Am 07. Juli 1944 erblickt in Scunthorpe/ Lincolnshire im rauen Norden Englands der beste britische Golfer seiner Generation das Licht der Welt. Die Industriestadt ist bis heute das Zentrum der Stahlproduktion im Vereinigten Königreich. "Es gab Zeiten […] unfassbar langer Trainingseinheiten mit Bill Shankland und selten war ich mit dem, was ich tat, zufrieden!" Jacklin, durch seine Herkunft gestählt, arbeitet hart an sich. Seit er denken kann, spielt er Golf.
Obwohl sein Talent offensichtlich ist, hegen seine Eltern die Befürchtung, eine Karriere in diesem Sport könne zu unsicher sein. Ob seine Abneigung gegenüber der Mutter wohl hierher rührt? "Ich glaube nicht, dass Blut dicker ist als Wasser." Das Verhältnis wird Zeit ihres Lebens angespannt bleiben.


»Ich lief in dieser Woche über Wasser. Wenn ich in diesen Zustand komme, ist alles ganz klar. Ich bin dann in einer Blase purer Konzentration.«
Aber der Reihe nach. 1968 gewinnt er das Jacksonville Open Invitational auf der PGA Tour. Als erster Europäer seit den 1920er-Jahren reckt er eine US-Trophäe in den Himmel. Nur ein Jahr später wird Tony ein Held auf der Insel, als er sich bei den Open in Royal Lytham & St Annes zum Champions Golfer of the Year krönt. Als erster Engländer seit beinahe zwei Jahrzehnten wird sein Name auf der Claret Jug verewigt. Nur ein Jahr später, nach Amerika gekommen, um gegen die Besten anzutreten, gewinnt er die US Open in Hazeltine. Er dominiert die Konkurrenz und das in brutalen Bedingungen. Die drei Granden schießen sich am ersten Tag mit 80er-Runden aus dem Turnier. Als Einziger bleibt er nach vier Tagen unter Par, sieben Schläge Vorsprung. "Ich lief in dieser Woche über Wasser." Es ist der erste Sieg eines in Europa geborenen Spielers seit Tommy Armour - 1927. "Wenn ich in diesen Zustand komme, ist alles ganz klar. Ich bin dann in einer Blase purer Konzentration."
Dass ihm diese Erfolge einen Platz im Kader des Ryder Cup bescheren, versteht sich von selbst, damals noch eine rein britisch-irische Ansammlung von Golfern. Er ist von 1967 bis 1977 fester Bestandteil des Teams, doch es folgt Niederlage auf Niederlage gegen die übermächtigen Amerikaner. Nur einmal reicht es zu einem Unentschieden. 1969, Jacklin im letzten Flight mit - wie könnte es anders sein - dem "goldenen Bären". Jacklin gelingt es an der 17, das Match gegen Nicklaus mit einem Eagle auszugleichen. An der 18 - den US-Amerikanern ist die Titelverteidigung bei einem Unentschieden sicher - finden beide das Grün in Regulation. Nach seinem Tap-in für Par hebt Jack den Marker seines Kontrahenten mit den sinngemäßen Worten auf: "Ich bin mir sicher, dass du den lochst. Ich will dir jedoch nicht die Chance geben, es nicht zu tun."Nicklaus' Kontrahent ist noch Jahre später ob dieser Geste verdutzt: "Und dann hebt er seinen Ball und meinen Marker auf!" Dieser Akt des Sportsgeists ist im kollektiven Golfgedächtnis als "The Concession" verankert. Seit diesem Tag sind die beiden Ausnahmegolfer, die feixend und Arm in Arm vom Grün gehen, Freunde.

Golf mag ein Einzelsport sein. Aber der interkontinentale Teamwettbewerb stellt wohl Jacklins nachhaltigstes sportliches Vermächtnis dar und weckt seine Passion für den Golfsport aufs Neue. Beinahe wie ein Omen wirkt da der freundschaftsstiftende Moment mit Jack Nicklaus beim Ryder Cup 1969 im Royal Birkdale Golf Club. Nicht nur ist Jacklins Name wie beschrieben in einem ikonischen Moment verewigt, sondern auch untrennbar verbunden mit der Wiederauferstehung des europäischen Teams als ernst zu nehmendem Gegner für die US-Amerikaner, die lange Jahre nur die eigene Dominanz kennen. Trotz der Golfmüdigkeit akzeptiert der Brite 1983 die Rolle des europäischen Kapitäns in diesem Wettkampf. Die Dominanz der US-Amerikaner ist zu diesem Zeitpunkt erdrückend. In den frühen Jahren der 1980er-Jahren jedoch formt sich eine Front vielversprechender europäischer Spitzengolfer: Seve, Langer, Faldo oder Ian Woosnam, um nur einige zu nennen. Und endlich, der Cup in diesem Jahr ist wieder ein Wettkampf und keine Krönung. Mit nur einem Punkt Differenz muss sich Europa im PGA National Golf Club nur sehr knapp geschlagen geben. Es ist eine Niederlage, die nicht nur motiviert, sondern, mehr noch, sie manifestiert einen neuen Spirit im Team Europa. Einen Spirit, den auch die Teams der letzten Jahre immer wieder beschwören. Ian Poulter vorneweg, Rory, nicht zuletzt Martin Kaymer und sein siegbringender Putt 2012 - es ließe sich eine ganze Ode an die Power des europäischen Teams erzählen. Und Anthony "Tony" Jacklin ist derjenige, der dieses Fundament gelegt hat. So ist es nur folgerichtig, dass zwei Jahre später eine fast 30 Jahre währende Durststrecke ihr Ende findet. Heimspiel und Heimsieg in England, in seiner Heimat, die jungen Wilden um Seve fertigen die US-Boys im The Belfry souverän ab. Dass die Truppe zwei Jahre später erstmals in der Geschichte des Wettbewerbs auch in den Staaten den Cup in den Himmel reckt, ist… legendär!


Vier PGA-Tour-Siege, achtmal erfolgreich auf der damals neu geschaffenen European Tour, dazu seine unübersehbaren Fußspuren in der Historie des Ryder Cup: Jacklins Aufnahme in die Hall of Fame des Golfs 2002 war somit nur folgerichtig. 2013 bewies seine Teilnahme an der BBC-Show "Strictly Come Dancing", dass er auf den Fairways besser auf gehoben ist als auf dem Tanzparkett, schließlich flog er als erster Promi-Teilnehmer aus der Show. Doch wie man es von Tony Jacklin erwarten konnte, nahm er diese "Niederlage" mit Humor. Kein Wunder bei solch einem Trophäenschrank.