Wenn Romain den Ball auf dem Schlägerblatt jongliert, ist das an sich noch kein Grund, in Ekstase zu verfallen. Wenn er das zwischen seinen Beinen hindurch macht, geht bereits die ein oder andere Augenbraue in die Höhe. Spätestens wenn er den Ball gegen den Strahl einer mit Hochdruck in die Höhe schießenden Wasserfontäne spielt und den Rebound dann wieder jonglierend aufnimmt, klappen erste Kinnladen runter. "Das Schwierigste aber ist der Flip, wenn ich den Ball jongliere, gleichzeitig den Schläger in die Luft werfe und nach einem Salto wieder auffange und weiterjongliere", lacht der gut gebräunte Sonnyboy. Das ist dann ganz großer Sport. Kein Fake, einfach nur genial. Genau wie der Drive vom Mund eines am Boden liegenden todesmutigen Freundes.
»EINIGE MALE DEN BALL AUF DEM SAND WEDGE ZU JONGLIEREN GELINGT DEN MEISTEN. ROMAIN BECHU ABER HAT DIESE SPIELEREI ZUR KUNSTFORM ERHOBEN.«
Was also ist da schiefgelaufen, dass die GolfPunks dieser Welt diesen Mann jetzt als Trickshot-Virtuosen kennenlernen und nicht schon längst als mehrfachen Toursieger feiern durften? Zunächst mal nicht viel. Mit einem Handicap von +5 erspielte er sich Ende 2007 über die Q-School die Karte für die Challenge Tour. Von da an gerät die Karriere ins Stocken. Bei sieben Starts 2008 ist ein geteilter 69. Platz Romains bestes Resultat. Er hat Schmerzen im Fuß. Eine Fehlstellung wird nicht richtig diagnostiziert und somit nicht entsprechend behandelt. Sein Selbstvertrauen auf dem Platz geht flöten, aber sein Ehrgeiz lässt ihn die Warnsignale des Körpers überhören. Bis es nicht mehr geht. Die Schmerzen werden unerträglich. Er kann kaum laufen, muss ein Jahr lang pausieren, verliert seine Sponsoren, verdient kein Geld mehr. "Das war eine harte Zeit", sagt er rückblickend.
Die nächsten Jahre hat er es weiter versucht. Aber immer wieder führten Verletzungen zu einer Art On-/Off-/On-Modus und insgesamt nur elf Turnieren auf der Challenge Tour. 2011 kam er das einzige Mal ins Geld, als er bei der Challenge de France im Disneyland Paris 619 Euro Preisgeld kassierte für den geteilten 49. Platz (es gewann Nicolas Meitinger im Stechen gegen Maximilian Kieffer). 2013 noch mal ein vergeblicher Versuch auf der Q-School. Dass er heute dennoch stets gut gelaunt durch die Welt geht und sich mit seiner Passion Golfsport den Lebensunterhalt verdient, verdankt er einer guten Idee. Denn im gleichen Jahr hat er sein erstes Video auf YouTube hochgeladen. Die Klickzahlen gingen durch die Decke.
Jeder von uns Wochenend-Hackern hat schon versucht, Wartezeiten auf dem Tee mit Wedge-Akrobatik à la "Tin Cup" zu verkürzen. Einige Male den Ball auf dem Sand-Wedge zu jonglieren gelingt auch den meisten. Romain Bechu aber hat diese Spielerei zur Kunstform erhoben. Angefangen hat er damit während seines Studiums in Australien. Mit seinem ehemaligen Teamkollegen Olivier Serres hat er dann abends monatelang auf dem Campus geübt. Mittlerweile ist es ein Fulltime-Job. Wann immer Romains Wedges griffbereit sind, trainiert er. "Es ist für mich keine Arbeit, sondern meine Leidenschaft und ich will immer besser und besser werden und neue Sachen und neue Tricks ausprobieren." Seine Videos werfen jedoch die Frage auf, wie er das noch steigern will.
"Ich war schon immer ein großer Fan von Actionsport-Videos", erzählt er. "Weil das wie Hypnose ist und du alles andere drum herum vergisst. Also habe ich auch angefangen, Videos zu machen." Und diese Videos werden immer besser, immer spektakulärer. Sein jüngstes spielt in Paris vor dem Eiffelturm - grandios! "Ich will damit Geschichten erzählen und den Zuschauer mit auf eine Reise nehmen." Wenn der Beau dann nach einer seiner Live-Shows sieht, wie alle Kids sofort versuchen, das nachzumachen, "ist das eine tolle Belohnung für mich."
Die Enttäuschung über den verpassten Sprung auf die große Golfbühne hält sich in Grenzen. "Natürlich hätte ich es gerne geschafft. Aber wie viele schaffen es letztendlich? Die Challenge Tour war eine tolle Erfahrung. Ich dachte zwar, es wäre mein Weg auf die European Tour, aber ich habe viele Freunde kennengelernt, mit denen ich heute noch engen Kontakt habe. Jetzt genieße ich meinen Lifestyle mit vielen Freiheiten und habe viel Spaß beim Golfen und Surfen." So ganz hat er den Traum vom Tour-Pro allerdings noch nicht begraben. Denn Trickshot-Karriere hin, Videos her - er spielt auch weiterhin sieben bis zehn Profiturniere pro Jahr auf der drittklassigen Pro-Golf-Tour. 2015 hat er in Augsburg mit seinem Vater Daniel an der Tasche mit neuem Platzrekord am Schlusstag gewonnen, will seine Pläne als Playing Pro gedanklich nicht limitieren und bezeichnet 2016 diesbezüglich als Schlüsseljahr.
Seit gut drei Jahren begeistert Romain mittlerweile seine Klientel im Netz. Mittlerweile sind auch einige Firmen auf seine Kabinettstückchen aufmerksam geworden und so wird er für zahlreiche Events gebucht. Selbst die European Tour präsentiert Romain Bechu Ende Mai auf ihrem Flaggschiff-Turnier, der BMW PGA Championship in Wentworth. Beim King-of-Greens-Turnier, bei dem Extremsportler mit Golfern wetteifern, hat er Ingo Düllmann und Rainer Stöckl kennengelernt, die beiden Geschäftsführer des Golfballproduzenten Vice. Später hat man sich im Eisbach wiedergetroffen und festgestellt, dass man mit dem Surfen eine weitere Leidenschaft teilt. "Er ist einfach ein angenehmer Typ, ganz offen, freundlich und hilfsbereit. Wir waren sofort auf einer Wellenlänge", erklärt Düllmann den kurzen Weg zur Sponsor-Partnerschaft. 2009 wurde Bechu beim Challenger-Turnier in Marokko disqualifiziert, weil er nur vier Bälle mit auf die Runde genommen und sein Pulver vorzeitig verschossen hatte. Bei dem Sponsor sollte so ein Missgeschick künftig ausgeschlossen sein. Herzlich willkommen im Schwinger Club, Romain Bechu!