Dem Nord Course von Green Eagle hängt der Ruf von etwas Gefährlichem an, nicht umsonst wird er das Green Monster genannt. Im Vorfeld des Amundi German Masters herrschte deshalb Sorge, was dieses Monster mit den Frauen anstellen würde. Einige Spielerinnen, die man im Feld erwartet hatte, zogen vielleicht auch wegen des Platzes ihre Teilnahme zurück. Und die Schwedin Ellinor Südow konstatierte nach dem Auftakt: "Hätte man mir am ersten Tee eine Zwei-über-Runde garantiert, hätte ich sie genommen." Tatsächlich spielte sie am Ende fünf unter Par und war eine von vier Spielerinnen, die mit einer 68 ins Clubhaus kamen. Denn am Donnerstag erwies sich das Grüne Monster in Wirklichkeit als "Shrek".
Die Turnierverantwortlichen hatten an sechs Abschlägen die Teeboxen bis zu 40 Meter nach vorne verlegt - vielleicht, weil das Wetter schlechter vorhergesagt war, als es letztlich eintrat. Ein Umstand, der vor allen Dingen Helen Briem und ihren Caddie irritierte. Ein ums andere Mal sorgte der Blick ins Birdiebook auf dem Tee für Stirnrunzeln, da sich der Platz in den Proberunden komplett anders gespielt hatte. "Ich habe nur selten den Driver geschlagen, sondern immer wieder zum Eisen 4 gegriffen", erzählte die 19-Jährige nach der Runde. Obwohl der deutsche Shootingstar so nicht ihre Länge ausspielen konnte, beendete auch sie mit einer 68 die Runde und beeindruckte dabei mit großer Konstanz, Gefasstheit, Nervenstärke und einer klugen Strategie. An Loch 10 gestartet, leistete sie sich an der 12 einen Drei-Putt und verpasste an der 14 nach einem zu langen Abschlag das Up-and-Down, doch dies sollten die einzigen zwei Bogeys des Tages bleiben. Trotz immer wieder auftretenden kräftigen Schauern blieb sie konzentriert und nutze konsequent ihre Chancen aus. Überraschenderweise allerdings nicht auf den sechs Par 5s, die sie nur zwei unter Par spielte, sondern auf den Par 3 Löchern.
An der 17, der 2 und der 5 sicherte sich Briem, die über die Saison fast 82% ihrer Grüns in Regulation trifft, mit exzellenten Eisenschlägen und starken Putts drei Birdies. Doch es waren zwei andere, fast unscheinbare Momente, die zeigen wie sehr an diesem Wochenende mit ihr zu rechnen sein muss. An Loch 4 driftete ihr Drive nach rechts ins Wasserhindernis. Statt den Ball von dort zu spielen und eine schlechte Situation womöglich noch schlechter zu machen, nahm sie den Strafschlag in Kauf, legte ihren nächsten Schlag vor und schlug ihr Wedge anschließend 70cm an die Fahne und sicherte das Par. "Ich habe mein Putten und mein Spiel mit dem Wedge verbessert", fasste sie den Schlüssel ihres Erfolgs zusammen. Das andere auffällige in ihrem Spiel ist, dass sie trotz ihrer 19 Jahre nicht kopflos sondern mit einer ausgeklügelten Strategie an den Start geht. Das dritte Loch auf dem Nord Course ist ein kurzes Par 4, wo das Fairway durch einen Teich und einen Bunker zum Flaschenhals wird. Während ihre Mitspielerinnen hohes Risiko in Kauf nahmen, um den Ball dort zu platzieren, ließ sich Briem lieber einen längeren Schlag ins Grün und platzierte dafür den Abschlag auf den breiteren Part des Fairways.
Die starke Runde der jungen Deutschen blieb auch auf dem Platz nicht unbemerkt. Direkt hinter Briem war mit Lokalmatadorin Esther Henseleit der Publikumsfavorit an den Start gegangen. Trotz früher Startzeit um 8 Uhr morgens und wechselhafter Bedingungen begleiteten zeitweise 150-200 Zuschauer die Olympia-Zweite. Dass es zwischenzeitig weniger wurden, lag nicht nur an den starken Regenschauern sondern auch daran, dass einige zu Helen Briem wechselten als diese sich auf dem Leaderboard immer weiter nach vorne schob. Henseleit selber ist allerdings auch in aussichtsreicher Position. Mit Birdies auf der 11 und der 12 erwischte die 21. der Damen-Weltrangliste einen Bilderbuchstart, konnte danach aber ihre zahlreichen Birdiechancen nur noch einmal nutzen. Kombiniert mit einem Bogey an der 3 sprangen so eine 71 und Platz 15 für die 26-Jährige heraus. Ein Resultat, das auch Titelverteidigerin Alexandra Försterling ins Clubhaus brachte. Obwohl sie von einer Rücken- und Zehenverletzung geplagt ist und sich an der 6 ein Dopelbogey notieren musste, geht sie nach einem langen gelochten Birdie-Putt an der 18 mit viel Selbstbewusstsein in den zweiten Tag.
Von den deutschen Teilnehmerinnen blieben auch Carolin Kauffmann, Leonie Harm und Laura Fünfstück unter Par, zudem sorgte Paula Schulz-Hansen mit einer 73 für das beste Ergebnis einer Amateurin - zwei Schläge vor der Siegerin des Augusta National Women's Amateur, Carla Bernat aus Spanien. Aus deutscher Sicht also ein Auftakt nach Maß. Das dürften sich auch die Engländerin Alice Hewson und die Neuseeländerin Amelia Garvey sagen, die zusammen mit Briem und Südow an der Spitze liegen - wobei Garvey mit einem Bogey am letzten Loch sogar die alleinige Führung aus der Hand gab.
Die Grundlage für ein spannendes Wochenende ist also gelegt. Insgesamt 38 Spielerinnen liegen innerhalb von vier Schlägen zu den Führenden und für den Freitag sind deutlich auffrischende Winde angekündigt. Wenn die Ladies European Tour dann vielleicht auch ein wenig die Scheuklappen ablegt und die Abschläge wieder auf die eigentlich geplanten Teeboxen zurück verlegt, wird vielleicht auch aus Shrek wieder ein Grünes Monster.

Amundi German Masters 2025
Helen Briem und Esther Henseleit begeistern
27.06.2025 | Von Rüdiger Meyer, Foto(s): Tristan Jones / LETBei der Auftaktrunde zum Amundi German Masters 2025 wurden die beiden Deutschen ihrer Favoritenrolle gerecht. Die Olympia-Zweite Esther Henseleit liegt in Lauerstellung, Jungtalent Helen Briem grüßt sogar von der Spitze