Vom Knast an die Spitze - Scottie Scheffler's Tag im Protokoll

Vom Knast an die Spitze

Scottie Scheffler's Tag im Protokoll

18.05.2024 | Von Johannes Oberlin

Die zweite Runde der PGA Championship 2024 geht - neben Tiger Woods' Hydranten-Unfall und seiner späteren Sexsucht-Pressekonferenz - als einer der bizarrsten Tage in die Golfgeschichte ein. Was mit einem tragischen Unglück begann, wurde zu einem handfesten Krimi und schließlich zum größten Moment für das Golf-Internet. Und ganz nebenbei kristallisiert sich auch noch eines der umkämpftesten Majors der letzten Jahre heraus. Was war passiert?

Der im Osten von Louisville, Kentucky gelegene Valhalla Golf Club hat jede Menge Erfahrung mit der Austragung von Großereignissen. 1996, 2000 und 2014 fand hier bereits eine PGA Championship statt, 2008 war er Gastgeber der Ryder Cups. Eine Gemeinsamkeit aller Veranstaltungen war die schreckliche Logistik der Turniere. Weil es im Umfeld des Golfclubs kaum Parkmöglichkeiten gibt, mussten Gäste 30 Kilometer entfernt in der Stadtmitte parken und mit Shuttles nach Valhalla gefahren werden. Genau dieser Umstand hatte in diesem Jahr tödliche Folgen. Gegen 5 Uhr morgens wollte der 69-jährige John Mills seinen Arbeitstag bei einem Aussteller auf der PGA Championship beginnen als er bei der Überquerung der vierspurigen Shelbyville Road von einem der Shuttlebusse erfasst und getötet wurde. Das tragische Unglück sorgte überall für Entsetzen, löste aber auch ein Verkehrschaos aus in das Scottie Scheffler geriet als er sich auf seine zweite Runde vorbereiten wollte.

Ein unglückliches Missverständnis


Vor Beginn des Turniers waren alle Spieler von den Verantwortlichen des Turniers darauf hingewiesen worden, wie sie sich im Falle eines Verkehrsstaus zu verhalten haben. Kurz gefasst: Spielerausweis zeigen, vorsichtig am Stau vorbeifahren und in die Auffahrt zum Valhalla Golf Club einbiegen. Scheffler tat, wie ihm geheißen war, erkannte aber bei dunklem, regnerischem Wetter nicht, dass der mit einer Leuchtweste bekleidete Mann vor ihm kein Ordner sondern der Polizeibeamte Bryan Gillis war. Der behauptet in seinem Polizeibericht, Scheffler hätte sich geweigert, seinen Anweisungen Folge zu leisten, den Wagen beschleunigt und ihn dabei hinter sich her geschleift. Als Scheffler stoppte, wurde er unmittelbar in Handschellen gelegt und abgeführt. Der Vorwurf: Sachbeschädigung dritten Grades, rücksichtsloses Fahren, Missachtung von Verkehrsanweisungen und Körperverletzung eines Polizisten zweiten Grades - ein schwerwiegender Straftatbestand, der minimum eine Haftstrafe von zwei Jahren nach sich ziehen könnte. Da die Verhaftung morgens um 7.30 Uhr passierte, schien es gesichert, dass er seine wegen des Unfalls auf 10 Uhr verschobene Startzeit und damit die Chance auf den Grand Slam verpassen würde.

Scheffler selber fasste die bizarre Situation später so zusammen: "Ich verbrachte einige Zeit damit, mich in einer Gefängniszelle zu dehnen. (...) Ich saß einfach nur da und wartete, und ich fing an, mein Aufwärmprogramm durchzugehen, ich hatte das Gefühl, dass es vielleicht doch noch eine Chance gibt, zu spielen. Ichversuchte, meinen Puls so weit wie möglich zu senken, aber in meinem Kopf schwirrt es immer noch." Zu den schrägsten Momenten gehörte, dass Scheffler auf ESPN seine eigene Verhaftung sah, weil zufällig ESPN-Journalist Jeff Darlington bei der Verhaftung dabei war und vergeblich versuchte zu schlichten. "Sie können nichts tun. Scottie Scheffler geht ins Gefängnis!", war die Reaktion des Polizeibeamten.

Tote Hose


Allerdings steht am Ende nicht Scottie Scheffler sondern die seit dem Tod von Breonna Taylor ohnehin schon argwöhnisch beobachtete Louisville Metro Police in einem schlechten Licht da. Angefangen vom Polizeibericht, der auch aus "Die nackte Kanone" stammen könnte und neben einer Darstellung von Detective Gillis angeblicher Verletzungen allen Ernstes aufführt "Die Uniformhose von Detective Gillis im Wert von etwa 80 Dollar wurde irreparabel beschädigt" bis hin zur Tatsache, dass Scheffler zwar in einen orangen Overall gesteckt wurde, den nicht mal Rickie Fowler tragen möchte, aber nach 70 Minuten wieder auf freiem Fuß war, spricht wenig dafür, dass es am Ende zu ernsten Folgen für den Weltranglisten-Ersten kommen könnte.

Der wurde nach einer Entlassung vom sichtlich um Imagekorrektur bemühten Valhalla Co-Besitzer Jimmy Kirchdorfer zum Platz gefahren, wo Scheffler weniger als eine Stunde hatte, um sich auf den Start seiner Runde vorzubereiten. Ein schnelles Frühstück und ein paar Schläge später tat Scheffler das, was er immer tut: Sensationelles Golf spielen. Trotz der nicht gerade idealen Vorbereitung unterbot er seine 67 vom Vortag sogar noch um einen Schlag, verkürzte seinen Rückstand auf Xander Schauffele um zwei Schläge und gehört u.a. mit Collin Morikawa, Bryson DeChambeau, Viktor Hovland und Tony Finau nun zu den Hauptanwärtern auf die Wanamaker-Trophy. So könnte es jetzt zu einer bizarren Situation kommen, in der Scheffler am Sonntag 50 Prozent des Grand Slams eingefahren hat und sich am Dienstagmorgen um 9 Uhr Ortszeit zur Anhörung vor Gericht einfinden muss.

Scheffler zeigt Klasse


Andererseits könnte gerade die dritte Runde für den Amerikaner noch einmal eine besondere Herausforderung werden. Trotz des hektischen Tages könnte gerade das Adrenalin dafür gesorgt haben, dass Scheffler seine zweite Runde so überstand als sei nichts gewesen. Eine Nacht mit (oder womöglich gar ohne) Schlaf macht es möglicherweise schwieriger, wieder zu spielen als sei nichts gewesen. Ganz unabhängig davon, wie das Turnier ausgeht, ist Scheffler aber jetzt schon ein Gewinner. Nicht nur, weil er das Image des Langweilers abgelegt haben dürfte, sondern die Art und Weise wie er alles über sich ergehen ließ. Weder pflaumte er den verhaftenden Beamten nach dem Motto an "Wisst ihr nicht, wer ich bin", noch nutzte er seine Pressekonferenz, um sich zu rächen. Stattdessen drückte er zuallererst der Familie des verstorbenen John Mills sein Beileid aus und bedankte sich anschließend bei der Polizei: "Der Beamte, der mich ins Gefängnis brachte, war sehr freundlich. Er war großartig. Wir hatten ein nettes Gespräch im Auto, das hat mich irgendwie beruhigt. (…) Ich habe etwa eine Stunde lang gezittert. Das war definitiv ein neues Gefühl für mich. Er kam heraus und wir hatten ein nettes Gespräch. Und auch waren die Beamten im Gefängnis waren großartig. (…) Ich bin dankbar, dass wir so eine starke Polizei haben, die uns da draußen beschützt, und wie ich schon sagte, wir sind heute Morgen in eine chaotische Situation geraten. Mehr war es wirklich nicht."

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