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Interview

Michael Wech

Von Rüdiger Meyer, Fotos: Bernhard Langer, Fred Schöllhorn, Michael Wech, Magenta TV, Broadview, Jonas Köck

Auf Magenta TV ist aktuell 'Bernhard Langer: Der ewige Champion' zu sehen. Regisseur Michael Wech blickt im Interview hinter die Kulissen seiner Doku, die ihn in Langers zwei Wohnzimmer führte: In Boca Raton und Augusta National.

Wer eine Doku über Bernhard Langer dreht, ist sicher golfbegeistert, oder?
Ich bin ganz offen: Zuvor hatte ich mit Golf keine Berührungspunkte. Weder hatte ich je auf einem Golfplatz gestanden noch jemals Golf im Fernsehen gesehen. Trotzdem bin ich sehr froh, dass Broadview und Magenta TV das Vertrauen hatten, mir diesen Film anzuvertrauen.

Hilft es, wenn man das Ganze eher aus der Perspektive eines Nicht-Golfers dreht? Vermutlich spielt die Mehrheit des Publikums ebenfalls kein Golf.
Das könnte ich mir schon vorstellen. Die große Frage ist ja: Was genau will der Film leisten? Unsere Ausgangsfrage lautete: Was zeichnet diesen Menschen aus unabhängig von technischen Finessen und Fähigkeiten? Deshalb, glaube ich, ist es hilfreich, wenn jemand den Film macht, der nicht ausschließlich auf den Sport fokussiert ist. Und wenn ich mir noch eine kleine Anekdote erlauben darf, die nicht im Film zu sehen ist: Wir hatten ein Interview mit Gary Player, der sich eine Dreiviertelstunde Zeit genommen hat und am Ende sagte: "Ich bin seit 70 Jahren Profisportler. Das sind die besten Fragen, die mir in 70 Jahren gestellt wurden." Das fühlte sich natürlich an wie ein kleiner Ritterschlag für uns.

War die Zustimmung von Bernhard Langer und seinem Umfeld schon da, als du dazugekommen bist?
Die musste unser Produzent Leopold Hoesch erst noch sichern. Das war ein langwieriger Prozess. Die Langers sind, das kann man, glaube ich, sagen, ein Familienclan. Bernhard Langer wird seit Dekaden gemanagt und betreut von seinem Bruder Erwin. Die beiden vertrauen sich vollumfänglich. Wenn man dann ihr Vertrauen gewonnen hat, gehört man dazu. So ist es auch in diesem Fall gewesen. Es war eine sehr intensive und fast schon herzliche Zusammenarbeit über die zwölf Monate.

Merkt man in einem Jahr eine Entwicklung in den Interviews, weil das Vertrauen vielleicht wächst?
Das würde ich nicht sagen. Ich glaube, die Langers sind vom Schlage ganz oder gar nicht. Wenn sie sich einmal entschieden haben, vertrauen sie dir. Ein kleines Beispiel: Als wir in Boca Raton waren, musste der Kameraassistent mit unserem Wagen etwas abholen und kam nicht zurück. Und als wir überlegten, wie wir denn zurück ins Hotel kämen, sagte Bernhard Langer: "Nehmen Sie doch meinen Wagen, hier ist der Schlüssel. Kommen Sie morgen wieder." So ist Bernhard Langer.

Bernhard Langers Familie bleibt normalerweise im Hintergrund. Hier sind sie sehr präsent. Ist das auch als Siegel der Zustimmung zu werten?
Ich finde schon. Die Langers haben sich wirklich geöffnet. In erster Linie sein Bruder mit diesem glänzenden Interview und den würdevollen Worten, die er über das Wesen seines Bruders gefunden hat. Und bei der Familie war das nicht viel anders. Wir haben uns vier oder fünf Tage in Boca Raton buchstäblich eingenistet. Das muss man sich so vorstellen: Das ganze Esszimmer stand voll mit unserem Equipment. Und wir konnten es jeden Abend dort stehen lassen. Das allein zeigt schon, wie offen die Langers waren und wie herzlich sie uns empfangen haben.

Interview:
Was als Erstes auffällt, ist, dass ihr in Augusta National drehen durftet. Es ist bekanntlich notorisch schwer, dort eine Drehgenehmigung zu bekommen. Wie liefen die Verhandlungen?
Als wir mit dem Wunsch an die Langers herantraten, dass wir nächstes Jahr im April gerne in Augusta dabei wären, haben sie abgewinkt und gesagt: "Vergesst es! Das schafft ihr niemals, das ist ausgeschlossen." Dann haben wir uns aber trotzdem bemüht. Ich glaube, wir haben bestimmt sechs einstündige Vorbereitungsgespräche mit den Verantwortlichen von Augusta gehabt. Und vielleicht hat sich diese Hartnäckigkeit ausgezahlt.

Ihr durftet Bernhard Langer in Augusta zu seinem Spind begleiten, was ja für gewöhnlich eine No-go-Zone ist. Gab es gar keine Restriktionen?
Das ist genau wie mit den Langers. Wenn man einmal dazugehört, dann gehört man dazu. Sie haben uns nach diesem harten Anlauf, den wir nehmen mussten, unglaublich herzlich behandelt. Das ist keine Beschönigung, es war wirklich traumhaft. Und ich glaube, es ist uns gelungen, diese einzigartige Atmosphäre einzufangen - allein einmal die Fahrt auf der Magnolia Lane zu erleben, quasi aus den Augen von Bernhard Langer. Das sind Bilder, die man nicht so häufig bekommt.

Ihr habt ein Who's who an Secondary Interviews zusammenbekommen: von Gary Player und Colin Montgomerie über Nick Faldo und Lee Trevino bis hin zu Oliver Kahn und Bob Rotella. Was war für dich persönlich der größte Coup?
Schwer zu sagen, aber Gary Player hat mich einfach als Mensch mit seiner Persönlichkeit doch nachhaltig beeindruckt. Und natürlich als fantastischer Interviewpartner Colin Montgomerie. Es ist einfach eine absolute Freude, mit den Briten - egal in welchem Feld, sei es jetzt Golf, Tennis oder auch Politik - zu sprechen. Oftmals geschieht das auf sehr hohem Niveau und das macht einfach totale Freude.

Gab es auch Absagen bei Interviewanfragen? Ich würde mal vermuten, man könnte zumindest mal den Teams von Tiger Woods und Jack Nicklaus eine vorsichtige Anfrage schicken.
Ja, das haben wir auch gemacht. Ich glaube, Jack Nicklaus haben wir gar nicht gefragt, da es hieß, er sei vielleicht nicht mehr so gut zu Fuß. Tiger Woods haben wir natürlich gefragt, aber da kam noch nicht mal eine Antwort.

Erstaunlich ist, dass Curtis Strange bereit war zu sprechen, weil die Niederlage beim Masters gegen Bernhard wahrscheinlich der größte Stachel seiner Karriere ist.
Ohne die Hilfe von Bernhard Langer hätten wir ihn sicher nicht bekommen. Der hat Fürsprache für uns eingelegt. Das ist natürlich eine Bitte, die die wenigsten abschlagen können. Aber die Frage ist schon sehr gut. Es ging ja in dem Film um Bernhard Langer und deshalb sind vielleicht die Passagen, bei denen man merkt, wie unglaublich diese Niederlage immer noch an Curtis Strange zehrt, ein bisschen ausgespart. Ich würde so weit gehen zu sagen, er hatte in ein, zwei Momenten feuchte Augen - 40 Jahre danach! Das sagt mir eigentlich, mit wie viel Herzblut, Haut und Haaren und allem, was sie besitzen, diese absoluten Spitzensportler dabei sind. Man ist da in so einer Sphäre, die kann man sich als normaler Mensch gar nicht vorstellen.

Interview: Michael Wech (r.)Interview: Michael Wech (r.)
Michael Wech (r.)
Du hast zuvor schon Dokumentarfilme über Boris Becker und Michael Schumacher gedreht. Sind dir beim Werdegang dieser drei Weltstars aus verschiedenen Sportarten Gemeinsamkeiten aufgefallen, die ihren Erfolg erklären können?
Ich glaube, allen gemein ist das Maß an absoluter Hingabe. Wenn man es mit einem Wort beschreiben soll, dann ist es das.

Wie viele Drehstunden kamen alles in allem zusammen? Kannst du das abschätzen?
Genau weiß ich es nicht, aber es waren sehr, sehr viele. Ich vermute mal, wir haben allein neun Stunden an Interviews mit Bernhard Langer. Und wir sind mit einer Kinokamera unterwegs, das ist ein unglaubliches Ding. So erfüllend die Dreharbeiten waren, war es doch auch sehr hart. Ich hätte das nie erwartet. Wir spielen ja gar nicht, wir gucken nur zu, aber bewegen uns natürlich mit den Golfern mit. Unser Konzentrationslevel ist auch hoch, aber natürlich bei Weitem nicht so hoch wie bei den Profis. Und man ist eigentlich nach diesen viereinhalb Stunden komplett erschöpft. Das war unglaublich.

Die fertige Doku ist etwa 97 Minuten lang. War es schwierig, das Ganze darauf zu begrenzen? Oder war das am Ende die logische Länge?
Das Gute am Streaming ist, dass wir keine vorformatierten Längen haben. Trotzdem habe ich in den zurückliegenden Jahren das Gefühl entwickelt, diese Filme müssen weniger als 100 Minuten haben. Und wie immer bei diesen Filmen, die eine sehr lange Karriere in den Blick nehmen, liegt eigentlich die Hauptaufgabe darin, sich zu entscheiden: "Was lasse ich weg?" Es ist ja kein Wikipedia-Eintrag und deshalb wird der zweite Sieg in Augusta bei uns kurz erwähnt, aber nicht erzählt. Es ist deutlich hilfreicher, wenn man sagt: "Ich entscheide mich für fünf, sechs Stationen, die erzähle ich aber richtig." Und aus dieser Erzählung ziehe ich meinen Mehrwert als Zuschauer, um zu begreifen: Was ist das für ein Mensch, was geht in ihm vor?

Was zeichnet Bernhard Langer aus?
Diese unglaubliche Langlebigkeit und Konstanz. Er ist jetzt seit 50 Jahren Profi. Das ist ja fast so, als würde Boris Becker noch in Wimbledon spielen! Und das Zweite ist diese wirklich bewundernswerte Resilienz, immer wieder gegen schwerste Niederlagen anzukämpfen - sich aus diesen Tiefs, die in seinem Fall mit den Yips existenzgefährdend waren, gleich mehrfach in seinem Leben wieder herauszukämpfen. Da muss man schon sagen: höchster Respekt!

Interview:
Ein wahrer Schatz der Doku sind die historischen Aufnahmen von Bernhard Langer, insbesondere die Videos. Stammten die aus dem privaten Fundus der Familie Langer?
Ich glaube, die betreffenden Aufnahmen sind in dem Sinne keine Home-Videos. Das Verblüffende ist, Bernhard Langer hat 1981 bei der Benson & Hedges International Open diesen berühmten Schlag aus dem Baum gemacht und da sind die Engländer auf ihn aufmerksam geworden. Das zeigt ja auch den Stellenwert, den dieser Sport in Deutschland damals hatte - oder eben nicht. Die BBC hat ein Team nach Anhausen geschickt in einer Zeit, als die deutschen Medien noch gar nicht wussten, wer Bernhard Langer ist. Daher stammt ein Großteil dieser Aufnahmen - plus natürlich im Anschluss ein paar Videos von der Familie.

Wir haben dieses Jahr eine große Geschichte mit Bernhard Langer gemacht und es war erstaunlich, wie detailliert er die Ereignisse von vor 40 Jahren noch rekapitulieren konnte. Ist euch das während der Interviews auch aufgefallen?
Ja. Das ist ja auch insofern bemerkenswert, wenn man mal überlegt, wie viele Turniere im Jahr Golf-Profis spielen. Und dann das Ganze mal 50 genommen. Fairerweise muss man sagen: Ob er sich an jedes Turnier so intensiv erinnert wie an Augusta 1985? Womöglich nicht. Trotzdem ist es bestechend, dass Spitzensportler wie Bernhard Langer in der Lage sind, das alles noch einmal zu durchleben.

Ein Höhepunkt der Doku ist die PNC Championship, die Bernhard und Jason Langer im Play-off gegen Tiger Woods und Charlie Woods gewonnen haben. Ihr wart ja eigentlich als neutrale Beobachter dabei, aber ist man da schon ein bisschen mehr involviert, weil man weiß, ein Sieg der beiden wäre super für die Doku?
Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube und sage: ja. Wir waren schon parteiisch. Das lässt sich jetzt, weil es im Film keine riesige Rolle spielt, nicht eins zu eins darstellen, aber die Stimmung im Play-off war unfassbar. Es war wirklich spannend und das ist ja nicht etwas, was man vom Golfsport erwartet.

Du hast am Anfang gesagt, dass du zu Golf keinen Bezug hattest. Ist das Interesse jetzt da?
Selber damit anfangen werde ich nicht. Das hat aber einfach mit dem Zeitaufwand zu tun: Ich wohne mitten in der Stadt, der nächste Golfplatz ist 45 Minuten entfernt. Das kann ich einfach nicht leisten. Aber, und das gilt für das ganze Team, keiner von uns war Golfer, wir konnten auch mit den ganzen Begriffen gar nichts anfangen. Aber alle haben im Laufe dieser Monate verfolgt, wie es gerade um Bernhard Langer und andere steht. Das ganze Team hat Blut geleckt.

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