Olympia 2024 - Esther Henseleit holt Silber, Lydia Ko ist Mrs. Olympia

Olympia 2024

Esther Henseleit holt Silber, Lydia Ko ist Mrs. Olympia

10.08.2024 | Von Rüdiger Meyer

Esther Henseleit schreibt deutsche Golf-Geschichte, während sich Lydia Ko mit ihrer dritten Olympia-Medaille endgültig zu Mrs. Olympia kürt.

Auch wenn das Rennen um Gold nie wirklich umkämpft war, stand der olympische Golf-Wettbewerb der Damen in Paris dem der Herren in Sachen Spannung nichts nach. Vor allen Dingen, weil sich Esther Henseleit nervenstark in einem harten Kampf um die Medaillen durchsetzte. Dass die Deutsche nach einer nahezu blitzsauberen 66 am Ende mit Silber nach Hause ging, verdankte sie vor allen Dingen ihrem unglaublich starken Spiel vom Tee. Bereits in der ersten Runde hatte die 25-Jährige das Feld in "Strokes Gained off the Tee" angeführt und auch in der Schlussrunde traf sie mit ihren langen, geraden Schlägen Fairway um Fairway. Der große Unterschied über die letzten 18 Löcher: Dieses Mal konnte sie ihre perfekten Ausgangslagen auch mit starken Eisenschlägen in zahlreiche Birdiechancen umwandeln. Mit fünf unter Par auf den ersten 10 Löchern verbesserte sie sich von 11 schnell bis auf den zweiten Platz und hatte nur noch Lydia Ko vor sich.

Die Neuseeländerin war früh auf besten Wege ihren olympischen Medaillensatz zu vervollständigen. Nach Silber in Rio und Bronze in Tokio fehlte der jüngsten Weltranglistenersten aller Zeiten nur noch Gold. Die schlaggleich mit Ko ins Finale gegangene Schweizerin Morgane Metraux zeigte bereits am ersten Tee Nerven und hookte ihren Abschlag ins Wasser. Zwar verlor auch Ko an der 1 einen Schlag, aber anders als die Schweizerin ließ sich die Neuseeländerin davon nicht aus der Ruhe bringen. Während Metraux mit einem Triplebogey auf der 5 endgültig alle Medaillenträume begrub, zog Ko unaufhörlich davon und ließ sich auch nicht von einem Doppelbogey an der 13 ernsthaft aus der Spur bringen. Auch wenn der Vorsprung auf einen Schlag zusammenschrumpfte, hatte man nie das Gefühl, dass die extrem routinierte 27-Jährige zitterte. Den ersehnten Olympiasieg, der ihr zugleich die nötigen Punkte einbrachte, um sich als jüngste Spielerin aller Zeiten für die Hall of Fame zu qualifizieren, ließ sie sich nicht mehr nehmen. Doch hinter Ko gab es ein Hauen und am Ende glücklicherweise kein Stechen um die Medaillen.

Noch auf den Back 9 konnten sich neun Spielerinnen ernsthafte Hoffnungen auf die Medaillen machen. Die erste, die sich etwas überraschend aus dem Kreis verabschiedete, war ausgerechnet die Weltranglisten-Erste Nelly Korda, die sich zahlreiche Fehlschläge leistete und an der 15 die Aussichten auf eine erneute Olympia-Medaille im Wasser begraben musste. Kurz darauf setzte Wei-Ling Hsu aus Chinesisch Taipeh mit 5 unter Par die erste Marke im Clubhaus, an der sich alle anderen orientieren mussten. Dass das nicht zur Medaille reichen würde, wurde aber schon wenige Minuten später klar, als Bianca Pagdanganan aus den Philippinen mit 6 unter Par die Führung im Clubhaus übernahm. Parallel dazu fielen auf dem Platz plötzlich die Birdies, die dem Feld zuvor gefühlt stundenlang verwehrt geblieben waren.

Nachdem Esther Henseleit ihren Abschlag an der 17 knapp links in den First Cut verzogen hatte, spielte sie ein Scottie-Scheffler-Gedächtnis-Eisen drei Meter an die Fahne, lochte zum Birdie und ging alleine auf den Silbermedaillenplatz. Doch die Konkurrenz gab sich nicht kampflos geschlagen. Die Australierin Hannah Green kam mit einem Birdie auf der 16 bis auf einen Schlag heran, verschob aber einen kurzen Birdie-Putt an der 17. Janet Xiyu Lin aus China zog an der 16 mit Henseleit gleich, nachdem sie ihr Eisen am Par 3 zum Tap-In an die Fahne schlug, und die Japanerin Miyu Yamashita machte mit einem langen Birdie-Putt an der 17 aus dem potenziellen Silber-Duo ein Trio - allerdings für weniger als 3 Minuten. Als Yamashita ihr Eisen in die 16 schlug, erwischte sie den Ball nicht sauber und musste mit ansehen wie ihre Medaillenchancen im Wasser versanken: Doppelbogey.

Henseleit hatte zur gleichen Zeit bereits alle potenziellen Strafschläge aus dem Spiel genommen und nach einem brillanten Abschlag an der 18 in den Fairway-Flaschenhals das Eisen zum Eagle-Putt ebenso souverän auf das Grün gelegt wie den anschließenden Putt ans Loch: Birdie, 8 unter Par und fast schon die Gewissheit, dass das Ergebnis zur Silber-Medaille reicht. Zwar gab es noch die theoretische Chance, dass Yamashita mit einem Birdie-Eagle-Finish und die Chinesin Lin mit einem Eagle an der 18 die Deutsche in ein Stechen hätten zwingen können, aber realistisch war dies nicht. Und tatsächlich: Als die beiden ihre entscheidenden Putts knapp verfehlten, trudelten bereits die ersten Glückwunschnachrichten auf dem Handy der Deutschen ein.

Für Henseleit war die Medaille fast schon die logische Folge einer ständig ansteigenden Form in dieser Saison. Zwar beherrschte Alexandra Försterling, die am Ende 35. wurde, aus deutscher Sicht die Schlagzeilen, weil sie bereits ihren vierten Sieg auf der Ladies European Tour einfuhr, doch bei den großen Turnieren des Jahres war Henseleit regelmäßig die bessere von den beiden. Bei drei der vier Majors des Jahres konnte sich die Hamburgerin weit vorne platzieren: Bei der Women's PGA Championship wurde sie 14., bei der Chevron Championship und der in Frankreich ausgetragenen Evian Championship landete sie sogar auf Platz 7. Angesichts der Tatsache, dass das Olympia-Feld kleiner ist und Nationen wie die USA oder Südkorea aufgrund der Starterbegrenzung einige Spitzenspielerinnen zu Hause lassen mussten, war die Olympia-Medaille also nicht aus der Luft gegriffen. Dass es am Ende wirklich Silber wurde, war allerdings am Mittwochmorgen nicht abzusehen als Henseleit mit Doppelbogey-Bogey einen klassischen Fehlstart erwischte. Auf den weiteren 70 Löchern spielte jedoch keine andere Spielerin in diesem Weltklassefeld besser. Dass es am Ende Silber wurde ist nicht nur für Henseleit der bisher größte Erfolg ihrer Karriere, es könnte auch für den deutschen Golfsport in puncto Öffentlichkeitswirkung der bisher größte Erfolg sein.

Das Endergebnis:
1. Lydia Ko (Neuseeland) (72-67-68-71 = 278)
2. Esther Henseleit (Deutschland) (72-73-69-66 = 280)
3. Xiju-Janet Lin (China) (71-70-71-69 = 281)
T4. Bianca Pagdanganan (Philippinen) (72-69-73-68 = 282)
T4. Hannah Green (Australien) (77-70-66-69 = 282)
T4. Amy Yang(Südkorea) (72-71-70-69 = 282)
T4. Miyu Yamashita (Japan) (71-70-68-73 = 282)
T8. Wei-Ling Hsu (Chinesisch Taipeh) (74-69-72-68 = 283)
T8. Rose Zhang (USA) (72-70-67-72 = 283)

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