"Verdammt! Wir brauchen eine Gitarre." Patrick bleibt hart. Zum Glück kennt man sich in Hamburgs Musikerkreisen und wenige hundert Meter von der "Golf Lounge" entfernt liegt das "Clouds Hill Studio". Ein kurzer Anruf und schon weiß Johannes, woher er jetzt auf die Schnelle eine "Stromgitarre" bekommt. Zehn Minuten später ist er zurück mit einer tiefroten Fender unterm Arm und weit offenem Mund. "Ich habe gerade an der Tür der Künstlerwohnung geklingelt, um das Teil abzuholen, und wisst ihr, wer mir aufgemacht hat? Pete Doherty. Nur mit einem Teppich um die Hüften bekleidet. Wow, der sah nicht gut aus..."
Johannes Strate dagegen sieht aus wie aus dem Ei gepellt. Eigentlich völlig overdressed für die Driving Range, doch dafür gibt es einen einfachen Grund: Der Revolverheld-Sänger kommt gerade von einer Wohnungsbesichtigung. "Mit Freundin und Sohn reicht die alte Wohnung einfach nicht mehr. Es wird Zeit, erwachsen zu werden und eine passende Bleibe zu finden", lacht er, bevor die ersten Bälle von der Matte geschlagen werden.
Vor drei Jahren haben wir uns schon einmal mit Johannes auf ein paar Golflöcher getroffen, doch seither hat sich im Leben des 34-jährigen Bremers viel getan. Wie die Wohnungssuche bereits verriet, ist er Vater geworden. 2011 brachte er sein erstes Soloalbum heraus, er ersetzte Tim Bendzko als Juror bei "The Voice Kids" und das Ende 2013 erschienene neue Revolverheld-Album "Immer in Bewegung" ging durch die Decke, weshalb die Jungs im Prinzip das gesamte Jahr 2014 lang durch die Republik touren werden. Die Prioritäten sind trotz der Tätigkeit im Fernsehen aber völlig klar: "Ich bin Musiker. Das werde ich auch immer sein. In meiner Funktion als Musiker bin ich dann auch Juror oder Coach, wie wir das bei ,The Voice Kids' nennen. Wir wollen unsere Erfahrungen im Musikgeschäft an die Kids weitergeben."


Johannes weiß, wovon er spricht, schließlich ist er seit dem zarten Alter von 15 Jahren mit verschiedenen Bands unterwegs, die Namen hatten wie Second Floor, Privat oder Manga. Aus Manga wurden dann irgendwann Revolverheld, die es ganz ohne Casting-Show oder prominente Coaches in die erste Liga der deutschen Popmusik schafften. "Wir haben uns in Hamburg zusammengefunden, ein paar Bier getrunken und sind irgendwann in einen versifften Proberaum gegangen. Das war für uns der richtige Weg." Dieser Weg verlief fast ausschließlich bergauf. Während einer Autofahrt zu einem Gig in Halle an der Saale hörten die Jungs zum ersten Mal ihr Demo im Radio und wussten, dass die Sache nun die regionalen Grenzen, innerhalb derer man noch sämtliche Freunde für einen Auftritt aktiviert, überschritten waren. Keine drei Jahre dauerte es von diesem Zeitpunkt bis auf die größten Bühnen der Republik. "Beim Rock am Ring 2007 blieb mir beinahe die Spucke weg: Wir spielten nachmittags und da waren trotzdem 50.000 bis 60.000 Leute. Man schaut und sieht nur Menschen bis zum Horizont. Und nach der Fußball-EM 2008 haben wir am Brandenburger Tor gespielt, als die Mannschaft zurückkam. Da waren angeblich eine Million Menschen und die standen bis zur Siegessäule! So etwas kann man dann schon gar nicht mehr fassen und überblicken."
Ob seinen Schützlingen bei "The Voice Kids" ähnliche Höhenflüge bevorstehen, kann heute selbstverständlich noch keiner sagen. Das ist aber auch nicht der Sinn dieser Show. Hier geht es darum, Jugendlichen eine Möglichkeit zu geben, einmal auf einer großen Bühne und vor großem Publikum zu performen und zu sehen, wie sich so etwas überhaupt anfühlt. Dann können sie entscheiden, ob es sich lohnt, eine Karriere anzustreben, oder sie das Ganze doch besser beim Hobby belassen. "Im Gegensatz zu ,DSDS' wird bei uns den Menschen immer mit großem Respekt begegnet. Bei ,DSDS' sieht man häufig, dass Leute vor die Kamera gezerrt werden, die noch nie was mit Musik zu tun hatten und offensichtlich auch keine Ahnung vom Singen oder von der Musik haben - wie auch teilweise die Leute in der Jury! Das ist befremdlich und nicht okay. Die werden als Kanonenfutter ins Rampenlicht geworfen, alle hauen einmal drauf und der Kandidat geht mit 'nem psychischen Schaden nach Hause. Bei ,The Voice Kids' wird im Vorfeld das gesamte Umfeld des Kids von Psychologen gecheckt, und erst wenn feststeht, dass es aus einem gefestigten Umfeld kommt und die Teilnahme an der Show selbst möchte, nehmen wir es auch in die Sendung. Es bewerben sich tausende und am Ende singen 80 vor. Deshalb ist bei ,The Voice Kids' eine ganz andere Qualität auf der Bühne und es geht nicht darum, jemanden niederzumachen." Für überambitionierte Eiskunstlaufeltern ist in diesem Format kein Platz. "Es ist wichtig, dass hier nicht der Traum der Eltern verwirklicht wird, sondern der Traum der Teilnehmer."
Und die jungen Musiktalente danken Johannes' Einsatz, was den jungen Familienvater spürbar rührt. "Ich finde bei den Kids spitze, dass sie jede Hilfe aufsaugen wie ein Schwamm. Jede Form von Input finden sie toll und das macht mir enormen Spaß. Bei Erwachsenen stelle ich mir das schwieriger vor. Jemand, der Mitte 30 ist und etwas schon sein Leben lang auf eine gewisse Art macht, ist schwieriger zu coachen. Das ist wie beim Golfschwung: Wenn du den seit 30 Jahren so machst, dann haben sich unter Garantie schon einige Fehler eingeschlichen. Bei einem Kind, das zum ersten Mal einen Schläger in der Hand hat, geht es viel einfacher, ihm die richtige Technik beizubringen."

Eine schöne Sache, geht es jetzt im Sommer zu zahlreichen Festival-Auftritten. Heinz Strunk beschrieb die Zeit vor einem Auftritt in seiner Mucker-Bibel "Fleisch ist mein Gemüse" als die "bleierne Zeit", absolut nutzlose Stunden irgendwo in der Einöde. Liegen Golftaschen im Tourbus, sieht die Sache allerdings schon ganz anders aus. "Festivals spielen wir im Sommer, wenn hoffentlich gutes Wetter herrscht. Wir fahren mit dem Bus über Nacht, sind meistens gegen zehn Uhr morgens auf dem Gelände. Unsere Crew baut dann auf, und da wir in der Regel erst abends auftreten, bleibt eine Menge Zeit für Golf. Ich habe meine Golf-App auf dem Handy, lass mich kurz orten und dann fragen wir den Veranstalter, ob er uns ein Auto leihen kann. ,Was? Ihr wollt Golf spielen?', heißt es dann noch oft, aber ich meine dann: ,Ja, Golf spielen wollen wir.' In den Clubs finden sie es meistens sehr cool, wenn auch mal 'ne Band vorbeischaut. So haben wir oft lustige Nachmittage, bevor es abends auf die Bühne geht."
Mit dieser Methode des Zeittotschlagens auf dem Golfplatz hat es Johannes bis zum Bogey-Golfer gebracht. "An guten Tagen, aber manchmal auch ein bisschen besser", wie er seine Spielstärke bescheiden einschätzt. Unser abschließendes Pitch-Duell auf eines der Zielnetze der "Golf Lounge" sieht dann jedoch mehr nach Platzreifekurs als nach Single-Handicaps aus. Kein einziger Ball will seinen Weg ins nicht gerade kleine Ziel finden, egal was wir als Wetteinsatz ausrufen. Als nach nicht enden wollenden Versuchen endlich der Einäugige unter uns beiden Blinden das Netz trifft und es einen Sieger gibt, der sich was schämen sollte, verabschieden wir uns demütig, ohne noch einmal den Wetteinsatz zu erwähnen.
"Was Pete Doherty jetzt wohl macht?", frage ich mehr mich selbst als die Runde. "Keine Ahnung. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht an seinem Golfschwung feilt", lacht Johannes und fährt vom Parkplatz. Er muss schließlich noch eine rote Fender zurückbringen.