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Ort: Crans-sur-Sierre (SUI) / Turnier: Canon European Masters / Datum: 05. September 1993 / Schläger: Pitching Wedge

Strokes of Genius

Seve Ballesteros '93

Von Jan Langenbein, Fotos: Getty Images

Der vielleicht großartigste Schlag der Golfgeschichte auf dem Finalloch eines Profiturniers blieb am Ende nicht dem Sieger überlassen.

Ausgangssituation
Nach fünf Birdies auf den Löchern 13, 14, 15, 16 und 17 trat Seve Ballesteros mit einem Score von 16 unter Par und einem Schlag Rückstand auf den Führenden am Finaltag des European Masters in der Schweiz auf den 18. Abschlag. Was folgte, war ein waschechter Slice mit dem Holz 3, der 25 Meter abseits des Fairways hinter einer Mauer zum Liegen kam. Aus unerfindlichen Gründen folgten die TV-Kameras Seve nicht ins Unterholz. David Cannons Foto ist das einzige Dokument der Heldentat der Spaniers.

Balllage
Unter dichten Bäumen lag Seves Ball auf einer dicken Schicht Tannennadeln etwa 140 Meter von der Fahne entfernt. Größtes Problem: Die zweieinhalb Meter hohe Betonmauer, die den Golfplatz vom öffentlichen Freibad der Ortschaft trennt, steht im Weg. Ein Chip zurück aufs Fairway schien die einzige Möglichkeit zu sein und hätte die Chance auf ein Par gewahrt. Das Grün direkt anzugreifen barg die Gefahr eines Querschlägers von der Mauer sowie eines potenziellen Triple-Bogey.

Feuer frei!
Seve bemerkte eine 50 Zentimeter breite Lücke zwischen Betonmauer und Bäumen, ließ seinen zweifelnden Caddie wissen, dass dieser keine Ahnung habe, und griff zum Pitching Wedge. Von Ästen zu geduckter Körperhaltung und von Baumstämmen zu einem halben Rückschwung gezwungen, feuerte der Spanier seinen Ball nach perfektem Kontakt durch die winzige Öffnung über das Becken des Freibads und eine Gruppe hoher Tannen. Der Schlag des Jahres landete wenige Meter vor der Fahne auf dem Fairway.

Nachspiel
Wenige Meter vor dem Grün mit einem lauernden Bunker zwischen ihm und der Fahne sah sich Seve Ballesteros mit einem äußerst kitzligen Chip konfrontiert, den er kurzerhand zum Birdie lochte. Sein Caddie Billy Foster, der ihn wenige Minuten vorher noch für verrückt erklärt hatte, sank voller Ehrfurcht auf die Knie und und huldigte vor allen Augen seinem Boss in bester "Wayne's World"-Manier. Wenig später gewann Barry Lane mit einem weiteren Birdie das Turnier. Daran erinnerte sich schon am nächsten Tag niemand mehr.

Augenzeuge
Billy Foster trug während seiner beinahe 40 Jahre dauernden Caddie-Karriere nicht nur für Seve, sondern unter anderem auch für Darren Clarke und Lee Westwood die Tasche. Er besuchte als Zuschauer seine erste Open Championship im Alter von 14 Jahren, war Teil von zehn europäischen Ryder-Cup-Teams und gewann zahllose Turniere weltweit. Der Mann hat alles gesehen, was es im Golfsport zu sehen gibt, und ist sich absolut sicher: "Das war der beste Golfschlag, den ich in meinem gesamten Leben gesehen habe."

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