Dass zwischen finanziellem und sportlichem Erfolg Welten liegen, hat Laurie Canter bei der 41. Austragung der European Open bewiesen. 2022 und 2023 verbrachte er im Team von Martin Kaymer bei LIV Golf, verpasste aber für dieses Jahr im Playoff die Qualifikation. Also ging es für den Engländer zurück auf die DP World Tour, wo er jetzt endlich den großen Sieg einfuhr, der ihm mehr bedeutet als nur die 392.765 Euro Preisgeld. "Das ist alles, was ich erreichen wollte, seit ich Profi wurde", gab sich der 34-Jährige in seinem anschließenden Sieger-Interview sichtlich bewegt. Mit zittriger Stimme und Tränen in den Augen blickt er zurück auf 13 Profi-Jahre in denen ihm ein Sieg wieder und wieder entglitten war - bis zur Schlussrunde in Green Eagle.
Lange Zeit sah der Japaner Keita Nakajima wie ein heißer Kandidat aus. Mit 5 unter Par nach elf Löchern hatte sich der 88. der Weltrangliste an die Spitze gekämpft und noch drei Par-5-Löcher vor sich. Doch statt Birdies hagelte es bei windigen Bedingungen Bogeys für den 23-Jährigen, der schließlich auf Platz 6 einkam. Stattdessen setzte sein südafrikanischer Mitspieler Thriston Lawrence eine Duftmarke. Nach Birdies auf der 15 und der 17 gelang ihm am Schlussloch ein majestätischer zweiter Schlag aus 225 Metern, der zwei Meter an der Fahne landete und das Publikum an der 18 in solche Ekstase versetzte, dass der Jubel über die halbe Anlage schallte. Doch der Eagle-Putt verfehlte um Zentimeter und mit 11 unter Par musste Lawrence zittern, ob es reichen würde. Kurz zuvor hatten sich zumindest der Däne Norgaard nach einem Hacker an der 13 und der Italiener Migliozzi durch einen Wasserschlag an der 14 aus dem Rennen verabschiedet, sodass nur noch Bernd Wiesberger und Laurie Canter eine reelle Chance auf den Sieg hatten.
Insbesondere der Österreicher spielte sich durch "eine Back 9 von einem anderen Stern", wie es der Stadionsprecher formulierte, in eine aussichtsreiche Position. Nach einer Birdie-Serie auf 14, 15 und 16 lag der 38-Jährige plötzlich bei 12 unter Par und in geteilter Führung. Doch ein Dreiputt an der 17 und ein verpasster Birdieputt aus der 18 beendeten das Comeback-Märchen für den LIV-Rückkehrer. So war der Weg frei für Laurie Canter, der sich an der 16 mit einem Monsterputt aus 12 Metern auf 14 unter Par verbesserte und seine Führung nur noch verwalten musste. Etwas, was angesichts der vielen Wasserhindernisse auf den letzten Bahnen in der Theorie leichter als in der Praxis ist - besonders, wenn direkt vor einem Niklas Norgaard den Schlag ins Grün der 18 quer durch das Hospitality-Zelt jagt. Doch Canter tat genau das, was man tun musste. Er setzte den Drive ins Fairway, legte den zweiten auf der wasserentfernten Seite der Bahn ab, pitchte hinter die Fahne und lochte mit zwei entspannten Putts zum Sieg ein.
Am Ende waren sich alle einig, dass das Turnier den verdienten Sieger gefunden hatte. Nach zwei Runden hatte Canter ausgenutzt, dass der Platz von Michael Blesch dank nasser Grüns und wenig Wind angreifbar war, und sich mit 12 unter Par an die Spitze gesetzt. Als am Wochenende der Wind immer mehr zunahm, waren große Sprünge auf dem Leaderboard kaum noch möglich - was man auch daran sieht, dass Canters Ergebnis nach zwei Tagen bereits für den Sieg ausgereicht hätte. Stattdessen zog sich das Feld immer mehr zusammen, sodass sich Zuschauer und Turnierverantwortliche über ein extrem spannendes Finish freuten, das Lust auf mehr macht. Da passt es gut, dass die Zukunft des aktuell noch ohne Titelsponsor fungierenden Turniers in Green Eagle bereits für die nächsten zwei Jahre gesichert ist.