaublich lang vom Tee, verfügt schon über ein exzellentes Eisenspiel, sein kurzes Spiel ist solide und er puttet unverschämt gut. Sam fehlt meiner Meinung nach nicht viel und er könnte eine Saison haben, wie wir sie gerade von Scottie Scheffler sehen. In der Anlage ihres Spiels ähneln sich die beiden sehr, ich denke aber, dass Sam ein besserer Putter ist als Scottie.

Gibt es einen Sportler, egal aus welcher Disziplin, den du als Idol bezeichnen würdest?
Ich habe nie einen Spieler insgesamt als Vorbild betrachtet, vielmehr habe ich einzelne Teile ihrer Persönlichkeit bewundert und tue es immer noch. Beim Golf sind das Tiger Woods, Fred Couples, Greg Norman und Payne Stewart. Als Tiger Woods auftauchte, war ich etwa zwölf Jahre alt. Ihn eine gesamte Sportart dominieren zu sehen war großartig. Bei Fred Couples hat mir immer imponiert, wie entspannt er Golf spielt. Man hat das Gefühl, es sei ihm alles egal und nichts könne ihn aus der Ruhe bringen. Einen Hitzkopf wie mich beeindruckt diese Nonchalance natürlich. Greg Norman war einer der ersten Profis, die ich Golf spielen sah, er hatte nicht nur die langen Drives, sondern auch diesen Killerinstinkt. Und bei Payne Stewart waren es die Outfits - Mann, die habe ich wirklich geliebt! Leider konnte ich ihn nie kennenlernen. Abseits der Golfszene habe ich immer zu Michael Jordan auf geblickt. Ich mag Typen, die hart arbeiten, um ihr Handwerk zu perfektionieren.

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