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Interview

Martin Borgmeier

Von Jan Langenbein

Deutschlands bester Long Driver erlebt in Texas gerade so etwas wie eine Hollywood-Geschichte: Gemeinsam mit Bryson DeChambeau ist er unter die Filmproduzenten gegangen und dann wird auch noch mit Tiger über Bomben vom Tee gefachsimpelt.

Long Driving ist eine Nische im Golfsport und inzwischen finden dank Covid-Entspannung auch wieder Wettkämpfe statt. Reicht es wieder, um damit über die Runden zu kommen?
Als Long Driver kann man - besonders nach Covid - nicht allein vom Preisgeld leben. Ich habe das Glück, gerade weitere zwei Jahre bei Callaway untergekommen zu sein, und habe darüber hinaus noch weitere, kleine Sponsoren. Es sind aber nicht meine langen Drives, die für meine Sponsoren das Wichtigste sind, sondern die Tatsache, dass ich Content Creator bin. Ich hätte mir vor einigen Jahren selbst nicht vorstellen können, was meine Online- und Social-Media-Präsenz mittlerweile für einen Stellenwert für mich hat.

Wenn du dich festlegen müsstet, was würdest du auf deine Visitenkarte schreiben: "Long Driver" oder "Content Creator"?
Eigentlich bräuchte ich mehrere Visitenkarten. [lacht] Nicht nur in Beraterjobs im Golfsport arbeite ich, sondern zum Beispiel auch mit der Firma Fenris aus Aachen an einer App in Sachen Biomechanik, die den kompletten Körper scannen und so den Bewegungsablauf eines Golfers analysieren kann. Mein Sport ist die Basis für all diese Tätigkeiten, deshalb würde ich schon "Long Driver" oder "Power Golfer" auf meine Visitenkarte schreiben.

Wie sieht ein normaler Tag zu Hause bei dir aus? Wie viel trainierst du und wie viel Zeit geht für Social Media drauf?
Zum Glück sind mein Training und die Social-Media- Aktivitäten sehr synergetisch. Wenn ich auf der Range mein Trainingsprogramm abspule, filme ich mich sowieso, um meine Technik zu überprüfen. Mein tägliches Training dauert etwa drei Stunden, denn es ist ja eine reine Driver-Session, bei der ich mich weder ums Pitchen noch ums Putten kümmern muss. Für die Content-Produktion lasse ich mich dann viel durch meinen eigenen Social-Media- Konsum inspirieren und fahre abends gerne zu "Topgolf". Diese Anlage ist zum Filmen von Inhalten für Instagram und TikTok natürlich ideal, denn dort trifft man ständig andere Creator oder Kumpel, mit denen man zusammen etwas starten kann.

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Plötzlich bin ich, nur weil ich Golf geil fand und alles auf diese Karte gesetzt habe, Geschäftspartner von Bryson.
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Ich gehe mal davon aus, dass du bei "Topgolf" locker übers hintere Fangnetz der Range schlägst, oder?
Ja klar, aber das ist nicht gerne gesehen und das hat man mittlerweile schon oft auf den verschiedenen Plattformen gesehen. Da muss man sich schon was Neues einfallen lassen. Ich hatte in der letzten Zeit bereits zwei virale Videos bei "Topgolf". Eines davon mit Snappy Gilmore, das über 56 Millionen Views hatte und sogar von Shaquille O'Neal geteilt wurde. Kaum zu glauben!

Du wohnst mittlerweile Vollzeit in Texas. Wie kam es zum Umzug in die USA?
Ich bin zusammen mit meiner Familie für diesen Sommer in die USA gezogen, denn ich bin immer noch vorwiegend Long Driver, trainiere jeden Tag und trete bei allen Events an und diese sind vorwiegend hier in den Staaten. Vor allem sind wir aber hierhergekommen, weil ich zu Beginn des Jahres gemeinsam mit Bryson DeChambeau und Hogan Molthan die Content-Creation-Group Regecy gegründet habe, die wir dazu nutzen, Videos für YouTube zu produzieren, wie wir beispielsweise Golf-Matches gegen High-School-Golfer spielen, um diesen Jungs ebenfalls eine Plattform zu bieten. Bis unser Kleiner im November in den Kindergarten kommt, bleiben wir auf jeden Fall hier.

Das ist die Champions League in Sachen Social-Media- Produktion. Was war in diesem Rahmen dein bisher eindrücklichstes Erlebnis?
Ich musste mich selbst zwicken, als ich gemeinsam mit Bryson und Hogan vergangenen Dezember beim Anwalt saß und wir unseren Gesellschaftervertrag ausgearbeitet haben. Vor fünf Jahren habe ich noch in Deutschland IT-Projekte verkauft und plötzlich bin ich, nur weil ich Golf geil fand und alles auf diese Karte gesetzt habe, Geschäftspartner von Bryson. Im vergangenen Jahr habe ich Tiger bei seinem Turnier auf den Bahamas getroffen und wir haben uns 20 Minuten über die Mechanik des Golfschwungs unterhalten. Wir waren so im Thema, dass ich komplett vergessen habe, wer da eigentlich vor mir steht. Danach habe ich allerdings den Mund nicht mehr zubekommen und dachte nur: "Was, bitte, ist hier gerade passiert?"

Wie sieht es sportlich im Moment bei dir aus? Wo stehst du in Sachen Form?
Die World Long Drive Championship findet ab dem 27. September in Mesquite, Nevada, statt. Das ist der Saisonhöhepunkt, auf den alles fokussiert ist. Anfang Juni habe ich ein Event in Denver gewonnen und mich dort mit Covid angesteckt. Ich hatte eine Woche lang Schwierigkeiten, aus dem Bett zu kommen, und war einen Monat körperlich sehr angeschlagen. Seit Mitte August ist diese Sache hoffentlich überwunden und meine Performance wieder ganz ordentlich. Es war heftig mitzuerleben, wie schnell man seinen Speed im Golfschwung verliert. Wenn das zentrale Nervensystem damit beschäftigt ist, das Coronavirus abzuwehren, bleibt keine Energie für irgendetwas anders übrig. Im Moment arbeite ich daran, über vier Tage in Folge gut performen zu können und am letzten dieser Tage meine Maximalleistung abrufen zu können.

Hast du in dieser Hinsicht Ziele in Sachen Ballgeschwindigkeit oder Carry-Längen?
In der Professional Long Drivers Association spielen wir alle mit den gleichen Bällen. Daher sind Ballgeschwindigkeiten zwischen 216 und 225 mph optimal. Alles, was darüber liegt, bereitet Probleme mit der Kompression des Balls und er ist kaum noch zu kontrollieren. Ich möchte natürlich so schnell sein wie möglich, aber nicht um draufzudreschen wie ein Verrückter, sondern um mit mehr Kontrolle meinen 222-bis-225-mph-Ball schlagen zu können. Damit kann man jedes Turnier gewinnen. Die Distanz ist im Training egal, da jeden Tag andere Wind- und Rollverhältnisse herrschen. Zudem arbeite ich an der Kontrolle meiner Abflugparameter, denn bei Gegenwind benötige ich einen flacheren Ballstart mit wenig Spin, bei Rückenwind einen hohen Launch-Winkel mit mehr Spin.

Was hat es mit deinen Shorts auf sich, die so eng sind, dass sie beinahe schon als Hotpants durchgehen?
Bryson und ich tragen beide dieselbe Puma-Hosengröße. Bei ihm schlabbern die Shorts und bei mir spannen sie. Wenn man darauf trainiert, möglichst viel Bodenreaktionskraft zu erzeugen, wachsen eben die Oberschenkel. Nehme ich eine Größe größer, hängen mir die Shorts auf halb acht. Das geht gar nicht. [lacht]

 

Infobox

NAME
Martin Borgmeier

ALTER
31 Jahre

WOHNORT
Dallas, Texas (USA)

PROFI SEIT
2018

ERFOLGE (AUSZUG):
- 2018 European Long Drive Champion
- Top Ten World Long Drive Ranking
- 442,5 Meter (längster Drive im Wettkampf)
- 231,9 mph (persönliche Bestleistung Ballgeschwindigkeit)

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