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Für das präzise Wickeln der Kohlefasern um einen Eisenkern braucht es Fachleute mit jahrelanger Berufserfahrung

Honma

Schläger wie Massanzüge

Von Jan Langenbein

Sah man vor zehn Jahren ein abgestelltes Bag voller Honma-Schläger vor dem Clubhaus, war es leicht, Rückschlüsse auf das Alter und den Geldbeutel seines Besitzers zu ziehen. Doch diese Zeiten sind vorbei, längst bauen die Japaner auch Material für die Sportler unter uns.

Vom Inhalt eines Golfbags kann man mindestens so gut Rückschlüsse auf den Status und den Charakter seines Besitzers ziehen, wie es auch ein Anzug zulässt. Stil und das dazu nötige Selbstbewusstsein manifestieren sich schließlich in der Garderobe. Da wären zum Beispiel die Träger möglichst preiswerter Konfektionsware aus dem Kaufhaus in Stadtrandlage. Das golferische Äquivalent dieses häufig niederen Angestellten der Capitol-Versicherung ist ein Typ mit Fernmitgliedschaft irgendwo in der irischen Provinz und einem Komplettset aus demselben Kaufhaus, in dem er auch seine Anzüge kauft. Diesem Golfer bereitet es diebische Freude mitzuteilen, dass sein aus 14 Schlägern und einem Golfbag bestehendes Set preiswerter war als der TaylorMade-M1-Driver seines meist einmaligen Spielpartners. Reden wir nicht weiter über diesen Spielertypus.

Die zweite Gruppe Männer kauft ihren Anzug zwar auch von der Stange, ist sich jedoch bewusst, dass man beim Kauf eines wohlklingenden Markennamens nicht nur das Label bezahlt, sondern hauptsächlich die Gehälter weltbekannter Designer, die in ihrem kleinen Zeh mehr Stilbewusstsein haben als ein Großteil ihrer Kunden zusammengenommen. "Coolness-" und "Stil-Transfer" lauten die Stichworte. Auf Golfer übertragen spielen diese Boss-, J.Lindeberg- oder Gucci-Träger Mizuno, Callaway, Ping oder irgendeine andere der großen Golfmarken. Die Message ist klar: Für einen sauberen Style beziehungsweise gute Performance auf dem Golfplatz sind diese Typen bereit, nicht nur Geld, sondern auch Zeit und Recherche zu investieren. Diese Männer sind sophisticated, wie man auf Neudeutsch sagen würde.

Daneben gibt es allerdings noch die dritte Sorte, die weder beim Anzug noch bei den Golfschlägern zu Ware von der Stange greifen würde. Das überlassen sie den anderen. Diese Gruppe lässt sich ihre Anzüge und Hemden gerne in Londons Savile Row auf den Leib schneidern und die Golfschläger nach einem erstklassigen Fitting passend zum Schwung in Japan schmieden, womit wir beim eleganten Übergang zum Thema dieser Geschichte angekommen wären.

Die Familie Honma hat in Japan einen ähnlichen Status wie die Krupps hierzulande oder der Agnelli-Clan in Italien. Bereits im 18. Jahrhundert brachte es diese Kaufmannsfamilie mit Bank- und Reedereigeschäften zu enormem Reichtum, der in Japan sogar in alten Volksliedern besungen wird. In der Hafenstadt Sakata knapp 500 Kilometer nördlich von Tokio bauten sich die Honmas 1813 eine Sommerresidenz, die mittlerweile ein Museum und die größte Touristenattraktion der Region ist. Bei ihrer Erbauung dachte zwar noch niemand an Golfschläger, in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurde Golf allerdings als Zeitvertreib der ultrareichen Oberschicht immer populärer und auch zwei Brüder aus dem Hause Honma verfielen dieser Sucht. Hiro und Mutsumi Honma gründeten 1958 mit dem Tsurumi Golf Center in Yokohama nicht nur eine Driving Range, die Golf auch den Bürgern der Mittelschicht zugänglich machen sollte, sondern begannen auch damit, erste Schläger selbst anzufertigen.

Honma: Die Entwicklungsabteilung ist das Herzstück des Honma-Werks in Sakata. Mehr als 100 Ingenieure arbeiten hierHonma: Die Entwicklungsabteilung ist das Herzstück des Honma-Werks in Sakata. Mehr als 100 Ingenieure arbeiten hier
Die Entwicklungsabteilung ist das Herzstück des Honma-Werks in Sakata. Mehr als 100 Ingenieure arbeiten hier

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AUF DIE PRODUKTIONSKOSTEN WURDE BEIM VERSUCH, DIE BESTEN GOLFSCHLÄGER DER WELT ZU BAUEN, BEI HONMA NOCH NIE RÜCKSICHT GENOMMEN.
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Kurz nach der Fertigstellung des ersten mit dem Namen Honma versehenen Testschlägers wurde dann die Honma Golf Club Manufacturing Co. gegründet1. Bereits in dieser embryonalen Phase des Unternehmens formulierte Hiro Honma seine Vision, Golfschläger zu entwickeln und zu produzieren, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Auf dem Weg dorthin alle Komponenten des Schlägers selbst herzustellen erschien konsequent. Egal ob Schlägerkopf, Schaft oder Griff, alles sollte selbst entwickelt und produziert werden, da nur so der "Golfschlägerbau als Kunstform", wie es der Firmengründer nannte, ohne Kompromisse umgesetzt werden konnte. Auf Produktionskosten wurde beim Versuch, die besten Golfschläger der Welt zu bauen, bei Honma noch nie Rücksicht genommen und auch geltende Industriestandards wurden als technologische Limits niemals akzeptiert. Der daraus resultierende, oft stattlich Endpreis der Honma-Schläger ist somit kein Marketing-Trick zur Simulation einer extrem prestigeträchtigen Marke, sondern schlicht das Resultat aufwendiger Forschung und der Verwendung neuester Technologien und der besten Materialien. Diese Schläger kosten aus dem gleichen Grund so viel, warum auch ein Porsche 911 Turbo bereits in der Basisversion mehr als 170.000 Euro kostet. Beide Produkte gehören zur absoluten Spitze ihrer jeweiligen Branche, was die technologische Fortschrittlichkeit, die Verarbeitungsqualität und den Nutzwert für den Kunden angeht. Performance steht ganz klar über dem Imagewert der Marke und Qualität über allem.

Die Vorteile von Grafitschäften liegen laut Dietmar Erhardt, der mit seiner Firma Classic Club Repair seit Mitte der 90er für den Vertrieb von Honma-Produkten in Deutschland und Österreich zuständig ist, auf der Hand: "Der Schaft ist die Seele eines Golfschlägers und Verbesserungen am Schaft sind für jeden Spieler am leichtesten spürbar. Aus physikalischer Sicht war es logisch, Kohlefaser zu verwenden, denn die Gewichtsverteilung und das Gesamtgewicht des Schläger ließen sich damit beeinflussen. Wiegt ein Schläger mit Stahlschaft insgesamt 350 Gramm, bringt das gleiche Modell mit Grafitschaft nur 290 Gramm auf die Waage. Ein Schläger mit geringerem Gewicht lässt sich leichter beschleunigen und so sorgt ein Grafitschaft allein durch sein Gewicht dafür, dass sich die Schlägerkopfgeschwindigkeit und damit auch die Schlaglänge eines Golfers erhöht." Seit Einführung der Grafitschäfte wird diese Technologie immer weiter verfeinert und ist der Hauptgrund dafür, dass der Preis eines Honma-Drivers in Deutschland zurzeit bei 1.149 Euro liegt, denn für 70 Prozent dieses Preises ist der Schaft verantwortlich. Genauer gesagt die Qualität der als Ausgangsmaterial verwendeten Kohlefasern, wie Erhardt erklärt: "Der Preis des Fasermaterials, das bei einem Formel-1-Chassis oder beim Flugzeugbau zum Einsatz kommt, ist selbstverständlich höher als der einer Faser, die für Kinderspielzeug verwendet wird. Aus hochwertigeren Fasern lassen sich auch bessere Schäfte bauen. Dazu hat sich bei Honma in den letzten vier Jahrzehnten eine Menge Wissen angesammelt, wie man diese Fasern am besten verarbeitet, um den Schaft biegsam, gleichzeitig aber torsionsarm3 und leicht zu machen." Wie ein Maßschneider für einen Anzug Stoffe unterschiedlicher Qualitäten verarbeiten kann, die sich dann auf den Endpreis auswirken, hat man auch bei Honma unterschiedliche Faserqualitäten für Schäfte im Angebot. "Darum bietet Honma unterschiedliche Qualitätsstufen bei seinen Schäften an: vom normalen Grafitschaft über zwei Sterne bis hin zur Fünfsterne-Qualität. Für diese Spitzenprodukte gibt es selbst in Japan nur wenige Handwerker, die solche Materialien verarbeiten können, denn hier würde jeder kleine Fehler sofort Ausschussware von mehreren Hundert Dollar bedeuten - pro Schaft, versteht sich." Gipfel dieser Entwicklungsarbeit ist heute das ARMRQ8-Außengeflecht aus Kohlefaser, das wirksam verhindert, dass sich der Schaft während des Schwungs oval verformt.

Honma: Die Schlagfläche und der Schaft der IS-05-Eisen (l.) befördern den Ball ohne große Anstrengung
Die Schlagfläche und der Schaft der IS-05-Eisen (l.) befördern den Ball ohne große Anstrengung
Drei Jahre nach der Grafit-Innovation in den 70ern beschloss man, auch etwas für die Markenbildung zu tun, und stellte das bis heute verwendete Mole-in-the-Hole-Logo vor, bei dem ein Maulwurf aus dem O des Honma-Schriftzugs klettert. Auf dem asiatischen Markt war die Marke zu diesem Zeitpunkt so gut etabliert, dass die Nachfrage nach den Schlägern eine Hinwendung zur Massenproduktion, wie sie zu dieser Zeit bereits von vielen großen Golfunternehmen eingesetzt wurde, eigentlich nötig gemacht hätte. Hiro Honma entschied sich jedoch gegen eine Abkehr von den ursprünglichen Firmenwerten und beschloss, alle Einzelteile der Honma-Schläger auch weiterhin in der eigenen Firma in Handarbeit herstellen zu lassen.

Trotzdem wurde der Firmensitz in Yokohama Anfang der 80er-Jahre zu klein. Das Unternehmen begab sich zurück zu den Familienwurzeln und zog nach Sakata, wo es sich schnell zum größten Arbeitgeber entwickelte. Die hervorragenden Spieleigenschaften der Blade-Eisen mit butterweichem Feedback wie auch der perfekt verarbeiteten Persimmon-Hölzer hatten sich zu diesem Zeitpunkt unter den besten Spielern der Welt herumgesprochen, die mit der japanischen Edelmarke bereits einige Siege auf der PGA Tour einfahren konnten. Für den endgültigen Ritterschlag der Marke sorgte dann Lee Trevino, der mit Persimmon-Hölzern von Honma im Bag die PGA Championship 19844 gewann.

Trotz dieser Erfolge investierte man in Sakata das zur Verfügung stehende Budget lieber in die Entwicklungsabteilung als in hoch dotierte Sponsoringverträge und forschte weiter an neuen Materialien und Fertigungstechniken. Eine Strategie, die 1990 erneut Früchte trug, als Honma den ersten Grafitschaft mit Titanium-Zusatz vorstellte und für diese Innovation erstmals ein Patent in den USA anmeldete. Die Idee dahinter war, die Vorteile der Carbon-Faser mit den positiven Eigenschaften des Metalls zu verbinden, um endlich auch in einem Grafitschaft das bisher noch unterentwickelte Feedback für den Golfer zu verbessern. Anfang der 90er, also in der Prä-Tiger Ära, war die Anzahl der Persimmon-Hölzer auf den Profitouren immer noch hoch, denn die bereits verfügbaren Metalwoods hatten sich noch nicht flächendeckend durchgesetzt. Bei Honma war man zu dieser Zeit der Ansicht, dass Stahl nicht das geeignete Material für Driver und Fairwayhölzer sein könne, und forschte bis 1998 weiter, bis man schließlich so weit war, die ersten firmeneigenen Titanium-Hölzer auf den Markt zu bringen. Seither ist dieses Material Standard im Holzsegment.

Honma:
Hatte Honma in den 90er- und 00er-Jahren hierzulande noch das Image, vor allem bei gut situierten Senioren hoch im Kurs zu stehen, lässt sich 2016 der typischen Honma-Spieler im Amateurbereich nicht mehr aufgrund seiner Spielstärke bestimmen, zu breit ist mittlerweile das Produktsortiment. "Vor fünf Jahren war der Honma-Spieler noch ein Golfer, der vom geringen Gewicht des Schafts profitiert hat", erklärt Dietmar Erhardt. Golfer mit geringerer Schlägerkopfgeschwindigkeit greifen immer noch gerne zu den Schlägern der Beres-Serie. Seit vier Jahren haben die Japaner jedoch mit der Tour-World-Serie Hölzer und geschmiedete Eisen5 im Angebot, die an die 70er und 80er und die damals produzierten Player-Eisen anknüpft. "Die Tour-World-Schläger sind ganz klar auf sportliche Spieler ausgelegt. Hier spielt das Gewicht der Schäfte nicht die Hauptrolle, während bei den Beres6-Schlägern die leichte Bauweise und die hohe Fehlertoleranz im Vordergrund stehen." Und auch preislich erschließt die TW-Serie neue Spielerkreise, schließlich liegt ein Honma-TW-Eisen mit 199 Euro (Stahlschaft) nur knapp über den Preisen der Konkurrenz.

Die Anzahl der offen sichtbaren Honma-Logos auf der PGA Tour blieb aufgrund der wenigen Sponsorships jedoch bis heute gering. Unter Celebrity-Golfern entwickelte sich die Marke spätestens seit Beginn der 90er-Jahre allerdings zu einem Musthave. Als Jack Nicholson 1994 bei einem verkehrsbedingten Tobsuchtsanfall die Windschutzscheibe eines Mercedes zertrümmerte, der ihn angeblich geschnitten hatte, wählte er den Schläger nicht ohne Bedacht. "Ich war auf dem Weg zum Golfplatz und trotz des sich gerade abspielenden Wahnsinns wusste ich doch, was ich tat", gab Nicholson später zu Protokoll, "denn ich öffnete den Kofferraum und griff nach einem Schläger, den ich sonst nie benutze: mein Eisen 2." Es war ein Eisen 2 von Honma und Nicholson einigte sich später mit seinem Opfer auf eine Zahlung von 500.000 Dollar. Dagegen war die Rechnung, die Sänger Marc Anthony einst für einen Satz Honma-Schläger vorgelegt wurde, ein absolutes Schnäppchen. Anthony spazierte mit der unmissverständlichen Ansage in einen Pro-Shop auf Hawaii, man möge ihm das feinste an Schlägerbaukust geben, was der Laden zu bieten habe. Das ließ sich der Angestellte nicht zweimal sagen und auch der Grammy-Gewinner hatte im Anschluss an diese Transaktion einen hervoragenden Tag auf dem Platz.

Wie bei den Trägern von Savile-Row-Anzügen handelt es sich also auch bei den Honma-Spielern um einen Menschenschlag, der Wert auf Qualität und Handwerkskunst legt. Man sollte sich allerdings davor hüten, allzu schnell einen Minderwertigkeitskomplex zu vermuten. Denn bei beiden Gruppen steht nicht die Geltungssucht oder der Erwerb von Prestige im Vordergrund, sondern die Weigerung, sich mit weniger als dem Maximum an Qualität, Stil und Tradition zufrieden zu geben.

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