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Hält fit: Squats am Abend

Ryder Cup 2023 – Teil 2

Hut ab!

Von Jan Langenbein

EINS AUF DIE MÜTZE


Aus "Mollywood" in Paris ist fünf Jahre später "Fleetwood Mac" entstanden, denn wieder einmal ist Tommy Fleetwood das Herz und die Seele einer unschlagbar erscheinenden Ryder-Cup-Paarung, nun eben in Zusammenarbeit mit Rory McIlroy, wie das einstige US-Traumduo Spieth/Thomas am Samstagmorgen erfahren soll. Kaum ist diese Hammerpartie auf dem Platz, entrollen die Ultras auf der Tribüne vor den Augen eines sichtlich berührten Javier Ballesteros, der seinem Vater Seve tatsächlich zum Verwechseln ähnlich sieht, ein riesiges Tifo und sorgen für echte Serie-A-Gänsehautstimmung. Wie schon 2012, als Propellermaschinen "Do it for Seve!" in den Himmel über Chicago schrieben und so das "Miracle of Medinah" einläuteten, verfehlt die Beschwörung des größten europäischen Ryder-Cup-Helden auch elf Jahre später seine Wirkung nicht.

Das riesige Banner ist noch nicht ganz zusammengerollt, da betreten Viktor Hovland und Ludvig Åberg das Kolosseum, um ihren Gegnern Scottie Scheffler und Brooks Koepka eine Niederlage epochalen Ausmaßes zuzufügen. Bereits auf dem elften Grün ist Schluss und das 9&7, mit dem die Europäer das gegnerische Team abfertigen, immerhin aus der Nummer eins der Welt und sechs Major-Titeln bestehend, ist die deftigste Niederlage, die es in der mehr als 100-jährigen Geschichte des Ryder Cup im Klassischen Vierer je zu bestaunen gab. Ein Ergebnis, das Scottie Scheffler nicht nur in Tränen zurücklässt, sondern garantiert auf alle Ewigkeiten in den Rekordbüchern stehen wird. Rechnerisch wäre zwar auch ein 10&8 denkbar, aber man sollte doch realistisch bleiben.

Als "Fleetwood Mac" auf den Spielbahnen 11 und 12 das Kunststück gelingt, zwei Eagles in Folge zu spielen, ist sich Jamie Weir, Journalist bei Sky Sports und bekennender Team-Europa-Superfan, der alle zwei Jahre jegliche Überparteilichkeit über Bord wirft, seiner Sache sicher genug, um auf "Senden" zu drücken: "Mehrere Quellen bestätigen, dass der US-Teamraum zersplittert ist, eine Spaltung, die vor allem von Patrick Cantlay angeführt wird. Cantlay ist der Meinung, Spieler sollten für die Teilnahme am Ryder Cup bezahlt werden, und bringt seine Frustration darüber zum Ausdruck, dass er nicht bezahlt wird, indem er sich weigert, eine Teamkappe zu tragen." Cantlay selbst ist zu diesem Zeitpunkt zusammen mit Xander Schauffele, der wenig später ebenfalls der Meuterei bezichtigt wird, dabei, gegen Jon Rahm und Tyrrell Hatton zu verlieren. Beendet wird dieses Match durch ein Beinahe-Ass des Spaniers auf Loch 17, wo er den Abschlag aus 195 Metern bis auf wenige Zentimeter an die Fahne nagelt. Zu verdanken hat Rahm die ihm sehr entgegenkommende Distanz seinem Vize-Kapitän Edoardo Molinari, denn der Italiener wälzte im Vorfeld unzählige Statistiken und fand heraus, dass Team Europa bei Eisenschlägen zwischen 165 und 195 Metern im Vorteil sein könnte, weshalb drei der vier Par-3-Bahnen von Marco Simone nun diese Längen aufweisen und von den Europäern dominiert werden.

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ZITTRIGE ANDERTHALB STUNDEN SPÄTER ENDET DER RYDER CUP 2023 IN ROM GENAUSO WIE 2018 IN PARIS: MIT EINEM IM WASSERHINDERNIS VON LOCH 16 VERSENKTEN ABSCHLAG DER AMERIKANER.
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Als Patrick Cantlay zusammen mit Wyndham Clark im letzten Match des Tages erneut auf den Platz geht, beweisen die Songtexter auf europäischer Seite, dass sie in der Lage sind, auf das Tagesgeschehen zu reagieren. Cantlay an diesem Nachmittag auf der Anlage zu finden ist äußerst einfach; es gilt nur, den nicht enden wollenden "Hats off to your bank account"-Gesängen - zur "Go West!"- Melodie der Pet Shop Boys, versteht sich - zu folgen. Als der Kalifornier auf den Back Nine endlich versteht, was die johlende und mit ihren Caps winkende Masse von ihm will, gelingt es ihm, diesen offensichtlichen Hohn in Motivation umzuwandeln, und für einen Moment sieht es so aus, als hätte Jamie Weirs Tweet den gleichen Effekt wie der "Amerikanische Golf-Fans sind dumme, dicke Idioten"-Kommentar von Danny Willetts Bruder 2016 in Hazeltine: Team USA zu einer kaum bezwingbaren Einheit zusammenzuschweißen. Schlichen die Amerikaner bislang über den Golfplatz wie Lämmer zur Schlachtbank, ist plötzlich Kampfgeist in der Körperhaltung und Angriffslust in den Golfschlägen zu erkennen. Angestachelt von all dem Spott rasieren Sam Burns und Collin Morikawa die bisherigen Überflieger Hovland/Åberg, Max Homa gewinnt zusammen mit Brian Harman und gibt dabei eine Justin-Thomas-Imitation, die besser ausfällt als das Original, schließlich verliert J.T. zusammen mit Jordan Spieth als einziges US-Duo an diesem Nachmittag. Den Höhepunkt erreicht die rote Welle aber erst, als der barköpfige Auslöser dieses Tumults auf Loch 18 einen 13-Meter-Putt zum Match-Gewinn locht, in dessen Folge es zwischen Rory McIlroy und Cantlays Caddie Joe LaCava beinahe zu Handgreiflichkeiten kommt.

Was bisher wie eine Partie der Harlem Globetrotters gegen die Washington Generals anmutete, hat sich dank eines Tweets und der damit verbundenen amerikanischen Aufholjagd zu einem echten Wettkampf entwickelt. In der abendlichen Pressekonferenz muss sich Patrick Cantlay nicht enden wollende Fragen zur nicht vorhandenen Kappe anhören, die er alle mit "Völliger Quatsch! Ich trage keine Kappe, weil wir keine gefunden haben, die mir passt" kontert. Wie lächerlich diese Antwort ausfällt, ist allen Anwesenden klar, schließlich trug Cantlay bereits 2021 in Whistling Straits keine Kappe, letztes Jahr beim Presidents Cup passten die Caps allerdings wie angegossen. Doch auch auf die Nachfrage, ob es im großzügigen Zeitfenster von 24 Monaten tatsächlich nicht möglich gewesen sei, eine passende Mütze aufzutreiben, gibt Cantlay beharrlich den Leslie Nielsen: "Weitergehen, weitergehen! Es gibt hier nicht das Geringste zu sehen."

Fakt ist, dass weder Cantlay noch Xander Schauffele beim Team-USA-Scouting-Trip mit dabei waren und sich beide zu Beginn der Woche weigerten, eine Einverständniserklärung zu unterschreiben, die den Kamerateams von Netflix gestattet hätte, im Teamraum zu drehen. Zach Johnson ist mit all den Spannungen, die plötzlich in der Luft liegen, heillos überfordert und wiederholt gebetsmühlenartig, wie eng und freundschaftlich sein Team doch anmute. Erst Brian Harman gelingt es, mit einem Witz zu all den "Hate- Gate"-Fragen und dem Nachbohren nach angeblichen Corona-Erkrankungen einiger Spieler für etwas Lockerheit im Raum zu sorgen. "We are all sick of Pat not wearing a hat", erntet sogar vereinzelte Lacher, während auf dem Parkplatz Rory McIlroy immer noch auf 180 ist und einen völlig unschuldigen "Bones" Mackay anbrüllt.

Ryder Cup 2023:

VIEL LÄRM UM NICHTS


Rorys Ärger über Joe LaCavas ebenso merkwürdiges wie unnötiges Gehabe am Samstagabend ist auch zwölf Stunden später noch nicht verflogen und so marschiert die Nummer zwei der Welt mit dem eisigen Blick eines Terminators von Schlag zu Schlag und vermittelt überdeutlich, dass heute nichts und niemand in der Lage sein wird, ihn zu stoppen - Sam Burns schon gar nicht. Viktor Hovland und Tyrrell Hatton tun es dem europäischen Superstar gleich und lassen in ihren Matches nichts anbrennen. In der ersten Single-Partie des Tages fällt Scottie Scheffler wieder ein, was für ein begnadeter Golfer er doch ist, und liefert sich mit Jon Rahm ein erbittertes Duell bis aufs 18. Grün, das sich erneut als waschechter Europäer erweist.

Egal wie groß der Vorsprung eines Teams auch ausfällt, es liegt in der Genialität der Spielmodi des Ryder Cup begründet, dass es an jedem Sonntag mindestens 30 Minuten gibt, in denen alles zu kippen scheint, Fans auf der Anlage nervös werden und Zuschauer vor den Fernsehern aus dem Mittagsschlaf erwachen. Luke Donalds extrem kopflastige, auf einen schnellen Sieg ausgelegte Aufstellung geht dank seiner Leistungsträger Rahm, Hovland und McIlroy zunächst zwar auf, als gegen 14 Uhr die zweite Hälfte des Leaderboards allerdings roter ausfällt als Uli Hoeneß' Kopf bei einer Mitgliederversammlung des FC Bayern, scheint ein 14 : 14 plötzlich denkbar.

Doch zittrige anderthalb Stunden später endet der Ryder Cup 2023 in Rom genauso wie 2018 in Paris: mit einem im Wasserhindernis von Loch 16 versenkten Abschlag der Amerikaner. War es vor fünf Jahren Phil Mickelson, der der Aufholjagd seines Teams eine Seebestattung spendierte, fiel diese Rolle in Rom dem glücklos agierenden Rickie Fowler zu, dessen Abschlag vor 20.000 ekstatischen Fans in hohem Slice gen See abbog. Als Tommy Fleetwood Sekunden später den wahrscheinlich geradesten Drive seiner Karriere mitten aufs Grün hämmert, ist der alles entscheidende halbe Punkt sicher und vor den Toren Roms brechen alle Dämme.

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Wundern kann sich über das am Ende deutliche Ergebnis von 16,5 : 11,5 eigentlich niemand, schließlich sind die Ausflüge der Amerikaner seit mittlerweile 30 Jahren von Pleiten, Pech und Pannen geprägt. Viel unterhaltsamer, als nach den Gründen für das erneute Scheitern der auf dem Papier favorisierten US-Boys zu forschen, erscheint es da doch, dem immer noch ungelösten Geheimnis des fehlenden Kappe des Patrick Cantlay nachzugehen. Die finale Theorie zu diesem Mysterium besagt, dass Cantlay, der keine 24 Stunden nach seinem letzten Putt in Marco Simone in den heiligen Bund der Ehe eintreten wird, keine Kappe trug, weil Golferbräune und die damit verbundene Trennlinie zwischen Braun und Weiß quer über die Stirn auf Hochzeitsbildern alles andere als vorteilhaft aussieht. Eigentlich ist es aber auch egal, denn beim nächsten Turnierstart wird Patrick Cantlay wieder sein Goldman-Sachs-Käppi tragen und dafür garantiert fürstlich entlohnt. Die zwölf Sieger aus Europa werden dann sicherlich noch den Kater von der Siegesfeier spüren.

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