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Aberdeen

Von Cruden Bay bis Murcar

Von Rüdiger Meyer, Fotos: Rüdiger Meyer

Auf einer Reise nach Aberdeen kann man Frankenstein und Dracula begegnen - und seit Jahrzehnten verdammt gutes Golf spielen.

Aberdeen ist eine Stadt der Kontraste. Einerseits ist die mit rund 227.000 Einwohnern drittgrößte Stadt Schottlands eine Hochburg des Brutalismus, dessen grobe Betonklotz-Architektur so sehr "Ostblock!" schreit, dass die Stadt für den Apple-Film "Tetris" das Moskau der 1980er-Jahre verkörperte. Andererseits gibt es eine zauberhafte Altstadt mit Kopfsteinpflasterstraßen und einer Kathedrale, in deren Wände das linke Körperviertel von William "Braveheart" Wallace eingemauert wurde. Diese urbanen Gegensätze sind mehrere Kilometer voneinander entfernt, was daran liegt, dass Aberdeen einst aus zwei unabhängigen Städten bestand: Das am Fluss Don gelegene Old Aberdeen sowie das am Fluss Dee liegende New Aberdeen wurden erst im späten 19. Jahrhundert zusammengeführt.

Das Aufeinandertreffen der Gegensätze spiegelt sich auch in den Golfplätzen der Gegend wider. Die brutalistische Note verkörpert dabei der höchst umstrittene, aber den noch unbestritten hochwertige Trump International Golf Links, den Martin Hawtree gegen Widerstände von Umweltschützern und Einheimischen in mächtige Dünen pflanzte. Doch wir wollen uns lieber auf Old Aberdeen konzentrieren, dessen golferisches Äquivalent auf eine mehr als hundert Jahre lange Tradition zurückblicken kann. Wie sehr der Golfsport zur DNA der Stadt gehört, beweist das 2017 etablierte Nuart Aberdeen. Eines der ersten Kunstwerke, das im Rahmen des Street-Art-Festivals entstand, war ein Golfer, den der Norweger Martin Whatson an die Seite eines Outdoor-Shops pinselte, der 2021 leider abgerissen wurde.

Dennoch muss man nicht weit fahren, um Golfer zu sehen. Im Osten der Stadt finden sich mit dem Balnagask Golf Course und dem Kings Links Golf Course zwei simple öffentliche Plätze, auf denen man für schlappe 30 Pfund auf relativ flachem Links-Land spielen kann. Weiter nördlich wird es teurer, aber auch umso spektakulärer. Fast schon Tür an Tür finden sich hier der Royal Aberdeen Golf Club und der Murcar Links, denen nachgesagt wird, man könnte einen der besten Plätze der Welt genießen, wenn man die Front Nine von Royal Aberdeen spielt, und statt umzudrehen, auf Bahn 2 des Nachbarn wechselt und bis Loch 10 auf dem Murcar Links weitermacht. Doch auch die anderen 18 Löcher können sich sehen lassen. Beide Plätze nutzen die Dünen der Nordsee perfekt und auf völlig natürliche Weise aus. Offiziell waren drei Simpsons, die Brüder Archie und Robert sowie Namensvetter Tom, für den Bau verantwortlich. Doch weil es an der Grenze zwischen 19. und 20. Jahrhundert noch keine Baumaschinen gab, war die eigentliche Architektin der 36 Löcher Mutter Natur, die ganz nebenbei 20 Kilometer nördlich auch die Ehrfurcht einflößenden Sands of Forvie erschaffen hat, in denen Denis Villeneuve gut seine "Dune"-Filme hätte drehen können.

Aberdeen: Gigantisch: Der grösste Bunker der Welt.
Gigantisch: Der grösste Bunker der Welt.

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DIE EXZENTRISCHE NATUR HAT CRUDEN BAY ZUM GEHEIMTIPP UNTER GÄSTEN GEMACHT. EINHEIMISCHE, DIE DEN PLATZ REGELMÄSSIG SPIELEN, VERRATEN UNS, DASS SIE DAVON GENERVT SIND.
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Tatsächlich gibt es in der Umgebung von Aberdeen sogar einige Drehorte, allen voran die Ruine des Dunnottar Castle im Süden der Stadt. Sie bildet die Vorlage für das Schloss im Pixar-Film "Merida", findet sich in Mel Gibsons Adaption von "Hamlet" und hat in "Victor Frankenstein" mit Daniel Radcliffe einen Auftritt. Ein anderes Schloss mit Verbindungen zu einem Horrorklassiker kann man sogar sehen, ohne den Golfplatz zu verlassen. Im Cruden Bay Golf Club lässt sich an zahlreichen Stellen ein Blick auf New Slains Castle erhaschen, das Bram Stoker zu seinem Roman "Dracula" inspiriert haben soll. Der berühmte Schriftsteller war selber kein Golfer, wusste aber genau, was die Hauptattraktion von Cruden Bay ist. So schrieb Stoker 1902 in seinem Roman "Das Geheimnis des Meeres" über drei Figuren: "Ich fragte mich, was sie in Cruden machten, da sie keine Golftaschen dabeihatten."

Der Platz, der in diesem Jahr seinen 125. Geburtstag feiert, gehört auf die Bucketlist jedes Golfers, weil er eine Ansammlung an unvergesslichen Golflöchern bietet. Ginsterbüsche, traumhafte Ausblicke auf ein idyllisches Fischerdorf und die Nordsee, extreme Höhenunterschiede oder blinde Abschläge: Nahezu jedes der 18 Löcher ist ein Unikat. Keines brennt sich jedoch so in die Erinnerung ein wie Loch 14. Das Par 4 liegt an einer Stelle des Platzes, an der man nicht unbedingt ein Signature Hole vermuten würde. Obwohl die Nordsee in unmittelbarer Nähe ist, verdeckt eine Düne nicht nur den Blick auf das Meer, sondern auch auf große Teile des Fairways. Entsprechend neigt man dazu, den Abschlag weiter links zu spielen, damit den Ginster ins Spiel zu bringen und gleichzeitig auch noch die Bahn länger zu machen. Das ist umso fataler, da auch der Schlag ins Grün blind gespielt werden muss - schließlich trägt das in einer Düne versenkte Grün nicht ohne Grund den Namen "Badewanne". Besonderheiten, an denen sich die Geister ebenso scheiden wie an den zwei direkt aufeinanderfolgenden Par 3.

Die exzentrische Natur hat Cruden Bay zum Geheimtipp unter Gästen gemacht. Einheimische, die den Platz regelmäßig spielen, verraten uns, dass sie davon genervt sind und stattdessen auf den noch etwas weiter nördlich gelegenen Peterhead Golf Club ausweichen.

Aberdeen: Dreister Fake: ein sogenannter 'Bunksy'Aberdeen: Dreister Fake: ein sogenannter 'Bunksy'
Dreister Fake: ein sogenannter 'Bunksy'
Auf dessen größte Exzentrik trifft man gleich bei der Auffahrt. Um vom Parkplatz zum Clubhaus zu kommen, muss man erst einmal über eine 40 Meter lange Brücke laufen. Sie überquert den River Ugie, an dem das erste Loch äußerst reizvoll entlangführt. Danach wird es jedoch monoton. Die nächsten fünf Bahnen dümpeln uninspiriert auf flachem Gelände hin und her. Doch sobald man mit Loch 6 die Dünen erreicht, schaltet Peterhead plötzlich einige Gänge höher. Die passenderweise "Valley" genannte Bahn 7 führt runter auf ein Fairway, das zwischen zwei Dünen eingebettet ist, die ein bisschen wie eine kleine Halfpipe wirken. Zwar gibt es zwischendurch noch einmal Leerlauf, da die Bahnen 12 bis 14 über Gelände führen, das wirkt, als sei Bob der Baumeister 20-mal mit der Dampfwalze drübergefahren. Doch kurz vor dem Grün der 15 ging ihm der Sprit aus, wodurch zwei coole Hügel im Fairway die Annäherung interessant gestalten. Dieser ondulierte Charakter bleibt bis zum Finish erhalten, sodass man zumindest nachvollziehen kann, warum die Locals diesen Platz so schätzen. Hinzu kommt, dass man für die Feierabendrunde nicht mal 50 Euro zahlen muss. Spottbillig für eine Gegend, in der normalerweise kaum etwas günstig ist.

Die hohen Lebenshaltungskosten auf dem Golfplatz und abseits davon sind der guten Wirtschaftslage von Aberdeen geschuldet. Als Hochburg des Granitabbaus, der auch die Architektur der Stadt beeinflusst hat, war Aberdeen schon im 19. Jahrhundert eine wirtschaftliche Macht. Doch Anfang der 1970er wurde die Stadt zur schottischen Version von J.R. Ewings Southfork Ranch. Vor der Küste Aberdeens entdeckte BP das Forties Oil Field, dessen 600 Millionen Tonnen Erdöl die Granite City seither vergolden. Während der folgenden zehn Jahre zogen rund 40.000 neue Einwohner in die Stadt, die von nun an die höchste Konzentration an britischen Millionären beheimatete.

Aberdeen: Sensation: erstes Par 8 eingeweiht
Sensation: erstes Par 8 eingeweiht
In den Jahrzehnten danach erarbeitete Aberdeen 20 Prozent der schottischen Wirtschaftsleistung und war damit einer der treibenden Faktoren für die Unabhängigkeitsbestrebungen Schottlands. Als 2014 jedoch der Ölpreis zusammenbrach, fokussierte sich die Region auf alternative Einnahme- und Energiequellen.

Heute ist Aberdeen ein Hotspot für die Tech-Industrie und setzt auf Windenergie. Auch von Royal Aberdeen und Murcar ist der Blick auf Windkraftanlagen omnipräsent. Für einen Golfplatzbesitzer unerträglich: Donald Trump verklagte die schottische Regierung und erzielte vor Gericht das gewohnte Ergebnis. Er verlor mit Pauken und Trompeten und musste dem Land sogar 290.000 US-Dollar Anwaltskosten erstatten. Ganz so schlimm kann er die Windräder dann übrigens doch nicht finden: Aktuell plant er einen zweiten Golfplatz für sein Resort. Ganz wie Aberdeen ist eben auch der 21-fache Clubmeister (eigene Angabe) ein Mann der Kontraste.

 
WOHNEN

WOHNEN

KILMARNOCK ARMS HOTEL
Mit nur 19 Zimmern fällt das urige Dreisternehotel in die Kategorie "Klein, aber oho". Seit mehr als 130 Jahren hat das Gästehaus in Cruden Bay seine Pforten geöffnet und sich dabei einen Platz in den Geschichtsbüchern der Literatur gesichert. Ein Gästebuch aus dem Jahr 1893 zeugt von der Anwesenheit Bram Stokers, der hier zwei Jahre später die ersten Kapitel seines Literaturklassikers "Dracula" verfasst haben soll. Glücklicherweise wird hier jedoch nicht Blut, sondern Whisky getrunken. Mehr als 80 Sorten umfasst die Karte des "1888 Restaurant", das zusätzlich mit lokaler Kulinarik aufwartet. www.kilmarnockarms.com

Golfplätze in der Region

CRUDEN BAY

CRUDEN BAY

18 Löcher, Par 70, 6.043 Meter

Adresse
Aulton Road, Cruden Bay,
Peterhead AB42 0NN
Tel. +44 (0)1779.812285
crudenbaygolfclub.co.uk

Greenfee
205 Euro (Mo.- Fr.), 225 Euro (Sa. & So.), 135 Euro (April & Oktober)

Der 1899 eröffnete Platz verdankt seine Entstehung wie so viele schottische Clubs der Eisenbahn. Im Auftrag der Great Scotland Railway Company legte Old Tom Morris den Golfplatz sehr natürlich zwischen monumentalen Dünen an, die bis heute nichts von ihrer Faszination verloren haben. Seit einem Redesign von Tom Simpson und Herbert Fowler im Jahr 1926 ist der Platz - abgesehen von nach hinten versetzten Teeboxen - weitestgehend unverändert geblieben und sorgt mit seinem exzentrischen Layout bei Golfern weiterhin für einen Mix aus Entzücken und Verwunderung.

Killerloch
So cool das Signature Hole 14 auch ist: Direkt danach folgt ein Par 3, das sich noch mehr in die Gehirnwindungen einbrennt. Das liegt zum einen an der Teebox, die direkt neben dem "Bath Tub"-Grün der 14 und dem Strand von Cruden Bay liegt. Zum anderen ist der Tee-Shot über eine Düne auf ein nicht zu sehendes Grün in 178 Metern Entfernung schlichtweg spektakulär.
crudenbaygolfclub.co.uk

ROYAL ABERDEEN

ROYAL ABERDEEN

18 Löcher, Par 71, 6.324 Meter

Adresse
Links Road, Bridge of Don,
Aberdeen, AB23 8AT
Tel. +44 (0)1224 702571
royalaberdeengolf.com

Greenfee
290 Euro, 130 Euro (ab 24. Oktober)

Der 1780 gegründete Club zählt zu den zehn ältesten der Welt, zog allerdings erst mehr als 100 Jahre später an seinen heutigen Ort. Nachdem die Simpson-Brüder den Platz gestaltet hatten, wurde er in mehreren Etappen von Tom Simpson (nicht verwandt), J. H. Taylor, James Braid und Donald Steel in seine heutige Form gebracht. Die spektakulären Front Nine führen durch die Dünen Richtung des Murcar Links, die weniger schönen, aber nicht minder herausfordernden Back Nine parallel dazu auf höherem Gelände zurück zum edlen Clubhaus.

Killerloch
Ein Par 3 von 134 Metern? Wirklich? Was auf der Scorekarte wie ein Witz wirkt, kann sich zu einem echten Biest entwickeln. Je nach Wind ist auf dem Tee vom Wedge bis zum Hölzchen alles möglich - und die Landezone ist nicht gerade simpel. Mit zehn Bunkern ist das Grün besser verteidigt als ein Prepper, der auf einen Atomkrieg spekuliert.
royalaberdeengolf.com

MURCAR LINKS

MURCAR LINKS

18 Löcher, Par 71, 5.958 Meter

Adresse
Bridge of Don,
Aberdeen, AB23 8BD
Tel. +44 (0)1224.704354
murcarlinks.com

Greenfee
175 Euro (Mo.- Fr.), 205 Euro (Sa. & So.)

Archie Simpson ist Aberdeens Godfather of Golf. In Cruden Bay half er Old Tom Morris, in Royal Aberdeen war er Head-Pro und verantwortete mit Bruder Robert das erste Layout. Doch nebenan in Murcar ist am meisten von seiner Arbeit erhalten. 1909 legte er die Bahnen zwischen flachem Land und mächtigen Dünen an, von denen es fantastische Ausblicke auf die Nordsee und das ondulierte Gelände gibt. Übrigens: Wer die Runde kürzer macht und auf die gelben Tees geht, sollte aufpassen. Dort wird das Par 71 zum Par 69.

Killerloch
Loch 7 nennt sich "Serpentine", ein treffender Name für das 387 Meter lange Par 4. Die erhöhte Teebox bietet nicht nur einen tollen Ausblick, sie rückt auch die Herausforderungen der Bahn ins Auge. Als da wären: ein Graben, der zweimal die Bahn kreuzt, ein Ginster-Meer auf der linken Seite und vier Bunker, die das enge, geschwungene Fairway noch schmaler erscheinen lassen.
murcarlinks.com

MURCAR LINKS

PETERHEAD CRAIGEWAN LINKS

18 Löcher, Par 70, 5.777 Meter

Adresse
Riverside Drive,
Peterhead AB42 1LT
Tel. +44 (0)1779.472149
peterheadgolfclub.co.uk

Greenfee
145 Euro, 35 Euro (Twilight Rate)

Auch in Peterhead hat Archie Simpson seine Spuren hinterlassen. Er erweiterte die 1892 von Willie Park jr. gebauten neun Löcher 1908 zu einem vollwertigen 18-Loch-Platz. Der Kurs ist dabei ein wenig wie ein Dreiakter im Theater angelegt: Der Beginn ist langsam und unspektakulär, ab Loch 7 erreicht das Layout die schönsten Dünen des Geländes und die letzten fünf Löcher sorgen für ein schlüssiges, befriedigendes Ende der Runde.

Killerloch
Loch 17 trägt den Namen des Platzes: Craigewan. Das von den weißen Tees nur 286 Meter kurze Par 4 bietet vom Tee bereits einen Blick auf die Nordsee, dafür ist jedoch das Fairway hinter einem Hügel nicht zu sehen. Doch wenn man den Hügel überwunden hat, bietet sich ein toller Blick. Der wird noch auf regender, wenn Rückenwind herrscht oder man von Gelb abgeschlagen hat. Schließlich fragt man sich, ob man möglicherweise die zwei Hügel vor dem Grün überwunden hat und bereits den Putter zücken kann.
peterheadgolfclub.co.uk

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