Drei Schläge Vorsprung zu Beginn des Finalsonntags schienen vor der Runde selbst für Rory McIlroy ein echter Mount Everest zu sein, den es zu erklimmen galt. Schon beim Ryder Cup hatten es die beiden miteinander zu tun und der Nordire zog damals den Kürzeren. Was folgte, war ein Drama, wie es Augusta beinahe jedes Jahr imstande ist zu inszenieren, denn Reed verspielte seinen Vorsprung früh, konnte seine Verfolger nicht abschütteln und hatte dann genau dieses Quäntchen Glück, das es für einen Major-Sieg braucht. Aber der Reihe nach.


»WER AUF DER WELT WÄRE BESSER GEEIGNET GEWESEN, DIESEN LETZTEN PUTT INS LOCH ZU STOPFEN, ALS PATRICK REED?«
Es lag also an Spielern außerhalb des letzten Flights, für ein Birdie-Feuerwerk zu sorgen. Auftritt Jordan Spieth: Fünf unter Par lag der Masters-Champion von 2015 bereits, als er auf die zwölfte Teebox, den Schauplatz seiner persönlichen Kernschmelze von 2016, trat. Drei Bälle versenkte Spieth hier in den vergangenen beiden Jahren im Wasser, doch 2018 wurde der Exorzismus vollzogen. Jordans Ball blieb trocken und der Birdie-Putt fiel. Eine Finalrunde von historischem Ausmaß schien möglich - und wurde erst von einem Ast einer riesigen Pinie links der 18. Spielbahn gestoppt. Acht Schläge betrug zu diesem Zeitpunkt die größte Aufholjagd in der Geschichte des Masters, die Jackie Burke jr. 1956 gelang. Wie im Rausch Birdies aneinanderreihend, hatte Spieth völlig den Bezug zum Spielerfeld und zur eigenen Position verloren. "Ich hatte keine Ahnung. Nach der Runde habe ich zum ersten Mal auf das Leaderboard geschaut. Ich hätte mit zwei Schlägen führen und mit vier hinten liegen können." Lediglich das Bogey auf der 18 sorgte dafür, dass Nick Price und Greg Norman in Zukunft ihren Platzrekord von 63 Schlägen mit Jordan Spieth teilen müssen.

Bereits am Tag zuvor war es das schlechte Wetter, das deutlich machte, dass mit Reed in dieser Woche zu rechnen wäre. Zwar stoppte Petrus am Samstag keinen von Reeds Bällen vor dem nassen Verderben, jedoch sorgte er dafür, dass Reeds Schwager und Caddie Kessler Karain den Schirm zückte und damit offenbarte, dass die beiden wie üblich nicht das neueste, farblich abgestimmte Modell ihres Sponsors in der Tasche haben, sondern tatsächlich seit mehr als 18 Monaten den blau-weiß-roten Regenschirm des amerikanischen Ryder-Cup-Teams von Hazeltine. Dort wurde Patrick Reed nicht nur zum Superstar, sondern endgültig auch zu Captain America, der in der Lage ist, nahezu ein gesamtes Team zu schultern und über die Ziellinie zu schleppen. In Augusta lieferte er 2018 sein Meisterstück und eine beeindruckende Demonstration seines absoluten Willens ab, als er auf Loch 17 und 18 so nervenstark puttete, wie es den europäischen Ryder-Cup-Spielern seit Jahren Albträume bereitet.

In den konservativen Golfkreisen der Vereinigten Staaten zählen Werte wie Integrität mindestens so viel wie patriotische Heimatliebe - kein Wunder also, dass Patrick Reed alles andere als ein Liebling der Massen ist. Zu College-Golf-Zeiten wurde er verdächtigt, nicht nur auf dem Platz die Regeln zu brechen, sondern nach der Runde auch noch seine Mitspieler zu beklauen. Nichts von alldem wurde je bewiesen, Reed schaffte es jedoch, sich sogar bei seinen Teamkameraden derart unbeliebt zu machen, dass diese während Matches ganz offen seine Gegner anfeuerten. Auch das Verhältnis zu seinen Eltern ist seit 2011 derart zerrüttet, dass er Vater, Mutter und Schwester bei den US Open 2014 vom Platz entfernen ließ, als er sie unter den Zuschauern entdeckte.
All diese Geschichten zählten allerdings nichts, als Sergio García dem frisch gebackenen Champion ins Grüne Jackett half. "Ich hatte einen Plan, wie ich diese Woche spielen wollte, und habe ihn durchgezogen. Auch heute bin ich nicht von dem Plan abgewichen. Ich musste erst lernen, wie ich solch einen Platz spielen muss", fasste er seinen das Leben verändernden Triumph nach der Runde nüchtern zusammen. Patrick Reed ist kein Mann der großen Worte und kein Liebling der Massen. Patrick Reed gewinnt Golfturniere und er ist Masters Champion.
LEADERBOARD
Pos | Name | Land | R1 | R2 | R3 | R4 | Total | Par |
1 | Reed, Patrick | USA | 69 | 66 | 67 | 71 | 273 | -15 |
2 | Fowler, Rickie | USA | 70 | 72 | 65 | 67 | 274 | -14 |
3 | Spieth, Jordan | USA | 66 | 74 | 71 | 64 | 275 | -13 |
4 | Rahm, Jon | ESP | 75 | 68 | 65 | 69 | 277 | -11 |
T5 | Smith, Cameron | AUS | 71 | 72 | 70 | 66 | 279 | -9 |
T5 | Watson, Bubba | USA | 73 | 68 | 69 | 69 | 279 | -9 |
T5 | Stenson, Henrik | SWE | 69 | 70 | 70 | 70 | 279 | -9 |
T5 | McIlroy, Rory | NIR | 69 | 71 | 65 | 74 | 279 | -9 |