Würde man diese Frage im Rahmen einer Umfrage stellen, wäre der Anteil sicher beachtlich und wahrscheinlich würden mehr als ein Viertel aller befragten Golfer angeben, gefittete Schläger im Bag zu haben. Bei dieser Gruppe kann man meiner Meinung nach aber höchstens bei einem Drittel von wirklich professionell gefittetem Material sprechen. Den Rest würde ich eher als eine ausführliche Beratung bezeichnen, bei der nur die Basics angegangen wurden.
Was macht ein gutes Fitting aus?
Zeit ist der entscheidende Faktor bei einem richtigen Fitting. Wenn ich als Fitter nicht mindestens eine Stunde Zeit mit dem Kunden habe und ihn eingehend befragen kann, wird es mir nicht gelingen, die optimale Lösung zu finden, die ihm später auf dem Platz helfen kann und ihn zu einem besseren Golfer macht. Einer Person, die man vorher noch nicht getroffen hat, in 20 Minuten passende Schläger zu empfehlen, ist unmöglich.
Worin liegen die Vorteile eines solch umfangreichen Fittings?
Der Golfer wird ganzheitlich betrachtet. "Schläger kaufen und fertig" ist nicht Ziel dieses Prozesses. Faktoren wie körperliche Verfassung, Schwungtechnik, bisheriges Equipment, Trainingsumfang und auch Zeit des Kunden werden berücksichtigt. Wer 80 Stunden in der Woche arbeitet, wird auf dem Golfplatz eine andere Leistung bringen als ein Trainingsweltmeister. All das zusammengenommen führt dann hoffentlich dazu, dass die Spieler mit ihrem Equipment auf dem Platz zufriedener sind und besseres Golf spielen. Um sagen zu können, dass ich als Fitter einen guten Job gemacht habe, muss es eine sichtbare Verbesserung bei den Werten des Kunden geben.
»Wir haben die Erfahrung gemacht, dass, je höher das Handicap eines Spielers ausfällt, er umso mehr von einem Fitting profitiert«
Absolut nicht. Es ist egal, ob der Golfer Handicap 40 oder 0 spielt. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass, je höher das Handicap eines Spielers ausfällt, er umso mehr von einem Fitting profitiert. Das Potenzial, die Technik, aber auch die bisherigen Materialkäufe zu verbessern fällt bei dieser Gruppe am höchsten aus. Als Fitter braucht es eine Menge Erfahrung im Umgang mit Golfern unterschiedlicher Spielstärken. Nicht nur, was eine Schlägerempfehlung, sondern auch was das Erklären technischer Zusammenhänge angeht. Zu uns kommen GolfFreaks, die selbst Experten sind, und auch komplexe Zusammenhänge sofort verstehen, aber eben auch ältere Semester, die mit unzähligen Launch-Monitor-Daten und Technikfeinheiten nicht behelligt werden möchten. Wichtig ist, dass beide Extreme nach einem Fitting genau sagen können, warum sie den Prozess durchlaufen haben und was ihr persönlicher Vorteil daraus ist.
Wie kamst du zum Schlägerfitting?
Ich habe mit 14 Jahren angefangen, an meinen Drivern herumzubasteln, habe mir Schlägerköpfe und Schäfte aus den USA bestellt und im Keller zusammengeklebt, um ein paar Meter mehr aus meinen Schlägen herauszuholen. Irgendwann habe ich dann begonnen, zusammen mit Freunden auch für Bekannte die Schläger umzubauen. Zu Beginn des Studiums mit 19 kamen dann plötzlich auch Fremde zu uns und wollten Tipps und gefittete Golfschläger haben. Das war damals noch ein Hobby und es ging niemandem darum, Geld zu verdienen. Die Menge der Arbeit nahm aber schnell derart zu, dass wir uns dazu entschieden haben, das Ganze hauptberuflich anzupacken.
Die Geburtsstunde von Hole-in-One Fitting?
Genau. Nach zwei Jahren Erfahrung mit dem Unternehmen entwickelten wir dann unsere App, um nicht nur unser Fittingsystem streuen zu können, sondern auch Trainer mit ins Boot zu holen. Mit wenigen Klicks konnten die Golflehrer Schläger konfigurieren und ohne große Lagerhaltung und Papierkram zum ersten Mal einfach und unkompliziert mit dem Golfschlägerverkauf Geld verdienen. Durch die App haben wir mittlerweile 80 Partner in Europa.
Wie groß ist HIO Fitting in Deutschland?
Nachdem wir zu dritt angefangen haben, besteht das HIO Team mittlerweile aus 25 Mitarbeitern. Unser Hauptstandort im Westen von München verfügt neben den Fittingeinrichtungen auch über eine große Werkstatt, in der sämtliche Schläger von uns gebaut werden. In diesem Jahr haben wir mit einem eigenen Fittingstudio auf der Driving Range des Münchner Golfclubs unseren zweiten Standort eröffnet. Die Möglichkeit, in einem sportlich orientierieten Club mit 150 Mannschaftsspielern nun auch OutdoorFittings anbieten zu können, passt sehr gut zu uns.
Wie sieht die technische Infrastruktur aus?
Im Hauptquartier verfügen wir über drei Fittingboxen mit modernstem Radar- und Kamerasystem für das Launch-Monitor-Fitting. Im MGC sind Indoor- und Outdoor-Fittings möglich. Besonders wichtig ist uns die Vernetzung aller Daten, die vor, während und nach einem Fitting gesammelt werden. Egal ob es sich um Launch-Monitor-Daten, Informationen aus der App oder die Spezifikationen angefertigter Schläger handelt, in unserer Datenbank werden all diese Informationen in Kundenprofilen gesammelt. Allein dafür beschäftigen wir drei Programmierer im Team, die selbst begeisterte Golfer sind und ohne die unser Fittingsystem nicht umzusetzen wäre.
Was ist dein persönliches Produkt-Highlight der Saison 2020?
Das kann man so pauschal nicht sagen, da die Antwort stark vom jeweiligen Golfer, für den das Produkt bestimmt ist, abhängig ist. Die größte Überraschung des Jahres sind für mich die ultraleichten Grand-Bassara-Schäfte von Mitsubishi, die teilweise nur 30 Gramm wiegen. Das ist unglaublich und besonders für Golfer höherer Altersklassen eine große Hilfe.
Steckbrief
NAME: Marco BurgerJAHRGANG: 1989
WOHNORT: München
HCP.: 0
LIEBLINGSVEREIN: Münchner GC
ERFAHRUNG: mehr als 10.000 Fittingstunden; darunter Thomas Müller, Pep Guardiola, Novak