Mehr als nur Bälle: Vice Golf bietet inzwischen auch Bags, Caps, Handschuhe, Headcover und andere Accessoires an.
Vice Golf
Vice Golf versus Goliath
Von Fritz LüdersWie einst das Gallische Dorf: 2017 n. Chr. leisten Ingo Düllmann und Vice Golf Widerstand gegen die globalen Golfballmächte und das anscheinend erfolgreich.
GolfPunk: Werden ähnliche Produkte zu verschiedenen Preisen angeboten, halten viele das günstigere automatisch für das schlechtere. Vice-Bälle kosten weniger als die der Konkurrenz. Wieso habt ihr dennoch kein Billig-Image aufgedrückt bekommen?
Ingo Düllmann: Das ist natürlich eine recht schwierige Angelegenheit. Wenn man ein Produkt zu einem günstigen oder - wie wir finden - fairen Preis anbietet, erhält man schnell den Ruf, schlechter zu sein. Damit hatten wir anfangs natürlich zu kämpfen. Durch viele veröffentlichte Tests, begeisterte Spieler, ein starkes Brandbuilding sowie das Engagement bei der DGL konnten wir dieses Vorurteil recht schnell beseitigen. Außerdem bietet das Vertriebsmodell eine gewisse Transparenz im Geschäftsbetrieb, weshalb Golfer den günstigeren Preis auch gut nachvollziehen können.
Seit der Gründung habt ihr euch deutlich vergrößert und seid den Start-up-Schuhen mittlerweile entwachsen. Wie würdet ihr Vice Golf inzwischen beschreiben?
Im Herzen sind wir nach wie vor ein Start-up und versuchen auch, das so lange wie möglich zu bleiben. Wir sehen uns nicht als eine typische Corporate-Firma mit langen Entscheidungswegen. Bei uns ist alles von der Hierarchie her sehr flach gehalten. Egal ob Praktikant oder Chef, sämtliche Mitarbeiter können sich täglich austauschen. Natürlich sind wir nicht mehr so klein wie zu Beginn, aber wenn man uns mit den Big-Playern vergleicht, gelten wir wahrscheinlich noch ganz viele Jahre als Start-up. Von der Marktakzeptanz und der verkauften Ballmenge her würden uns jedoch die meisten wahrscheinlich anders nennen. Den Bekanntheitsgrad merkt man inzwischen auch: Bei der PGA-Show in Orlando kam zum Beispiel alle zehn Meter jemand mit Foto- oder Autogrammwünschen auf uns zu. Und selbst die Titleist-Leute kennen uns jetzt schon und begrüßen uns gerne. [lacht]
Bekommt ihr auch Feedback zu euren Produkten aus dem Spielerspektrum?
Natürlich, aus allen Riegen. Interessant ist übrigens auch, wie Leute auf unser Konzept reagieren: In Amerika regt Neues generell Interesse und wird als gut befunden. Hier in Europa ist es eher andersrum. Etwas Unbekanntes wird tendenziell kritisch beäugt und man muss erst mal beweisen, dass es gut ist - ein etwas schwierigerer Weg.
Nun steht die neue Saison an und aus allen Markenhäusern fliegen die fabrikneuen Bälle auf die taufrischen Sommergrüns. Mit welchen Veränderungen schickt ihr die 2017er-Modelle ins Rennen?
Unsere gesamte Range hat eine Rundum-Verbesserung aller Modelle erhalten, wobei wir uns weniger explizit auf einen speziellen Ball konzentrierten. Da es nicht viel zu verbessern gab, haben wir eher an kleinen Stellschrauben gedreht. Zum Beispiel veränderten wir die strukturelle und kosmetische Haltbarkeit der Bälle, damit diese resistenter gegen UV-Strahlen und das Ergrauen werden. Außerdem wurden die 2017er-Produkte noch griffger, um mehr Spin zu erzeugen. Zusätzlich bringen wir einen komplett neuen Ball auf den Markt: den Vice Pro Soft. Das wird der weltweit erste Cast-Urethan-Ball mit einem matten Finish - und natürlich mit der höchsten Pro-Qualitätsstufe. Wir entschieden uns nicht nur für Matt, weil es cooler aussieht, sondern auch weil es weniger die Sonnenstrahlen reflektiert. Der Ball hat trotzdem die gleiche Performance und ist ein echter Hingucker. Übrigens werden alle Pro-Modelle zusätzlich in den Neonfarben Lime und auch V-Red ausgeliefert.
Ist der Vice Pro Soft eher für ernstere Golfer oder durch seine weichen Eigenschaften mehr für Wochenendspieler geeignet?
Der Pro Soft ist schon für den absolut ambitionierten Spieler entwickelt worden. Dennoch ist er optimiert für Leute, die nicht gerade die höchste Schlägerkopfgeschwindigkeit aufweisen. Faktisch hat er eine sehr weiche Kompression des Kerns, sodass viel Gefühl beim Kurzspiel ermöglicht wird. Der Pro Soft begnügt sich mit weitaus geringeren Schlaggeschwindigkeiten als unsere Pro-Plus-Serie und performt bei nicht so starken Schwüngen so gar besser als bei Profi-Schlägen.
Worauf liegt euer Hauptaugenmerk im technischen Bereich? Länge scheint ja nicht mehr alles zu sein ...
Wir haben uns eigentlich zum Motto gemacht: Jeder soll seinen passenden Ball bei uns finden. Gerade durch das Feedback unseres kostenlosen Online-Fitting-Tools erfuhren wir, dass viele Spieler Bälle wünschen, die weniger Schlägerkopfgeschwindigkeit voraussetzen. Jeder Golfer hat zwar ähnliche Ziele, geht jedoch mit anderen Voraussetzungen an den Start. Wir probieren, so viel Vielfalt wie möglich anzubieten. Dennoch ist die Konstanz unserer Produkte das A und O. Es ist nicht erklärbar, warum zum Beispiel der Mitbewerber Titleist immer wieder ein neues Ballmodell rausbringt, obwohl dieses noch eine Saison vorher gut funktioniert hat. Wir sind da nicht so einem Marketing-und-Verkaufs-Drang erlegen. Wenn es eine Verbesserung gibt, lassen wir die natürlich mit einfließen. Aber wir schmeißen nichts weg, was über Jahre gut funktioniert hat.
Vice besitzt keine eigene Research-and-Development-Abteilung. Wie kann man sich dann die Entwicklungsarbeit vorstellen? Kauft ihr die Designs von Externen?
Genau, beispielsweise im Dimple-Bereich - aber natürlich stets auf unsere Wünsche angepasst. Erste Modelle werden dann am Computer auf aerodynamische Auswirkungen getestet. Anschließend prüfen wir diese im Windkanal, auf der Range und mit Robotern in den Golf Labs von San Diego. Was andere Teile des Balls angeht wie die Gummi-Komposition des Kerns oder die Kompression, arbeiten wir mit unterschiedlichsten Leuten und Suppliern zusammen. Im tiefgehend technischen Bereich unterstützt uns hinzukommend eine deutsche Ingenieursgruppe.
Produziert wird am anderen Ende der Welt - in Taiwan. Wie sehr seid ihr in den Vorgang mit eingebunden?
Wir [die Geschäftsführer; Anm. d. Red.] sind circa drei- bis viermal jährlich vor Ort. Zusätzlich fliegen unsere Mitarbeiter immer mal wieder rüber, um die Produktionsvorgänge sowie die Qualität zu kontrollieren. In Taiwan sitzt auch noch mal ein großes R&D-Team, mit dem wir eng zusammenarbeiten. Gemeinsam schaut man dann auch, wie sich die Golfballbranche entwickelt, was andere machen, welche Neuheiten es auf der Tour gibt und so weiter. Wir probieren in diesen Sachen natürlich, dem Wettbewerb einen Schritt voraus zu sein.
Zwei der großen Global Player schreiben sich auf ihre Fahnen, dass ihre Bälle "Made in America" sind. Gibt es auch Gedanken, ein "Made in Germany"-Label zu kreieren?
Da die Produktion weniger durch Menschen, sondern vielmehr mit Maschinen durchgeführt wird, ist sie preislich gesehen auch hierzulande möglich und machbar. Es ist im Endeffekt eine Volumenfrage, ob sich die Produktion in Deutschland rentiert. Des Weiteren kommen noch Patente im Produktionsprozess dazu, die einzelne Hersteller besitzen und die man sich dann erst aneignen müsste.
Ihr bietet nun auch Bälle an, auf die ganze Bilder gedruckt werden können. Was waren da die außergewöhnlichsten Aufträge und gibt es auch Formate, bei denen ihr euch weigern würdet?
Wir sind da eigentlich ziemlich liberal. Alles, was nicht gegen das bestehende Recht verstößt oder andere Leute diffamiert, drucken wir auch. Da hatten wir schon die lustigsten Sachen. Beispielsweise von Leuten, die sich das Gesicht ihres Chefs auf den Ball gedruckt haben, damit sie darauf bei der Firmenfeier mal mächtig einprügeln können - in Harmonie natürlich. [lacht]