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Nelly Korda – Teil 2

Die goldene Mitte

Von Jan Langenbein, Fotos: Geordie Wood & Getty Images

Nach deinem Major-Sieg hast du sichtlich gerührt erzählt, wie wichtig Jessica für deine Entwicklung als Golferin war und ist. In welchem Sinne hat sie dir am meisten geholfen?
Sie hat ein Herz aus Gold. Sie ist die selbstloseste Person, die ich kenne. Da sie fünf Jahre älter ist als ich, hat sie mich schon früh "inside the ropes" auf der LPGA Tour genommen und mir das Innenleben des Profi-Golf gezeigt. Ich hatte großes Glück, schon früh solche Einsichten zu haben, denn nicht viele Spielerinnen bekommen solche Gelegenheiten. Wenn ich Probleme habe, ist sie für mich da. Ich kann ihr nicht genug danken für alles, was sie getan hat!

In der Woche vor deinen beiden Siegen in Michigan und bei der Women's LPGA Championship dieses Jahr bist du mit deinem Vater ins Trainingslager gefahren. Wie sieht so ein Trainingscamp aus?
Ja, das war ein kleines Bootcamp mit Papa K. [lacht] Ehrlich gesagt ging es dabei hauptsächlich darum, etwas Struktur ins Training zu bekommen. Meine gesamte Kindheit und Jugend war immer sehr gut organisiert und strukturiert. Manchmal, wenn man allein beim Training ist, kann es passieren, dass man zum Golfplatz fährt und sich denkt: "Was mache ich heute?" Dann schlägt man meistens für ein paar Stunden Bälle auf der Range und spielt vielleicht noch neun Löcher. Mein Vater dagegen hat immer einen ausgearbeiteten Plan für mich, dem ich dann folge. Das gibt mir ein sehr gutes Gefühl und hilft enorm!

Was würdest du selbst als die Stärken und die Schwächen deines Golfspiels identifizieren?
Ich denke, dass mein Golfspiel sehr ausgeglichen ist und ich keine dezidierten Stärken oder Schwächen habe. Daher bin ich auch überzeugt davon, dass ich mich noch in sämtlichen Aspekten des Spiels verbessern kann.

Nelly Korda: Nelly Korda:

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Wenn ich selbst auf dem Platz stehe, habe ich Einfluss auf das, was passiert. Wenn meine Schwester oder mein Bruder spielen, sieht das ganz anders aus und das stresst mich wirklich sehr.
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Egal wie groß der Druck auf dem Platz auch sein mag, du wirkst immer total cool. Wie schaffst du es, auch unter Stress immer fokussiert zu bleiben?
Ja, meine Mimik gibt vielleicht keine Emotionen preis, aber in mir drin sieht es zeitgleich ganz anders aus. Im Inneren bin ich ein sehr emotionaler Mensch auf dem Golfplatz. Dann hilft es auch, einen guten Partner dabeizuhaben, einen großartigen Caddie. Schon als Kind habe ich stets versucht, ruhig zu bleiben, wenn es um mich herum hektisch wurde, und mich nicht davon anstecken zu lassen. Im Golf muss man Schlag für Schlag denken und dann sehen, was passiert. Ich versuche deshalb, stets im Moment zu bleiben und geistig der Situation nicht vorauszueilen. In dieser Hinsicht habe ich immer zu Roger Federer aufgeblickt, denn er scheint auf dem Court nur einen Gemütszustand zu kennen: Er bleibt immer ruhig und kontrolliert. Auf dem Weg dorthin habe ich aber noch eine Menge zu lernen, glaub mir!

Haben Jessica und du schon mal mit anderen berühmten Geschwistern, die es an die Spitze der Sportwelt geschafft haben wie zum Beispiel den Williams-Schwestern oder Eli und Peyton Manning, über die fast einzigartige Situation, in der ihr euch befindet, gesprochen?
Mit anderen Sportlergeschwistern haben wir tatsächlich noch nie gesprochen. Ich sehe unsere familiäre Situation auch nicht wirklich als besonders oder einzigartig. Für uns fühlt sich das total normal an, da wir es nicht anders kennen. So sind wir aufgewachsen. Wir sind nicht nur sehr stolz aufeinander, Familie ist uns auch unglaublich wichtig, weshalb ich mir ein Familienleben gar nicht anders vorstellen könnte.

Was war der beste Rat, den dir dein Vater jemals gegeben hat, in Bezug auf Sport auf höchstem Level?
Im Sport muss jeder seinen eigenen Weg gehen und seinem eigenen Zeitplan folgen. Man muss sich auf die Gegenwart konzentrieren und dabei versuchen, die Höhepunkte aber auch die Zeiten, in denen es nicht so gut läuft, zu genießen.

Was fühlt sich für dich stressiger an: bei einem Major-Turnier am Sonntag um den Sieg mitzuspielen oder deiner Schwester oder deinem Bruder zuzuschauen, wie sie um einen Sieg kämpfen?
Ganz klar: Jess oder Sebi zuzuschauen. Es ist viel härter, Zuschauer zu sein, als selbst zu spielen, da man keinerlei Kontrolle über das Geschehen hat. Wenn ich selbst auf dem Platz stehe, habe ich Einfluss auf das, was passiert. Wenn meine Schwester oder mein Bruder spielen, sieht das ganz anders aus und das stresst mich wirklich sehr.

Abgesehen von deinem Golfbag, wie viel Gepäck checkst du ein, wenn du zu einem Turnier fliegst?
Ich reise immer mit zwei Koffern und einer Golftasche. In dem einen Koffer befindet sich mein ganzer Freizeit- und Fitness-Kram und im anderen meine Klamotten. Normalerweise bringe ich acht verschiedene Golf-Outfits zu einem Turnier plus einige Teile für unvorhersehbar kaltes Wetter und eventuelle Regenkleidung.

Findest du es gut, dass Profi-Golfer die Möglichkeit haben, ein wenig mit ihren Outfits zu experimentieren? Im Basketball oder im Fußball zum Beispiel ist das Trikot ja vorgegeben und fertig.
Ja, das gefällt mir schon ganz gut. Die Möglichkeit, das Outfit selbst wählen zu können, hat aber Vor- und Nachteile, schließlich kann die Kleiderwahl am Morgen auch in Stress ausarten. [lacht] Aber es ist natürlich toll, dass wir die Chance haben, unseren eigenen Fashion- Geschmack in den Wettkampf mit einzubringen.

Wie sieht dein Tagesablauf während einer Woche zu Hause ohne Turnier aus?
Ich verlasse das Haus morgens nach dem Frühstück, um auf der Range oder dem Platz zu trainieren. Danach geht es ins Fitnessstudio für das Work-out. Wenn die Trainingsarbeit getan ist, verbringe ich den Rest des Tages normalerweise mit der Familie.

Was ist dein Lieblingsreiseziel, wenn du keine Golfschläger im Gepäck hast?
Die Bahamas, würde ich sagen.

Stellt sich nach solch einer Traumsaison das Gefühl ein, nun alles erreicht zu haben? Oder bist du schon dabei, dir neue Ziele zu setzen?
Nein, so ein Gefühl hatte ich bisher nicht. Es war ein tolles Jahr und ich hatte bisher noch kaum Zeit, das alles zu verarbeiten und ernsthaft darüber nachzudenken. Aber natürlich setzt man sich neue Ziele und will auch im kommenden Jahr wieder erfolgreich sein. Nun werde ich mich aber erst einmal eine Weile hinsetzen und genießen, was in den letzten Monaten alles passiert ist.

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