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McDonald Trophy

Die Mauer muss weg

Von Rüdiger Meyer, Fotos: Rüdiger Meyer

Der Leven Links und der Lundin Golf Club sind von einer kleinen Mauer getrennt. Doch einmal im Jahr dürfen die Mitglieder der beiden Clubs die Grenze überqueren und einen der ältesten Golfplätze der Welt spielen.

Wer in den Fußstapfen der Golfgeschichte wandeln möchte, muss nach Schottland fahren. In Musselburgh wurde vor knapp 200 Jahren durch den Durchmesser eines Abflussrohrs festgelegt, wie groß bis heute ein Golfloch ist, dem Home of Golf in St. Andrews verdanken wir, dass wir heute in der Regel 18 Löcher spielen, und ohne Prestwick würden wir bis heute nicht wissen, was Par ist. Aber auch abseits dieser ehemaligen Open-Austragungsorte stolpert man immer wieder über Orte von golfhistorischem Interesse wie beispielsweise in Leven und Lundin Links.

20 Kilometer südlich von St. Andrews gibt es den drittältesten 18-Loch-Golfplatz der Welt. Zumindest in der Theorie, denn das historische Layout wurde im Laufe der Zeit ein Opfer seiner Popularität. Wann genau zum ersten Mal östlich des Scoonie Burn Golf gespielt wurde, ist unklar, aber 1846 nahm hier formell der Leven Golf Club den Spielbetrieb auf - und blieb nicht allein. 1867 kamen der Innerleven Club, der Leven Thistle Club und kurz darauf auch noch der Lundin Golf Club hinzu. Um dem steigenden Bedarf an Golfern gerecht zu werden, wurde kein Geringerer als Old Tom Morris damit beauftragt, das Golfgelände auf 18 Löcher zu erweitern.

Die Golflegende aus dem benachbarten St. Andrews erdachte einen klassischen Links-Platz, dessen erste neun Löcher vom Clubhaus weg und die zweiten neun Bahnen zum Clubhaus zurückführten und dabei erstmals den sogenannten Mile Dyke überschritten. Die hüfthohe Steinmauer, die seit dem 18. Jahrhundert die Grenze zwischen den Landgütern Lundin und Durie markierte, war bis dato auch der Endpunkt des Leven Links, hatte auf der anderen Seite der Mauer aber auch die idealen Dünen, um perfekt entwässernde, hart zu spielende und leicht zu bauende Löcher zu unterstützen. Der neue Platz führte zu einem unkonventionellen Arrangement zwischen den vier Clubs. Weil die Levener ihr Clubhaus im Westen hatten, der Lundin Golf Club aber drei Kilometer östlich beheimatet war, wurde der Platz von beiden Seiten bespielt - mit einer Pause in der Mitte, um mögliche Staus zu vermeiden.

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BEI DER SCHEIDUNG BEKAM LUNDIN DAS SORGERECHT FÜR DIE LÖCHER ÖSTLICH DES MILE DYKE, WÄHREND DIE LEVENER MIT DEM WESTLICHEN TEIL ABGEFUNDEN WURDEN.
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Das Ganze ging so lange gut, bis die Popularität der Clubs das Arrangement nicht mehr tragbar werden ließ. Besonders der Lundin Golf Club erhielt einen solchen Zuspruch an Neumitgliedern, dass der Start von zwei Seiten zu einem ähnlichen Nadelöhr wie der Elbtunnel in Hamburg wurde. Bei der Scheidung bekam Lundin das Sorgerecht für die Löcher östlich des Mile Dyke, während die Levener mit dem westlichen Teil abgefunden wurden. Die Opfer der Trennung waren in diesem Fall allerdings nicht die Kinder, sondern die Frauen. Der nebenan gegründete Lundin Ladies Golf Club musste umziehen und das Land an die Herren abtreten, damit James Braid für den Lundin Golf Club einen neuen 18-Loch-Club gestalten konnte. Die Levener übernahmen ihrerseits das Gelände des örtlichen Fußballvereins und expandierten ebenfalls auf 18 Löcher.

Nun haben Fußballplätze und Links-Golfplätze vollkommen unterschiedliche Anforderungen an den Untergrund. Während Golfer Wellen im Fairway äußerst willkommen heißen, wollen Fußballer ihren Rasen so eben wie die Startbahn eines Flugplatzes haben. Entsprechend gibt es insbesondere in Leven zwischen den alten und den neuen Bahnen gravierende Unterschiede, sodass der Leven Links in der an Weltklasse-Golfplätzen nicht gerade armen Council Area Fife heute maximal als Geheimtipp gilt. Dem Lundin Links ist es etwas besser ergangen, aber auch er gehört mit dem Nachbarn Elie eher zur zweiten Garde der Golfplätze in der Region. Doch einmal im Jahr formieren die beiden wieder einen der besten Golfplätze Schottlands.

Jeden Juli richten die Leven Golfing Society und der Leven Thistle Golf Club, die gemeinsam den Leven Links bespielen, sowie der Lundin Golf Club im jährlichen Wechsel die McDonald Trophy aus. Das Zählspielturnier ist exklusiv den Mitgliedern der drei Clubs vorbehalten und findet reichlich Zuspruch: In diesem Jahr hatten sich ursprünglich mehr als 270 Teilnehmer und Teilnehmerinnen für das Event des Jahres angemeldet, auch wenn am Ende einige aufgrund des angekündigten Regenwetters einen Rückzieher machten. Zwischenzeitig hatte der Lundin Golf Club als Veranstalter sogar erstmals Startzeiten für die Öffentlichkeit ausgeschrieben, sodass auch Golfliebhaber von außerhalb die Chance bekommen hätten, das historische Layout zu spielen. Jedoch wurde nicht eine einzige Startzeit gebucht, was sicherlich damit zusammenhängt, dass das Greenfee auf illusorische 300 Pfund angesetzt wurde - 85 Pfund mehr, als es kosten würde, die beiden Plätze zusammen zu spielen.

Trotz der Besonderheit und Beliebtheit des Turniers ist das Ganze eine recht zurückgenommene Angelegenheit. Teilnehmer erhalten im Pro-Shop eine Scorekarte, müssen ihr Ergebnis am Ende in das Player Score Input System eintragen und die Scorekarte einwerfen. Das Ergebnis findet sich dann am Ende im Mitgliederbereich auf den Webseiten. Ein Bankett oder Ähnliches ist nicht vorgesehen und auch schwer möglich, wenn die Ersten morgens um 7:30 Uhr starten und die Letzten erst gegen 20:30 Uhr ihre Runde beenden.

McDonald Trophy: McDonald Trophy:
Der Verlauf der Löcher entscheidet sich danach, welcher Club die McDonald Trophy ausrichtet. Wenn die beiden Levener Clubs Gastgeber sind, beginnt und endet die Runde vor den Levener Clubhäusern; wenn wie in diesem Jahr der Lundin Golf Club ausrichtet, geht es dagegen im Osten los. Gespielt werden dabei immer nur die 18 Löcher in Premiumlage, die in erster oder zweiter Reihe zum Meer liegen. Dabei bietet bereits der erste Abschlag in Lundin einen aufregenden Blick auf das, was in den nächsten Stunden vor einem liegt. Der Pro-Shop und die direkt davorliegende Teebox stehen in exponierter Lage direkt am Rand einer Düne. Da das Land in einem großen Linksbogen verläuft, kann man bei gutem Wetter über die Largo Bay direkt bis zum entfernten Clubhaus der Leven Golf Society blicken. An diesem Nachmittag ist die Sonne jedoch gerade erst noch dabei, den Nebel aus der Bucht zu vertreiben. Die Skyline von Leven verschwindet noch hinter einer Wolke, aus der am linken Rand nur die rotierenden Blätter eines Windrads herausragen. Die ersten fünf Löcher folgen dem normalen Lundiner Routing in den äußeren Dünen und beginnen mit vier Par 4. Das Auftaktloch trägt seinen Namen "High" für den erhöhten Abschlag und das erhöhte Grün, könnte aber auch die Stimmung beschreiben, die das Loch hinterlässt. Der Drive auf das mit der 18 geteilte Doppel-Fairway ist entspannt, solange man einen Cluster von Bunkern aus dem Spiel nimmt, der trotz seiner Entfernung von 250 Metern aufgrund des erhöhten Tees, Rückenwinds und des harten Untergrunds für die meisten ins Spiel kommt. Für die 325 Meter kurze 2 geht es wieder auf einen erhöhten Panorama-Abschlag zurück, der das größte Hindernis in der Ferne zeigt: einen knapp 40 Meter vor dem Grün kreuzenden Bach. Bahn 3 ist trotz sechs tückischer Topfbunker ein Loch zum Verschnaufen, bevor mit der 4 ein absolutes Highlight folgt, das für die im Zählspielmodus ausgetragene McDonald Trophy das schwierigste Loch auf der Scorekarte darstellt.

Das mächtige, 416 Meter lange Par 4 trägt den Namen des hinter dem Grün verlaufenden Mile Dyke, hat die größte Schwierigkeit aber 30 Meter davor. Ein Burn durchschneidet das komplett auf Dünen liegende Loch und verwandelt das Ziel in die coolere, schottische Version eines Inselgrüns. Dabei fungiert der Bach wie ein typischer Links-Bunker. Die physischen Ausmaße sind angesichts einer Breite von einem Meter gering, aber der Fußabdruck ist immens, da die Schlucht, die der Burn über die Jahrhunderte gerissen hat, etwa 30 Meter breit ist und jeden zu kurzen oder langen Ball unausweichlich ins Wasser rollen lässt.

Die 5 bringt den ersten Richtungswechsel und ist erst einmal das letzte Loch, das auf dem Lundin Golf Club verbracht wird. Das 129 Meter kurze, bergab führende Par 3 verläuft parallel zum Mile Dyke und bringt oft Zuschauer mit sich, da nebenan ein öffentlicher Wanderweg entlangführt. An dieser Stelle kam es früher immer wieder zu Verwirrungen, wie es weitergeht. Die eigentliche Runde in Lundin geht hinter einer Hecke weiter, aber da man direkt auf dem Weg zum Grün links einen Abschlag sieht, nahmen viele den falschen Weg und fanden sich plötzlich auf Levens Loch 13 wieder. Um dies zu verhindern, ist mittlerweile ein Gatter installiert worden, das normalerweise Zuchttiere an ihrem vorgesehenen Platz halten soll. Doch an diesem Tag ist es nicht nur erlaubt, sondern erwünscht, durch das Gatter zu gehen und den Leven Links zu spielen. Das Schöne ist, dass man nie das Gefühl hat, einen anderen Platz zu betreten. Die von Old Tom Morris konzipierten Bahnen spielen sich auch fast 160 Jahre später noch wie aus einem Guss.

Levens Bahnen 13 bis 15 bieten mit einem Par 5, einem Par 4 und einem Par 3 an diesem Tag die größte Variation auf der Scorekarte, schließlich befinden sich unter den letzten zehn Bahnen neun Par 4. Und gleich das erste von ihnen ist ein echtes Highlight. Von der 15 biegt man direkt auf das eigentliche Schlussloch von Leven ab. Die 417 Meter lange 18 trägt den Namen "Scoonie", und wer aufgepasst hat, weiß bereits, was neben der Länge die größte Schwierigkeit ist: der Scoonie Burn. Der in die Largo Bay mündende Bach schlängelt sich auf einer Breite von zwei bis drei Metern vor und rechts vom Grün entlang und sorgt für eine knifflige Entscheidung: Spiele ich aggressiv und bringe den Burn ins Spiel? Oder ziele ich lieber weiter nach links und riskiere, ein Auto auf der Straße abzuschießen?

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Auch der Weg zurück nach Osten lässt kaum Wünsche offen - und macht noch einmal deutlich, welch enge Geschwister die beiden Plätze sind. Auch die 1 bis 5 von Leven bestehen aus vier Par-4-Bahnen, die parallel zur Largo Bay verlaufen, und einem Par 3, das am Mile Dyke entlanggespielt wird. Das Highlight bildet dabei die exzentrische zweite Bahn, deren Bau sich heutzutage vermutlich kaum ein Architekt trauen würde, denn sowohl das Fairway als auch das Grün sind in den Dünen versenkt. Insbesondere der blinde Schlag Richtung Fahne ist brillant - ebenso wie der Grünkomplex der Folgebahn, auf dem man in einer Privatrunde ohne Druck von hinten einige Zeit mit Chippen und Putten verbringen möchte.

Das letzte Highlight des Leven-Teils der McDonald Trophy ist schließlich die 4, mit der man dem Meer wieder besonders nahekommt. Nach dem erwähnten Par 3 am Mile Dyke führt der Weg erneut durch das Gatter und zurück auf den Lundin Golf Club, dessen Löcher 15 bis 18 den Abschluss dieser einzigartigen Runde bilden - und noch einmal einen Abstecher in die Golfgeschichte ermöglichen: Die 16 von Lundin Links gehört zu den Bahnen, die Architekturlegende Charles Blair Macdonald zu einem seiner Template Holes, also den Blaupausen für ideale Golflöcher, kürte - und ihm ironischerweise den Namen Leven gab. Es zeichnet sich durch eine moderate Länge zwischen 300 und 330 Metern aus und gibt den Golfern zwei Optionen: Ein aggressiver Drive über ein diagonal verlaufendes Hindernis wird mit einem freien Schlag ins Grün und einer Birdie-Chance belohnt; wer vom Tee die defensive Variante wählt, ist mit einem blinden Schlag ins Grün konfrontiert - eine Idee, die in den Jahrzehnten danach Golflöcher auf berühmten (Privat-)Plätzen wie dem National Golf Links of America oder dem Chicago Golf Club inspiriert hat.

Dass das exzellente "Leven"-Loch während der McDonald Trophy dennoch nur eines unter vielen Highlights bleibt, spricht dafür, wie herausragend dieser historische Golfplatz ist, den man nur als Mitglied spielen kann. Umso erstaunlicher, dass es so wenige tun. Eine Stichprobe unter den Teilnehmern, die mir auf der Runde begegnet sind, ergibt, dass viele zum ersten Mal an der McDonald Trophy teilnehmen. Bizarrer noch: Obwohl Leven Links und Lundin Golf Club direkt nebeneinanderliegen, ist dies für etliche von ihnen das erste Mal, dass sie in Nachbars Garten spielen. Dass sie an diesem Tag Teil von etwas ganz Besonderem sind, ist ihnen dennoch bewusst. Nicht nur sind die Löcher herausragend, auch wirkt der Flow der Runde viel natürlicher, als wenn man nur den Leven Links oder den Lundin Golf Club spielt. Doch wie genau schafft man es, als Außenstehender diesen Platz zu spielen?

Eine Möglichkeit wäre, dass die Clubs realisieren, welch einmalige Marketingchance sie hier haben, und einmal im Jahr Greenfee-Spielern eine Runde zu humanen Preisen anbieten. Doch dies scheint angesichts der Popularität der Clubs bei ihren Mitgliedern unrealistisch zu sein. Somit bleibt die simpelste Variante, an einem Tag Startzeiten auf beiden Plätzen zu buchen und sich vor dem inneren Auge ein Bild des originalen Layouts von Old Tom Morris zu machen. Oder man nimmt eine Overseas-Mitgliedschaft im Leven Thistle Club an. Für 345 Pfund im Jahr darf man sich dann nicht nur für die McDonald Trophy anmelden und den Leven Links wie ein Mitglied spielen, es gibt darüber hinaus noch reduzierte Greenfees auf 17 kleineren Golfplätzen in der Umgebung - sozusagen das McDonald Happy Meal unter den Golf-Mitgliedschaften.

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