Die zweite Gruppe Männer kauft ihren Anzug zwar auch von der Stange, ist sich jedoch bewusst, dass man beim Kauf eines wohlklingenden Markennamens nicht nur das Label bezahlt, sondern hauptsächlich die Gehälter weltbekannter Designer, die in ihrem kleinen Zeh mehr Stilbewusstsein haben als ein Großteil ihrer Kunden zusammengenommen. "Coolness-" und "Stil-Transfer" lauten die Stichworte. Auf Golfer übertragen spielen diese Boss-, J.Lindeberg- oder Gucci-Träger Mizuno, Callaway, Ping oder irgendeine andere der großen Golfmarken. Die Message ist klar: Für einen sauberen Style beziehungsweise gute Performance auf dem Golfplatz sind diese Typen bereit, nicht nur Geld, sondern auch Zeit und Recherche zu investieren. Diese Männer sind sophisticated, wie man auf Neudeutsch sagen würde.
Daneben gibt es allerdings noch die dritte Sorte, die weder beim Anzug noch bei den Golfschlägern zu Ware von der Stange greifen würde. Das überlassen sie den anderen. Diese Gruppe lässt sich ihre Anzüge und Hemden gerne in Londons Savile Row auf den Leib schneidern und die Golfschläger nach einem erstklassigen Fitting passend zum Schwung in Japan schmieden, womit wir beim eleganten Übergang zum Thema dieser Geschichte angekommen wären.
Die Familie Honma hat in Japan einen ähnlichen Status wie die Krupps hierzulande oder der Agnelli-Clan in Italien. Bereits im 18. Jahrhundert brachte es diese Kaufmannsfamilie mit Bank- und Reedereigeschäften zu enormem Reichtum, der in Japan sogar in alten Volksliedern besungen wird. In der Hafenstadt Sakata knapp 500 Kilometer nördlich von Tokio bauten sich die Honmas 1813 eine Sommerresidenz, die mittlerweile ein Museum und die größte Touristenattraktion der Region ist. Bei ihrer Erbauung dachte zwar noch niemand an Golfschläger, in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurde Golf allerdings als Zeitvertreib der ultrareichen Oberschicht immer populärer und auch zwei Brüder aus dem Hause Honma verfielen dieser Sucht. Hiro und Mutsumi Honma gründeten 1958 mit dem Tsurumi Golf Center in Yokohama nicht nur eine Driving Range, die Golf auch den Bürgern der Mittelschicht zugänglich machen sollte, sondern begannen auch damit, erste Schläger selbst anzufertigen.


»AUF DIE PRODUKTIONSKOSTEN WURDE BEIM VERSUCH, DIE BESTEN GOLFSCHLÄGER DER WELT ZU BAUEN, BEI HONMA NOCH NIE RÜCKSICHT GENOMMEN.«
Die Vorteile von Grafitschäften liegen laut Dietmar Erhardt, der mit seiner Firma Classic Club Repair seit Mitte der 90er für den Vertrieb von Honma-Produkten in Deutschland und Österreich zuständig ist, auf der Hand: "Der Schaft ist die Seele eines Golfschlägers und Verbesserungen am Schaft sind für jeden Spieler am leichtesten spürbar. Aus physikalischer Sicht war es logisch, Kohlefaser zu verwenden, denn die Gewichtsverteilung und das Gesamtgewicht des Schläger ließen sich damit beeinflussen. Wiegt ein Schläger mit Stahlschaft insgesamt 350 Gramm, bringt das gleiche Modell mit Grafitschaft nur 290 Gramm auf die Waage. Ein Schläger mit geringerem Gewicht lässt sich leichter beschleunigen und so sorgt ein Grafitschaft allein durch sein Gewicht dafür, dass sich die Schlägerkopfgeschwindigkeit und damit auch die Schlaglänge eines Golfers erhöht." Seit Einführung der Grafitschäfte wird diese Technologie immer weiter verfeinert und ist der Hauptgrund dafür, dass der Preis eines Honma-Drivers in Deutschland zurzeit bei 1.149 Euro liegt, denn für 70 Prozent dieses Preises ist der Schaft verantwortlich. Genauer gesagt die Qualität der als Ausgangsmaterial verwendeten Kohlefasern, wie Erhardt erklärt: "Der Preis des Fasermaterials, das bei einem Formel-1-Chassis oder beim Flugzeugbau zum Einsatz kommt, ist selbstverständlich höher als der einer Faser, die für Kinderspielzeug verwendet wird. Aus hochwertigeren Fasern lassen sich auch bessere Schäfte bauen. Dazu hat sich bei Honma in den letzten vier Jahrzehnten eine Menge Wissen angesammelt, wie man diese Fasern am besten verarbeitet, um den Schaft biegsam, gleichzeitig aber torsionsarm3 und leicht zu machen." Wie ein Maßschneider für einen Anzug Stoffe unterschiedlicher Qualitäten verarbeiten kann, die sich dann auf den Endpreis auswirken, hat man auch bei Honma unterschiedliche Faserqualitäten für Schäfte im Angebot. "Darum bietet Honma unterschiedliche Qualitätsstufen bei seinen Schäften an: vom normalen Grafitschaft über zwei Sterne bis hin zur Fünfsterne-Qualität. Für diese Spitzenprodukte gibt es selbst in Japan nur wenige Handwerker, die solche Materialien verarbeiten können, denn hier würde jeder kleine Fehler sofort Ausschussware von mehreren Hundert Dollar bedeuten - pro Schaft, versteht sich." Gipfel dieser Entwicklungsarbeit ist heute das ARMRQ8-Außengeflecht aus Kohlefaser, das wirksam verhindert, dass sich der Schaft während des Schwungs oval verformt.

Trotzdem wurde der Firmensitz in Yokohama Anfang der 80er-Jahre zu klein. Das Unternehmen begab sich zurück zu den Familienwurzeln und zog nach Sakata, wo es sich schnell zum größten Arbeitgeber entwickelte. Die hervorragenden Spieleigenschaften der Blade-Eisen mit butterweichem Feedback wie auch der perfekt verarbeiteten Persimmon-Hölzer hatten sich zu diesem Zeitpunkt unter den besten Spielern der Welt herumgesprochen, die mit der japanischen Edelmarke bereits einige Siege auf der PGA Tour einfahren konnten. Für den endgültigen Ritterschlag der Marke sorgte dann Lee Trevino, der mit Persimmon-Hölzern von Honma im Bag die PGA Championship 19844 gewann.
Trotz dieser Erfolge investierte man in Sakata das zur Verfügung stehende Budget lieber in die Entwicklungsabteilung als in hoch dotierte Sponsoringverträge und forschte weiter an neuen Materialien und Fertigungstechniken. Eine Strategie, die 1990 erneut Früchte trug, als Honma den ersten Grafitschaft mit Titanium-Zusatz vorstellte und für diese Innovation erstmals ein Patent in den USA anmeldete. Die Idee dahinter war, die Vorteile der Carbon-Faser mit den positiven Eigenschaften des Metalls zu verbinden, um endlich auch in einem Grafitschaft das bisher noch unterentwickelte Feedback für den Golfer zu verbessern. Anfang der 90er, also in der Prä-Tiger Ära, war die Anzahl der Persimmon-Hölzer auf den Profitouren immer noch hoch, denn die bereits verfügbaren Metalwoods hatten sich noch nicht flächendeckend durchgesetzt. Bei Honma war man zu dieser Zeit der Ansicht, dass Stahl nicht das geeignete Material für Driver und Fairwayhölzer sein könne, und forschte bis 1998 weiter, bis man schließlich so weit war, die ersten firmeneigenen Titanium-Hölzer auf den Markt zu bringen. Seither ist dieses Material Standard im Holzsegment.

Die Anzahl der offen sichtbaren Honma-Logos auf der PGA Tour blieb aufgrund der wenigen Sponsorships jedoch bis heute gering. Unter Celebrity-Golfern entwickelte sich die Marke spätestens seit Beginn der 90er-Jahre allerdings zu einem Musthave. Als Jack Nicholson 1994 bei einem verkehrsbedingten Tobsuchtsanfall die Windschutzscheibe eines Mercedes zertrümmerte, der ihn angeblich geschnitten hatte, wählte er den Schläger nicht ohne Bedacht. "Ich war auf dem Weg zum Golfplatz und trotz des sich gerade abspielenden Wahnsinns wusste ich doch, was ich tat", gab Nicholson später zu Protokoll, "denn ich öffnete den Kofferraum und griff nach einem Schläger, den ich sonst nie benutze: mein Eisen 2." Es war ein Eisen 2 von Honma und Nicholson einigte sich später mit seinem Opfer auf eine Zahlung von 500.000 Dollar. Dagegen war die Rechnung, die Sänger Marc Anthony einst für einen Satz Honma-Schläger vorgelegt wurde, ein absolutes Schnäppchen. Anthony spazierte mit der unmissverständlichen Ansage in einen Pro-Shop auf Hawaii, man möge ihm das feinste an Schlägerbaukust geben, was der Laden zu bieten habe. Das ließ sich der Angestellte nicht zweimal sagen und auch der Grammy-Gewinner hatte im Anschluss an diese Transaktion einen hervoragenden Tag auf dem Platz.
Wie bei den Trägern von Savile-Row-Anzügen handelt es sich also auch bei den Honma-Spielern um einen Menschenschlag, der Wert auf Qualität und Handwerkskunst legt. Man sollte sich allerdings davor hüten, allzu schnell einen Minderwertigkeitskomplex zu vermuten. Denn bei beiden Gruppen steht nicht die Geltungssucht oder der Erwerb von Prestige im Vordergrund, sondern die Weigerung, sich mit weniger als dem Maximum an Qualität, Stil und Tradition zufrieden zu geben.