Featured StoriesFeatured Stories

Golfpunks dieser Welt

Julius Boros

Von Janek Weiss, Fotos: Getty Images

Der älteste Major-Champion aller Zeiten war gesegnet mit einem Schwung, der selbst Freddie "Boom Boom" Couples neidvoll erblassen lässt. Er war Wegbereiter des Flop Shot und einer der Gründe für die Champions-Tour: Dies ist die Geschichte von Julius Boros, einem der unterschätztesten Golfgenies aller Zeiten.

Dass Spitzengolfer heutzutage in den 40ern und älter regelmäßig um Turniersiege mitspielen, ist nicht ungewöhnlich. Gewinnt Phil Mickelson mit mittlerweile 46 Jahren doch noch seine US Open, nachdem er bereits sechsmal nur Zweiter wurde? Tiger Woods hat unlängst vorgemacht, wie eine Ü40-Party auf dem Golfplatz aussehen kann. Neben diesen beiden Giganten des Golfsports ließe sich die Liste der "alten Eisen" umfangreich erweitern.

In den 1950er- und 1960er-Jahren war der Typus "wettbewerbsfähiger Golfer in fortgeschrittenem Alter" jedoch eher außergewöhnlich und beinahe eine sportliche Sensation. Und bis heute wohl der Beste unter den Alten war nicht Sam Snead, sondern Julius Boros, dessen Karriere erst mit 40 so richtig Fahrt aufnahm.

Der Sohn ungarischer Einwanderer, der am 03. März 1920 in Fairfield, Connecticut, geboren wurde, war ein klassischer Spätstarter. Mit Anfang 20 schwang Boros erstmalig einen Golfschläger und der Job als Buchhalter einer Handelsfirma ließ ihm kaum Zeit zum Training. Erst als er nach Carolina zog und einen Job auf einem Golfplatz annahm, konnte er das gesamte Jahr an seinem Spiel arbeiten. Und das mit Erfolg. 1949 bot sich die Chance, ins Profilager zu wechseln, und Boros schlug zu. Er war bereits 29 Jahre alt, als er entschied, den Anzug gegen Golfbag und Fairways zu tauschen. Als Typ eher ein Leisetreter, sollte er mit seinem außergewöhnlich entspannten und rhythmischen Schwung jedoch schon sehr bald von sich reden machen. Bereits drei Jahre nach seinem Tourdebüt gewann er 1952 sein erstes Turnier. Und zwar nicht irgendeinen beliebigen Tourstopp. Nein, Boros gewann die US Open im Northwood Country Club in Dallas und distanzierte mit einem Gesamt-Score von 281 Ed "Porky" Oliver um vier Schläge. Auch der Lokalmatador Ben Hogan gehörte als Dritter zu den Geschlagenen. Alles, was auf einen phlegmatischen Buchhalter hätte hinweisen können, verschwand auf dem Golfplatz hinter seiner entspannten Gelassenheit, die seinen unbedingten Siegeswillen geschickt kaschierte. Nur wenigen seiner Kollegen gelang es im Laufe ihrer Karrieren, Siegchancen derart effizient zu nutzen wie Julius Boros. "Er war der Typ ohne Nerven", stellte einst Herbert Warren, Autor und Golf-Historiker, fest. Dabei waren Boros' Gegner alles andere als lahme Laufkundschaft. Neben dem erwähnten Hogan waren das Arnold Palmer, Jack Nicklaus und Sam Snead - und er schlug sie allesamt regelmäßig. "Ich erinnere mich, dass er einer der wenigen war, die nie Angst vor Ben Hogan hatten. Und zu der Zeit war das nicht einfach", so Warren weiter.

Golfpunks dieser Welt: Sandkastenspiele: absolut jugendfreiGolfpunks dieser Welt: Sandkastenspiele: absolut jugendfrei
Sandkastenspiele: absolut jugendfrei

»
WENN ICH AUF DEN BALL EINPRÜGELN WÜRDE WIE JACK NICKLAUS ODER ARNOLD PALMER, WÄRE ICH DIE MEISTE ZEIT DES JAHRES ZU HAUSE.
«

Insgesamt 18 Toursiege, davon drei Majors, konnte Boros während seiner Karriere gewinnen. Viermal nahm er mit den USA am Ryder Cup teil und blieb dabei in den Foursomes mit einer Bilanz von 5-0-2 sogar ungeschlagen. Sein US-Open-Triumph blieb also keine Ausnahme. In den nächsten elf Jahren gewann Boros noch zehn weitere Turniere, wurde zweimal PGA Player of the Year und führte die Geldrangliste 1952 und 1955 an. In beiden Jahren konnte er die World Championship of Golf gewinnen, in der mit 50.000 Dollar ein für damalige Verhältnisse astronomisches Preisgeld ausgespielt wurde. Mit seinem letzten Triumph bei der Westchester Classic 1968 gewann der damals 48-Jährige ebenfalls den dicksten Scheck auf der Tour.

Dass er jedoch überhaupt eine Karriere als Profigolfer über mehr als drei Jahrzehnte durchhalten konnte, grenzte an ein Wunder. Sein Leben lang kämpfte er mit diversen gesundheitlichen Problemen. Während seiner Zeit beim Militär diagnostizierten die Ärzte einen Herzfehler, der eine Laufbahn als Profisportler eigentlich unmöglich machte. Auch vor persönlichen Schicksalsschlägen war er nicht gefeit. Seine erste Frau starb zu Beginn seiner Karriere im Kindbett. Obwohl er äußerlich stets unbeteiligt wirkte, gab er zu, dass er in engen Situationen auf und neben dem Platz genauso angespannt gewesen sei wie jeder andere auch. "Es fühlte sich an, als hätte ich Rasierklingen im Bauch."

Aber zurück zu den US Open. Während seiner ganzen Karriere verband ihn mit dem Turnier eine besondere Beziehung. Nicht nur hatte er dort seinen ersten Sieg feiern können, sondern auch in den folgenden Jahren war es Boros, der bei den offenen US-Meisterschaften immens erfolgreich auftrat und eine beeindruckende Serie startete, die in einem weiteren Sieg 1963 gipfelte. Im Country Club von Brookline beendete er eine Finalrunde mit zwei Birdies und erreichte so ein Play-off gegen Arnold Palmer und Jacky Cupit. Eine blitzsaubere 70 am Montag bedeutete den Sieg - elf Jahre nach seinem ersten Major-Triumph. Dazwischen wurde Boros im Zeitraum von 1950 bis 1960 sechsmal mindestens Fünfter.

Arnold Palmer hatte erneut einen Platz in der ersten Reihe, als er von Boros 1968 im Schlussspurt bei der PGA Championship im Pecan Valley Golf Club, San Antonio, Texas, geschlagen wurde. Palmer, der mit einem Schlag Rückstand auf Boros in den Finaltag gestartet war, verschob auf dem 72. Loch einen Putt aus zwei Metern, der ihn in ein Stechen gebracht hätte. "Ich bin ihm sicher nicht böse oder trage es Julius Boros nach, dass er mich mehr als einmal düpiert hat", bekannte Arnold Palmer Jahre später. Wie könnte Palmer auch? Schließlich war es die PGA Championship 1968, die Boros bis heute zum ältesten Major-Sieger aller Zeiten machte.

Auch danach blieb der Mann mit dem relaxten Golfschwung noch absolut wettbewerbsfähig. 1973, mit 53 Jahren, hätte es beinahe zu einer weiteren US Open gereicht, als er bei noch zehn zu spielenden Löchern in geteilter Führung lag. Auch wenn es am Ende nur zu Platz sieben reichen sollte, eine erstaunliche Leistung und der finale Beweis, dass sein Spiel und sein Schlaggefühl für dieses härteste aller Major-Turniere wie geschaffen waren. Noch als 55-Jähriger hätte er sich um Haaresbreite auch den Titel als ältester Toursieger in einem regulären Event gesichert, als er erst in einem Sudden Death Play-off gegen Gene Littler beim Westchester Classic unterlag. So blieb dieser Altersrekord dann doch in der Vita von Sam Snead.

Auf die Frage, wann er denn endlich zurücktrete, antwortete Boros einst in seiner typisch beiläufigen Art: "Ich spiele doch schon Golf und gehe angeln - wovon sollte ich also zurücktreten?" Julius Boros blieb bis 1977 reguläres Mitglied auf der Tour. Mit seinen 57 Jahren nahm er insgesamt an 13 Turnieren teil.

Golfpunks dieser Welt: Drei-Wetter-Taft: der Marlboro-Mann und das HB-Männchen nach dem Barbershop-Besuch
Drei-Wetter-Taft: der Marlboro-Mann und das HB-Männchen nach dem Barbershop-Besuch
Den Ursprung der heutigen Champions-Tour sehen viele übrigens in seinem Sieg gemeinsam mit Roberto DeVicenczo bei den Legends of Golf 1979. Das Turnier gilt als Startpunkt einer eigenen Tour für die verdienten Helden der PGA Tour über 50.

Und noch 1980 werden in den offiziellen Statistiken der PGA vier Starts mit einem Schlagdurchschnitt von 76 vermerkt, auch wenn es für den Cut nicht mehr reichen sollte. Dass Boros 1982 dann zu Recht in die Golf Hall of Fame aufgenommen wurde, ist angesichts seiner Karriere mehr als verdient.

Der Grund, warum Julius Boros so lange erfolgreich sein konnte, lag in seiner Technik, die wenig Belastung auf den Körper bedeutete. "Schwinge leicht, triff hart", war seine Devise. "Wenn ich auf den Ball einprügeln würde wie Jack Nicklaus oder Arnold Palmer, wäre ich die meiste Zeit des Jahres zu Hause." Das Ergebnis war ein Schwung voller Anmut und Kontrolle. "Julius Boros macht alles über die Handgelenke - wie jemand, der die Möbel abstaubt", sagte British-Open-Champion Tony Lema voller Bewunderung über seinen Gegner. Lee Trevino meinte einmal, dass bei Boros alles im Schwung gewesen sei; nie stünde er still, sein Schwung sei ein einziger Fluss gewesen. Boros führte nie auch nur einen einzigen Probeschwung aus und auch auf dem Grün spielte er, sobald er über dem Ball stand. Sein lapidarer Kommentar: "Wenn du zum Ball kommst und du weißt nicht, was zu tun ist, dann versuche dich in einem anderen Sport." Über die langen Schwungroutinen auf der Tour und die unzähligen Probebewegungen würde er vermutlich nur schmunzeln. Zeitzeugen berichteten zudem, dass die Bälle seiner Eisenschläge wie an einem Fallschirm hängend majestätisch auf den Grüns gelandet seien. Seine Kontrolle mit dem Sand-Wedge ist bis heute selten erreicht. Insbesondere aus dem tiefen Rough um die Grüns heraus war Boros ein Genie. Er federte die Bälle mit seinem langsamen, weichen Schwung geradezu auf die Grüns. Einige Golfhistoriker meinen gar, dass er mit seiner Technik den Flop Shot perfektioniert und als Waffe salonfähig gemacht habe. Sein Kurzspiel ist daher auch ein Geheimnis seiner Dauerpräsenz auf dem Leaderboard der US Open. Er hatte es geschafft, das traditionell härteste Rough im Golf zu zähmen.

Im Mai 1994 ist Julius Boros dann letztlich doch vom Alter eingeholt worden. Auch wenn er schon nicht mehr Golf spielen konnte, war er doch täglich mit seinem Cart auf dem Platz des Coral Ridge Country Club, Fort Lauderdale, Florida, unterwegs. An Loch 16 unter einer Weide wurde Julius Boros tot im Golf-Cart sitzend von Mitgliedern der Anlage gefunden. Er hatte einen Herzinfarkt erlitten. "Vielleicht ging es ihm nicht gut und er fuhr dorthin, um final über sein Leben nachzudenken." Es sind die Worte von Nick, einem seiner vier Söhne. "Ich glaube, es war ein Geschenk, er war dort an seinem Lieblingsplatz." Sein Sohn Guy Boros spielte zu dem Zeitpunkt die Southwestern Bell Colonial, als er vom Tod seines Vaters erfuhr. Er beendete das Turnier: "Es war das, was mein Vater gewollt hätte." Und mit einem Sieg bei den Greater Vancouver Open 1996 sollte er seinen Vater posthum einen weiteren Eintrag in die Geschichtsbücher sichern. Die Boros sind zu dem Zeitpunkt erst das dritte Vater- Sohn-Tandem, das auf der Tour gewinnen konnte.

Featured Stories