Das europäische Team für den Solheim Cup steht und Suzann Pettersen hat mit ihren Captain's Picks für einige Überraschungen gesorgt. Eine davon ist, dass Esther Henseleit, die sich durch ihre überragenden Leistungen in den letzten Wochen auf direktem Weg qualifiziert hat, keine Landsfrau an ihrer Seite haben wird. Am Anfang des Jahres sah alles danach aus, als wäre Alexandra Försterling iauf dem Weg zum Solheim Cup nicht zu stoppen. Mit Einzelsiegen bei der Aramco Team Series in Tampa und dem Amundi German Masters schien ihr Aufstieg unaufhaltbar. Doch die LPGA Tour erwies sich bisher noch als Hürde: bei elf Starts schaffte sie es nicht in die Top 25. Da auch die Olympischen Spiele eher durchschnittlich waren und bei der Women's British Open am Ende nur Platz 60 raussprang, sprach das Momentum gegen Försterling.
Das hat Pettersen allerdings nicht davon abgehalten, Emily Kristine Pedersen ins Team zu berufen, die sowohl in puncto aktueller Form als auch bei der Saisonleistung weit hinter Försterling zurück hängt. Die Dänin landete bei ihren letzten fünf Starts außerhalb der Top 40, verpasste in Schottland zwei Mal den Cut und ist aktuell nicht einmal die Dänin mit der besten Form und der besten Weltranglistenplatzierung. Das wäre Nanna Koerstz Madsen gewesen, die in St. Andrews den neunten Platz belegte und den Solheim Cup wie Försterling überraschenderweise ebenso nur am TV-Gerät verfolgen darf.
Offenbar war der wichtigste Nominierungs.Faktor für Pettersen und ihre Vize-Captains der Punkt Erfahrung. Neben Henseleit hat es mit Albane Valenzuela nur ein weiterer Rookie ins Team geschafft. Die zuletzt stark aufspielende Valenzuela ist dabei die erste Schweizerin in der Geschichte des Solheim Cups, während Henseleit als sechste Deutsche nach Elisabeth Esterl (2003), Bettina Hauert (2007), Sandra Gal (2011+2015), Caroline Masson (2013-2019) und Sophia Popov (2021) die schwarz-rot-goldenen Farben vertritt.
Der dritte Captain's Picks ging wie erwartet an die Engländerin Georgia Hall, die nicht nur eine der höchstplatzierten Europäerinnen im Rolex Ranking ist, sondern auch mit einem starken Auftritt bei der Women's British Open ihre gute Form unterstrich. Zudem ist sie zum fünften Mal in Folge beim Solheim Cup dabei und kann dadurch gerade bei einem schwierigen Auswärtsspiel ihre Erfahrung mit einbringen. Der Faktor Erfahrung kam sicherlich auch bei der Schwedin Anna Nordqvist ins Spiel, die zum neunten Mal Europa vertritt. Dass sie dabei früher auch schon mal mit Suzann Pettersen im Vierer gespielt hat, war sicher nicht hinderlich. Etwas ungewöhnlich ist allerdings, dass sie als Vizekapitänin in der Entscheidungsfindung involviert war und es trotz wechselhafter Form ins Team schaffte. Entsprechend wird Nordqvist im September natürlich zusätzlich unter Druck stehen - aber diese Erfahrung hatte sie bereits im letzten Jahr und nach drei Niederlagen in den Vierern zumindest im Einzel einen wichtigen Punkt zum Unentschieden beigetragen. Am Ende wird es sein wie immer: Gewinnt Europa, hat Suzann Pettersen alles richtig gemacht. Bei einer Niederlage werden die mutigen Entscheidungen von heute noch einmal besonders kritisch unter die Lupe genommen.
Europas Team für den Solheim Cup 2024
Charley Hull
Die Weltranglisten-Zehnte schrammte 2023 zwei Mal nur knapp an ihrem ersten Major vorbei. Sowohl bei der US Women's Open als auch bei der Women's British Open musste sie sich am Ende mit Platz zwei begnügen. Auch dieses Jahr machte sie sich in St. Andrews lange Zeit auf den Titel und landete am Ende auf Platz 5. Obwohl sie erst 28 Jahre jung ist, ist dies bereits ihr siebter Solheim Cup: 2013 debütierte sie im Rekordalter von 17 Jahren und 149 Tagen. Ihre Bilanz ist mit 13,5 Punkten aus 22 Matches ebenso positiv wie ihre Solheim-Cup-Erfahrung: bei vier der sechs Teilnahmen war Europa siegreich.
Esther Henseleit
Die Silbermedaillen-Gewinnerin von Paris musste durch eine schwache Finalrunde in St. Andrews ihre Hoffnung auf den ersten Major-Titel begraben, aber ihre Debüt-Teilnahme am Solheim Cup ist mehr als nur ein Trostpreis. Ihre zwei zweiten Plätze bei den Olympischen Spielen und der Scottish Ladies Open katapultierten sie auf Platz 29 des Rolex Rankings und damit in Sphären, die aus Deutschland bisher nur Sophia Popov und Sandra Gal erreichten. Dabei begeistert sie gerade in den letzten Wochen mit einer unglaublichen Konstanz, die sie in den Saisonrankings der LPGA (25) und LET (6) weit nach vorne brachten.
Céline Boutier
Die Französin ließ während der Olympischen Spiele bei ihren Landsleuten Hoffnung auf eine Goldmedaille aufkommen. Am Ende wurde es nur Platz 18, aber die bestplatzierte Europäerin der Weltrangliste überzeugt vor allem mit Konstanz. Zwar reichte es noch nicht für einen Sieg, aber gerade mal einen verpassten Cut musste sie in diesem Jahr verzeichnen. In Colorado vertritt sie zum vierten Mal die europäischen Farben im Solheim Cup und hofft, eher an ihr Debüt mit vier Siegen als an ihren letztjährigen Auftritt mit drei Niederlagen anknüpfen zu können.
Maja Stark
Die Schwedin debütierte letztes Jahr im Solheim Cup und trug mit ihrem Einzelsieg gegen Allisen Corpuz einen entscheidenden Punkt für die Titelverteidigung bei. Mit zwei Siegen, einem Unentschieden und einer Niederlage bewies die 24-jährige dass sie dem Druck gewachsen ist - und ohne die damals alles in Grund und Boden spielende Nelly Korda hätte Stark 2024 bei der Chevron Championship auch ihr erstes Major eingefahren.
Linn Grant
Neben Landsfrau Stark feierte auch Linn Grant letztes Jahr ihr Ryder-Cup-Debüt und holte als schwedisches Duo im Klassischen Vierer gleich einen Punkt. Welche Klasse sie hat, beweist sie regelmäßig beim Scandinavian Mixed wo sie sich schon zwei Mal gegen männliche Konkurrenz durchsetzte. Und mit Platz zehn bei der Women's British Open bewies die 25-Jährige, dass sie zur rechten Zeit in Form ist.
Leona Maguire
Die Irin machte bei ihrem Solheim-Cup-Debüt 2021 mit einem Ausrufezeichen auf sich aufmerksam als sie 4,5 Punkte holte und einen Rookie-Rekord aufstellte. Auch letztes Jahr überzeugte sie - besonders im Einzel wo sie Rose Zhang mit 4&3 vom Platz fegte. Ihr Talent war schon früh abzusehen, schließlich lag keine Frau länger an der Spitze des World Amateur Golf Rankings als sie - und mit einer 61 im Finale der Evian Championship 2021 stellte sie die niedrigste Schlussrunde der Major-Geschichte (männlich und weiblich) auf. 2024 tut sie sich etwas schwerer, obwohl sie die Einzelwertung der Aramco Team Series in London gewann.
Carlota Ciganda
Die Spanierin trug die Europäerinnen im letzten Jahr nahezu ganz alleine zur Titelverteidigung. Nicht nur, dass sie vier Punkte aus vier Matches holte, im Einzel hielt sie ausgerechnet Nelly Korda mit 2 auf 1 in Schach und sicherte sich damit den entscheidenden Punkt für das Unentschieden. Wie für Charley Hull wird es auch für Ciganda die siebte Solheim-Teilnahme sein, die zwei ungeschlagene Jahre (2013 und 2023) und vier durchwachsene Auftritte mit sich brachten. Ähnliches lässt sich auch über ihr aktuelles Jahr sagen. Beim ersten Major, der Chevron Championship, holte sie Platz 6, seither konnte sie aber keine Top-10-Platzierung mehr erreichen.
Madelene Sagström
Nur mit viel Glück sicherte sich die Schwedin den letzten automatischen Platz im Solheim-Cup-Team. Nachdem sie bei der Women's British Open den Cut verpasste, gab sie Georgia Hall die Chance, mit einem guten Ergebnis in der Weltrangliste und damit auch in der Solheim-Qualifikation an ihr vorbeizuziehen. Doch eine schwache dritte Runde machte Halls Hoffnungen zunichte, sodass Sagström sich auf ihre vierte Teilnahme beim Kontinentalwettstreit vorbereiten kann. Gut möglich, dass sie ansonsten nicht als Captain's Pick genommen worden wäre, denn bei ihren bisherigen Auftritten konnte sie nie eine positive Bilanz vorweisen.
Georgia Hall
Keine Frage, an Hall führte für Pettersen kein Weg vorbei. Als 40. der Weltrangliste ist sie eine der besten Europäerinnen überhaupt, bei der Women's British Open bewies die 28-Jährige noch einmal ihre gute Form der letzten Wochen und mit vier Solheim-Cup-Teilnahmen bringt sie das nötige Maß an Erfahrung mit. Hinzu kommt, dass sie als Women's British Open Champion von 2018 dem Gros des europäischen Teams einen Majorsieg voraus hat.
Anna Nordqvist
Die Schwedin ist eine Art Urgestein des Solheim Cups und spielte schon bei drei Solheim Cups einen Vierer mit Kapitänin Suzann Pettersen. Die Schwedin erzielte nicht nur das erste Hole-in-One der Solheim Geschichte, sie hat bei acht Teilnahmen auch eine leicht positive Bilanz und gehört mit 16,5 geholten Punkten zu den erfolgreichsten europäischen Solheim-Cuppern.
Emily Kristine Pedersen
Wer ein Hole in One spielt, ist offenbar automatisch für den Solheim Cup qualifiziert. So scheint es zumindest bei Pettersens Captain's Picks gewesen zu sein. Im letzten Jahr gelang der Dänin als zweite Frau dieses Kunststück. Für Pedersen ist es die vierte Teilnahme am Solheim Cup, wo sie bisher allerdings nur bedingt überzeugen konnte: fünf Siegen stehen sechs Niederlagen gegenüber. Auch ihr 2024 war bisher nur halb erfolgreich. Zuletzt verpasste sie in Schottland zwei Mal den Cut und bei den Olympischen Spielen war sie als 44. beispielsweise sieben Schläge hinter Alexandra Försterling. Von diesem reduzierten Feld abgesehen konnte sie sich bei ihren letzten zehn Starts nur ein weiteres Mal unter den besten 50 platzieren.
Albane Valenzuela
Zum ersten Mal in der 34-jährigen Geschichte des Solheim Cups hat es eine Schweizerin ins Team geschafft. Mit einem 20. Platz bei der Women's British Open unterstrich die gebürtige New Yorkerin noch einmal ihre Ansprüche auf einen Captain's Pick. Dass sie überhaupt in Frage kam, verdankt die 26-Jährige einem starken Schlusssprint mit Platz 9 bei der Shoprite Classic, der besten Schlussrunde und einem 13. Platz bei den Olympischen Spielen sowie zahlreiche Top-25-Ergebnisse in den letzten Wochen.