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BMW PGA Championship

Before Sunrise

Von Rüdiger Meyer, Fotos: Rüdiger Meyer

In den Geschichtsbüchern der BMW PGA Championship 2025 taucht nur Sieger Alex Norén auf. Doch die wahren Helden in Wentworth waren Paul, Ian, Michael, Peter und Hunderte andere, die ihre Nachtruhe opferten, damit pünktlich zum Sonnenaufgang die ersten Abschläge fliegen konnten.

Machen wir uns nichts vor: Wir Journalisten sind eine notorisch bettlägerige Truppe. In vielen Redaktionen gilt man schon als Frühaufsteher, wenn man pünktlich um zehn Uhr am Schreibtisch sitzt. Entsprechend geht es auch bei Golfturnieren im Mediacenter zu. Wenn nicht gerade Ryder Cup ist, haben die Frühstarter oftmals schon die Front Nine beendet, wenn die Ersten von uns eintrudeln. Dies gilt besonders für die BMW PGA Championship, die an den ersten beiden Tagen bereits um 6:40 Uhr die ersten Gruppen auf die Runde schickte. Zwar ist dies kein Rekord für die DP World Tour, da beim Qatar Masters unter anderem Nicolai von Dellingshausen bereits um 6:10 Uhr - drei Minuten vor Sonnenaufgang - auf dem Tee stand, aber bei keinem anderen europäischen Turnier müssen sich die Spieler früher aus dem Bett quälen. Dabei vergisst man gerne, dass sie nicht die Einzigen sind. Hinter jedem Turnier steckt ein enormer logistischer Apparat, der weit vor der ersten Tee-Time sicherstellen muss, dass alles seinen geordneten Ablauf nehmen kann - insbesondere wenn es sich wie hier um ein Top-Turnier der DP World Tour handelt. Um diese Unsung Heroes zu würdigen, haben wir am Freitag der BMW PGA Championship einmal unsere journalistischen Grundsätze über den Haufen geworfen, den Wecker auf 4:30 Uhr gestellt und uns in die Riege der Frühaufsteher eingereiht.

Als wir 60 Minuten später aus dem Hotel treten, sind wir dennoch nicht die Ersten an diesem Morgen. Der Schwede Marcus Kinhult und der zehn Minuten später startende Engländer Alex Fitzpatrick sind bereits im Wentworth Golf Club, um für ihre Abschläge um 6:50 Uhr bzw. 7:00 Uhr fit zu sein. Wie ihnen das gelingen soll, ist uns ein Rätsel, denn viel Schlaf können sie nicht getankt haben. Am Vortag hielt eine große Lieferdienstkette eine Betriebsfeier ab, deren Bässe die in die Jahre gekommenen Wände unseres Spielerhotels bis tief in die Nacht erschütterten. Zum Glück müssen wir nicht selber fahren, denn wie die Spieler kommen wir in den Genuss des kostenlosen Shuttle-Services von Hauptsponsor BMW. Obwohl die Abholzeit auf 5:40 Uhr festgelegt war, steht unser Fahrer Ian bereits abfahrbereit vor dem Hotel und ist während der 15-minütigen Fahrt zur Anlage in bester Plauderlaune.

Ian und all seine Kollegen, die uns in dieser Woche chauffieren, kommen nicht nur hauptberuflich als Fahrer bei globalen Sportgroßereignissen zum Einsatz, sondern sind auch begeisterte Golfer. Professionell ist auch, dass sie sich die Enttäuschung nicht anmerken lassen, statt Rory McIlroy, Jon Rahm oder Tommy Fleetwood einen Medienvertreter durch die Gegend kutschieren zu müssen. Wir sind an diesem Morgen die erste Fahrt für Ian, der nur zehn Minuten entfernt von Wentworth wohnt und entsprechend mehr Schlaf bekommen hat als unser Donnerstags-Fahrer Peter, dessen Nacht um drei Uhr zu Ende war. Pete ist ein absoluter Routinier, was große Sportereignisse angeht, ist er doch seit 20 Jahren bei Olympischen Spielen in Einsatz. Sein anstrengendster Job war bei den vergangenen Sommerspielen in Paris, wo ihm die Verkehrsführung den letzten Nerv raubte. Ein absoluter Traum waren hingegen die Winterspiele 2018 in Pyeongchang. "Ich habe selten eine perfektere Organisation erlebt. Die Koreaner haben es als persönliche Beleidigung empfunden, wenn eine Schneeflocke auf der Straße lag", erinnert er sich mit einem Schmunzeln.

BMW PGA Championship: Caddie-Check: am Leg Day immer ganz vorne dabei
Caddie-Check: am Leg Day immer ganz vorne dabei

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MEIN WECKER HAT UM 3:55 UHR GEKLINGELT. 45 MINUTEN SPÄTER WAR ICH AUF DER ANLAGE UND BIN DIREKT IN DEN FITNESSTRAILER.
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Die BMW PGA Championship ist im Vergleich zu Olympia ein tiefenentspannter Job, auch wenn die Staus um Wentworth gerade am Nachmittag nervig sind. Herausfordernd ist dabei vor allen Dingen das Schichtsystem des Fahrdienstes. Sämtliche Fahrer operieren im Spät-früh-System, das heißt, wer an einem Tag den Spätdienst hat und die Spieler, Betreuer und Offiziellen bis 21/22 Uhr vom Platz zurück in die umliegenden Hotels fährt, muss am nächsten Tag gleich frühmorgens zwischen drei und fünf Uhr wieder zum Dienst antreten. Was für Außenstehende äußerst erschöpfend klingt, wird von den Fahrern selber geliebt, wie wir unisono zu hören bekommen. Jeder von ihnen begründet es auf die Art, wie es nur Briten können: "Dafür kann ich am Nachmittag in den Pub gehen." Als Ian uns um 5:45 Uhr am Wentworth Golf Club abliefert, trennen ihn aber noch acht Stunden vom Feierabendbier. Wir verabschieden uns und wünschen ihm, dass seine nächste Fahrt ihm einen Beifahrer beschert, mit dem er die Jungs in seinem Heimatclub mehr beeindrucken kann als mit uns.

Unser erster Weg führt uns ins Media Center, vor dem normalerweise ein Sicherheitsbeamter akribisch darauf achtet, dass auf dem Akkreditierungsschein die richtige Superzahl eingetragen ist. Jeder geschützte Bereich des Turniers ist mit einer Ziffer versehen, die auf dem persönlichen Turnierpass eingetragen sein muss, um Zutritt zu erhalten. Dadurch ist sichergestellt, dass Spieler in der Players Lounge unter sich bleiben und niemand den Caddies ihr Essen klaut. Medienvertreter dürfen zur Scorerhütte, um im Anschluss Interviews zu führen, in Ausnahmefällen auf die Range und natürlich ins Media Center, wo Pressekonferenzen stattfinden, eine große Leinwand die TV-Übertragung zeigt und warmes Essen serviert wird. Doch um kurz vor sechs Uhr sind hier weder Journalisten noch das offizielle Presseteam der DP World Tour zu sehen. Und niemand überprüft, ob wirklich die Fünf auf unserem Ausweis steht.

An anderer Stelle ist die Security jedoch selbst am frühen Morgen überambitioniert. Ein Security-Beamter hält uns davon ab, den öffentlichen Gehweg hinter dem ersten Tee zu betreten, sodass wir den Weg von der anderen Seite nehmen und auf Michael treffen. Seine Aufgabe an diesem Morgen ist es sicherzustellen, dass niemand den heiligen Rasen der ersten Teebox betritt. Michael ist seit 5:30 Uhr auf der Anlage, hatte allerdings von seinem Hotel noch eine 40-minütige Anfahrt hinter sich zu bringen. Als wir ihn fragen, ob es für ihn hart war, an diesem Morgen aus dem Bett zu kommen, outet er sich als Frühaufsteher, beklagt aber eine besondere nächtliche Herausforderung: "Ich muss mit meinem Chef in einem Zimmer schlafen, der leider sehr laut schnarcht." Aus diesem Grund war für ihn das frühe Aufstehen eher eine Erlösung als eine Qual.

40 Minuten vor der ersten Tee-Time wird derweil das Putting-Grün deutlich belebter. Weil die Sonne noch nicht aufgegangen ist, man bei Dunkelheit Grüns aber ebenso wenig lesen kann wie Bücher, wurde nebenan ein Flutlichtmast mit Benzinmotor aufgestellt, in dessen Scheinwerferlicht Guido Migliozzi, Alex Fitzpatrick, Ben Schmidt und Co. ihre Trainingshilfen aufbauen und üben, wie im Schlaf zu putten - eine Beschreibung, die um 6:30 Uhr fast wörtlich zu nehmen ist. Auch 50 Meter weiter auf der Driving Range herrscht bereits emsiges Treiben. Während der Caddie von Niklas Nĝrgaard das Bag seines Chefs sträflich unbeaufsichtigt in einer der Abschlagboxen abgestellt hat, studiert Scott Jamieson die Daten seines Trackman-Monitors. Richie Ramsay führt derweil noch letzte Abstimmungen an seinem Schwung durch. Jedoch ist er nicht wie unsereins vom Parkplatz direkt auf die Range gegangen. Sein Morgen begann schon deutlich früher, wie uns der Schotte nach der Runde verrät. "Mein Wecker hat um 3:55 Uhr geklingelt. 45 Minuten später war ich auf der Anlage, bin direkt in den Fitness-Trailer und habe mein Warm-up gemacht, damit mein Körper bereit ist. Für mich ist das Warm-up unglaublich wichtig; seit ich 40 geworden bin, dauert es eine Weile, bis mein Körper in Schwung kommt", geht der vierfache European-Tour- Sieger ins Detail. "Bewegung ist der Schlüssel - im Englischen sagen wir auch: ,Motion is lotion'. Als ich vor 18 Jahren Profi wurde, waren morgens nur ein paar Leute im Fitnessraum, um sich aufzuwärmen. Jetzt sind alle guten Spieler und auch alle jungen Spieler vor ihrer Runde da. Weil die Bälle heute härter geschlagen werden, wächst nun mal die Verletzungsgefahr." Nach einem kurzen Frühstück und einem Tee in der Players Lounge beginnt der Schotte mit der eigentlichen Routine. "Ich mache meine Übungen mit dem Putter, um ein Gefühl für die Geschwindigkeit der Grüns zu bekommen, gehe anschließend auf die Driving Range, um ein paar Bälle zu schlagen, und schließlich rüber aufs erste Tee."

BMW PGA Championship: Der Schildbürger zeigt das Streich-Ergebnis (r.)BMW PGA Championship: Der Schildbürger zeigt das Streich-Ergebnis (r.)
Der Schildbürger zeigt das Streich-Ergebnis (r.)
Dort hat sich bereits Alastair Scott eingerichtet, der 2016 die Position als offizieller Starter der DP World Tour vom legendären Ivor Robson übernommen hat. Scott spannt im spärlichen Licht der gerade aufgehenden Sonne seinen grünen Schirm auf, füllt seinen Vorrat an Tees, legt fein säuberlich die Startliste auf sein Pult, ordnet die Scorekarten und stellt seinen ganzen Stolz auf, einen vollautomatischen Bleistiftanspitzer. Um Punkt 6:40 Uhr nimmt der Schotte das Mikrofon in die Hand und schon ist aus den Lautsprechern Alastair Scotts unverwechselbare Stimme zu hören: "Herzlich willkommen zur zweiten Runde der BMW PGA Championship!" Dass die Tribüne vollkommen leer ist und auch hinter dem Abschlag gerade mal drei Menschen stehen, ist egal. Ordnung muss nun mal sein. Dies gilt auch für die korrekte Aussprache der Namen. Sein erster ist an diesem Morgen eine echte Herausforderung, schließlich eröffnet der Thailänder Kiradech Aphibarnrat den Reigen. "Als Aphibarnrat auf die Tour kam, wusste niemand, wie man seinen Vornamen ausspricht", verriet Scott vor einigen Jahren in einem Video der European Tour. "Ich fragte ihn: ,Kiradeck oder Kiradesch?' Er sagte: ,Weder noch. Es ist Kirade!'" Alastair Scott meistert die Herausforderung souveräner als Aphibarnrat, der seinen ersten Abschlag ebenso in den rechten Fairway-Bunker verzieht wie direkt nach ihm der Spanier Manuel Elvira.

Ein interessierter Beobachter der ersten Drives ist auch Paul, der an der ersten Bahn dafür sorgt, dass kein Zuschauer illegal das Fairway kreuzt. Weil die Tore für das Publikum erst seit zehn Minuten offen sind und kaum jemand die ersten Gruppen begleitet, hat er Zeit, von seinem Morgen zu erzählen. Um sechs Uhr gab es erst einmal eine Teambesprechung für alle Freiwilligen im Wentworth Golf Club, die an diesem Morgen ungewöhnlich stark frequentiert war. Eine Gewitterunterbrechung hatte am Donnerstag dafür gesorgt, dass nicht alle Spieler ihre Runden beenden konnten, sodass um 7:45 Uhr auch schon die Bahnen 16, 17 und 18 mit Volunteers besetzt sein müssen. Für Paul war die gestrige Regenpause kein Problem, sein Arbeitsplatz ist nur 100 Meter vom Volunteer Headquarter entfernt, "aber alle am anderen Ende der Anlage mussten hoffen, in einen der Busse springen zu können, die die Spieler und Caddies zurück in das Championship Village bringen".

Um die Monotonie dieses Jobs - Seil abhängen, Seil aufhängen - aufzubrechen, werde "ein Military Drill" durchgeführt, erklärt Paul. Alle halbe Stunde rotieren vier Freiwillige ihre Positionen und werden dabei im Wechsel von einem Springer abgelöst. "Das klappt in der Theorie jedoch besser als in der Praxis", gibt Paul zu. Für ihn ist es das zweite Mal bei der BMW PGA Championship und sein zweiter Job als Freiwilliger in diesem Jahr. "Ich habe im Juli bei der Senior Open in Sunningdale gearbeitet. Das war natürlich eine Nummer kleiner und entspannter als hier." Trotzdem absolviert Paul an diesem Tag eine Doppelschicht und ist den gesamten Tag im Einsatz. Dafür bleibt er am Sonntag daheim. "Sonst bekomme ich Ärger zu Hause, wenn ich die ganze Woche auf dem Golfplatz verbringe", sagt er augenzwinkernd.

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Mittlerweile hat uns die zweite Gruppe mit Richie Ramsay passiert. Obwohl Schotten als notorisch kälteresistent gelten, hat er sich für eine Wollmütze entschieden. Auch sein Caddie Angus Hay ist dick in Regenklamotten eingehüllt. Doch bereits am zweiten Abschlag lässt er seine Hosen herunter und läuft in Shorts herum, schließlich haben die ersten Sonnenstrahlen die Außentemperaturen bereits auf schottisches Hochsommerniveau angehoben: 13 Grad Celsius.

Als Angus vier Stunden später die Runde beendet hat, wollen wir von ihm wissen, ob die englischen Veranstalter immer noch nicht "Braveheart" überwunden haben und schottische Spieler mit frühen Tee-Times bestrafen. Immerhin hatte Richie Ramsay in den Jahren zuvor bereits Startzeiten um 6:40 Uhr, 7:35 Uhr und 7:20 Uhr bekommen. Die Wahrheit ist allerdings relativ profan: "Ursprünglich wurde das Turnier als ein Event mit begrenzten Plätzen angekündigt", erklärt Angus. "Später haben sie noch zwölf Startplätze hinzugefügt und dabei gleich gesagt, dass diejenigen, die als Letzte ins Feld rutschen, entweder als Erste oder als Letzte starten müssen." Dass er das Ganze locker nimmt, liegt auch am Spiel seines Bosses, der nach zwei Runden Platz sechs belegt. "Richie hat so gut gespielt, dass er mir die Chance gibt, morgen wieder etwas auszuschlafen. Wir müssen wahrscheinlich erst in 27 Stunden wieder los."

Auch für Ramsay ist dies eine Erleichterung, seine Vorbereitung ändert er deshalb allerdings nicht. "Glücklicherweise kann ich sehr gut Power Naps halten. Ich werde jetzt gleich etwas essen, einen Kaffee trinken und dann für 20 Minuten die Augen zumachen. Der Schlüssel ist, immer den gleichen Prozess beizubehalten. Das ist natürlich einfacher gesagt als getan, wenn an einem Tag der Wecker um neun Uhr morgens klingelt und am nächsten um vier Uhr in der Nacht, aber man muss versuchen, mindestens acht Stunden vorher ins Bett zu kommen und ausgeruht zu bleiben."

Mit einer Tee-Time um 12:50 Uhr ist dies natürlich leicht gesagt, für die vielen Helfer wird der nächste Tag dagegen wieder so früh beginnen - etwas, was auch Ramsay nicht hoch genug bewerten kann: "Wir haben heute früh als Zweite abgeschlagen und alle Marshals waren schon da. Das ist wirklich beeindruckend um diese Uhrzeit und bei diesen Temperaturen!", schwärmt er. "Die BMW PGA Championship hat etwas, was man nicht künstlich erschaffen kann. Dies ist wirklich unser Flagship-Event."

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