Das wussten Ricarda und Alex Russ natürlich nicht, als sie sich vor 13 Jahren in einer Bremer Bar kennenlernten und ihre Nummern austauschten. Mittlerweile sind sie längst verheiratet, haben sinnigerweise unter der postalischen Anschrift Alte Schnapsfabrik die Online-Marketingagentur addwert gegründet, zwei Kinder in die Welt gesetzt und vor dreieinhalb Jahren mit dem Golfspiel begonnen. Und wurden infiziert. Die Beschäftigung mit diesem herrlichen Sport hat bei Rookie Alex schnell zu einer Weisheit von ergreifender Schlichtheit geführt: Golfbälle sind Verbrauchsgegenstände. Bei einem Marketingmenschen durch und durch beginnen in solch einem Moment sofort mehrere Synapsen, zu kooperieren und die nächste logische Erkenntnis auszuspucken: Es gibt also einen Markt dafür! So weit, so richtig. Dass einem dieser Markt durchaus gesättigt erscheinen kann, hat die beiden nicht abgeschreckt, ihre Idee weiterzuspinnen. Und nach intensiven Recherchen kamen sie zu der Erkenntnis, es fehle eindeutig an einer coolen Golfballmarke. "Wenn du eine Jeans kaufst, soll die doch auch möglichst cool sein. Und du hast mit Sicherheit eine Lieblingsmarke", erklärt der 39-jährige Werbefachmann.
»STATTDESSEN HAT ER DIE FIRMA "PLAYLIKEAGOD" GENANNT UND VIER GRIECHISCHE GÖTTER INS RENNEN GEWORFEN.«
Jedenfalls ist das Ziel, eine coole Ballmarke zu kreieren, in jeder Hinsicht gelungen. Optik der Bälle und der Verpackung sind genauso stimmig wie die auf der griechischen Mythologie basierende Marketing-Philosophie. Denn Hacker wie Pro weiß: Wer Erde, Wasser, Wind und Sonne beherrscht, ist guten Scores ein entscheidendes Stück näher gekommen. "Abgesehen vom coolen Branding", so Russ, "wussten wir jedoch auch, dass unser Ball kein Billigmist sein darf, der uns um die Ohren fliegt, sondern qualitativ top sein muss." Die Gralshüter des R&A in St. Andrews und die USGA haben die Produkte der Bremer Neueinsteiger jedenfalls in die Liste der auf der European Tour und weltweit bei allen Turnieren zugelassenen Bälle aufgenommen. Und auch Tester wie Patrick Emery, Teaching-Pro und Leiter der Academy in St. Leon-Rot, waren von den Newcomer-Kugeln begeistert, bei denen manch einer erst auf den zweiten Blick erkennen dürfte, dass die Augenhöhlen im Totenkopflogo durch zwei Eisenschläger symbolisiert werden. Für Russ steht das Totenkopflogo für den Rock'n'Roll, der dem Wesen des Golfsports hierzulande seiner Meinung nach so fehlt. Ist er aber nicht gleichzeitig als Symbol der Vergänglichkeit zu verstehen und steht somit letztlich für die Natur und Bestimmung eines jeden Golfballs?
Die wenigsten Amateurgolfer spüren beim Schlagen tatsächlich Unterschiede. In diesem Punkt stimmt mir Russ nicht zu. Und er geht sogar noch weiter: "Neben der Qualität kommt es vorwiegend auf den Spaß und das Ansprechgefühl an", erläutert Russ die Motivation, die zum Kauf der FOREACE-Bälle führen soll. Ich überlege, ob mein persönliches Ansprechgefühl - by the way: was für ein geniales Wort! - schon jemals abhängig war von der Ballmarke, die da auf dem Tee kauerte. Und ich spüre sofort, dass es mit diesen herrlich unbedarften Zeiten vorbei sein wird. Ab sofort werde ich beim Ansprechen darüber nachdenken, welcher Ball da thront. Und ich werde mich schlecht fühlen, sollte es irgendeine gefundene No-Name-Kugel sein. Es kommt aber noch schlimmer: Ich selbst - wie gesagt, absolut unanfällig für jegliche Form von Aberglauben - habe auf den ersten Runden mit Helios tatsächlich das Gefühl gehabt, mit dem Golfgott im Bunde zu sein. Der Ball rollte so eben nicht in den Bunker, blieb Zentimeter vor der Ausgrenze liegen, prallte vom Baumstamm zurück aufs Fairway. Zufall?
Es muss ja im Leben nicht immer alles erklärbar sein. Allein der Name FOREACE ist ja schon ein Widerspruch in sich. Er besteht aus dem Warnruf nach schlechten Schlägen und dem Synonym für ein Hole-in-one, dem Sehnsuchtsziel aller Golfspieler schlechthin. Ein Widerstreit zwischen Vernunft und Gefühl, Ethos und Triebwelt, Gut und Böse - in dem der Mensch auf der Suche nach Erleuchtung naturgemäß überfordert sein muss und sich den Rat eines Theologen einholen sollte - oder noch besser: der Götter!