Man muss in den ersten Jahren ein wenig für sich herausfinden, wie viel man spielen kann. Einige spielen acht Wochen durch - das wäre gar nichts für mich, danach würde ich nie wieder Golf spielen... [lacht] Mir ist wichtig, zwischendurch zwei Wochen Pause zu nehmen, weil ich dann wirklich mal fünf Tage freihabe und mich trotzdem noch auf die nächsten Turniere vorbereiten kann.
Du bist vor knapp zwei Jahren ins Profilager gewechselt. War der Sprung leichter oder schwieriger, als du es dir vorgestellt hattest?
Am Anfang habe ich mit sieben Einladungen gleich vier Top Tens gemacht und dachte mir, das ginge immer so weiter. Das war dann leider nicht so. Es ist schon anders, wenn man fast 30 Wochen im Jahr unterwegs ist und man sich gefühlt keine schlechten Wochen erlauben kann. Es gibt Spielerinnen, die können vier Cuts verpassen und dann gewinnen, aber so schätze ich mich nicht ein.
Wo siehst du die Stärken und Schwächen in deinem Spiel?
Meine Stärke ist, dass ich mir keine groben Fehler erlaube; Doppel-Bogeys sind relativ selten bei mir. Dafür habe ich aber auch nichts, womit ich alles rausreißen könnte, weil ich darin so dominant wäre.
»FÜR MICH IST ES BESSER, JE SCHWERER DER PLATZ IST, WEIL DA MEINE GERINGE FEHLERQUOTE ZUM TRAGEN KOMMT.«
Nein, ich bin ganz schlecht mit Statistiken. Ein Hauptziel für diese Saison ist, dass ich es schaffe, meine Statistiken überhaupt erst einmal vollständig einzugeben. [lacht] Ich bin viel mehr Gefühlsspieler und niemand, der sich in Statistiken verliert. Das überlasse ich meinem Trainer.
Wie bist du zum Golf gekommen?
Wir wohnen hinter dem elften Abschlag eines Golfplatzes, aber nur weil meine Eltern außerhalb der Stadt wohnen wollten. Und dann bin ich zufällig über Leute aus meiner Schule, die bei uns gespielt haben, zum Golfsport gekommen.
Hattest du seither schon mal eine Phase, in der dir der Sport auf die Nerven ging?
Wenn man Leistungssport macht, gibt es immer mal Phasen, in denen einem alles zu viel ist. So eine hatte ich etwa mit 14, als ich das Gefühl hatte, ich müsste viel mehr tun, um besser zu werden, aber auch sieben Stunden am Tag in die Schule musste.
Du hast in den USA an der UCLA studiert. Hat dich das sportlich vorangebracht?
Ich denke, schon. Aber vor allem war es wertvoll für die persönliche Entwicklung. Man muss sich selbst organisieren lernen. Das war eine gute Vorbereitung auf das Leben, weil ich sechs Monate am Stück allein dort war.
Du hast Psychologie studiert. Kannst du von dem Gelernten etwas auf dem Platz anwenden?
Jein. Es gab kein Seminar zu Sportpsychologie. Aber vielleicht habe ich indirekt profitiert, weil man besser das eigene Denken versteht.
Arbeitest du mit einem Sportpsychologen?
An der Uni haben wir mit einem gearbeitet. Ich hatte zuvor immer Angst, jemandem zu erzählen, woran ich auf dem Platz denke; ich fürchtete, dann noch mehr darüber nachzudenken. Aber das hat mir sehr geholfen. Mein jetziger Trainer hat ebenfalls Psychologie in den USA studiert und ist nicht nur Golftrainer, sondern ein bisschen auch Life-Coach.
Du hast dreimal im Finale des Augusta National Women's Amateur gespielt. Beim ersten Mal hast du eine 80 gespielt, beim zweiten Mal eine 71. Hast du gemerkt, wie viel Erfahrung in Augusta ausmacht?
Im ersten Jahr sind sehr viele Eindrücke auf mich eingeprasselt, zumal es auch das erste Mal war, dass das Turnier ausgetragen wurde. 2021 war ich ganz allein da und das war eine der besten Wochen. Nicht weil ich es nicht mögen würde, wenn jemand dabei ist, aber ich konnte alles für mich selber wahrnehmen. Zudem hatte ich auch einen Local Caddie, das hat auf jeden Fall geholfen.
Guckst du das Masters seither mit anderen Augen?
Total! Im Fernsehen schauen die Löcher gar nicht so aus wie in der Wirklichkeit, weil es viel hügeliger ist. Und wenn man dort war, weiß man die guten Schläge der Spieler noch mal viel mehr zu schätzen.
Du hast dort Maja Stark, Rose Zhang und Linn Grant hinter dir gelassen, die heute Top 30 der Welt sind. Ist das eine gute Motivation?
Wie in jedem Sport ist nichts garantiert, aber das zeigt mir, dass ich das Niveau auch erreichen kann. Man weiß allerdings nie, wie man sich über die Zeit entwickelt. Die einen sind Schnellstarter, andere brauchen länger. Man darf sich auch nicht zu sehr unter Druck setzen, weil die anderen auf einmal Top 30 der Welt sind.
Das was Nelly Korda gerade spielt, ist für uns Hobby-Golfer nur schwer nachvollziehbar. Wie sieht das für eine Profispielerin aus?
Auch. [lacht] Was Nelly und Scottie Scheffler gemacht haben, ist eigentlich unmöglich, weil der Sport so komplex und an der Spitze so eng ist. Aber wenn das Selbstvertrauen da ist, spielt es sich noch einmal leichter - und für die anderen noch mal schwerer, weil man da unbedingt hinkommen will.
Ist das, was Nelly Korda leistet, auch eine Chance für Frauengolf, mehr ins Rampenlicht zu kommen?
Auf jeden Fall. Es ist längst Zeit, dass das passiert. Es ist die letzten Jahre in allen Sportarten besser geworden, auch wenn wir bei Weitem noch nicht da sind, wo der Männersport ist. Aber wenn mehr Frauensport im Fernsehen gezeigt wird, sehen die Leute auch, dass wir Frauen das Gleiche können und es genauso spannend ist.
Du vertrittst bei den Olympischen Spiele in Paris die österreichischen Farben. Was bedeutet es dir?
Das war ein großes Ziel. Ich denke, dass Olympia auch im Golf immer mehr ein großes Event wird. Wenn ich jemandem sage, ich spiele auf der Ladies European Tour, sagt das vielen nichts. Aber wenn ich sage, ich mache bei den Olympischen Spielen mit, dann wissen sie, dass ich zur Elite gehöre. Das ist cool. Ich habe 2018 schon mal bei den Youth Olympics mitgemacht. Das war schon ein tolles Erlebnis und Paris wird jetzt noch mal ein ganz anderes Level.
Es gibt derzeit Überlegungen, 2028 ein Mixed-Event bei den Olympischen Spielen hinzuzufügen. Würde dich das reizen?
Ich würde schon gern mit dem Sepp Straka antreten. [lacht] Letztes Jahr konnte ich eine Runde mit ihm spielen und das war sehr beeindruckend. Ich weiß nicht, ob er mich nimmt, aber ich würde ihn als Viererpartner nehmen.
Glaubst du, Le Golf National liegt dir?
Es kommt ein bisschen auf das Set-up an. Für mich ist es besser, je schwerer der Platz ist, weil da meine geringe Fehlerquote zum Tragen kommt. Aber wenn man eine gute Woche hat, ist es egal, wie der Platz ist. Ich habe schon gute Runden gespielt auf Plätzen, die vermeintlich für mein Spiel nicht geeignet waren.
Ist neben Bronze von den Youth Olympics 2018 Platz für eine weitere Medaille an deiner Wand?
Ja. [lacht] In unserer neuen Wohnung ist sehr viel Platz für eine neue Medaille.
Steckbrief
NameEmma Spitz
Jahrgang
2000
Profi seit
2022
Wohnort
Wien
Lieblings-Reiseziel
Malediven
Erfolge
Girls Amateur Championship, 1. Platz (2018)
Youth Olympic Games, Bronzemedaille (2018)
Augusta National Women's Am., 3. Platz (2021)
ISPS Handa World Invitational, 13. Platz (2023)
Amundi German Masters, 2. Platz (2024)