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Porsche European Open

Tin Cup auf Deutsch

Von Patrice Schumacher

Unser European-Tour-Heimspiel geizte dieses Jahr nicht mit Höhepunkten: Superstars im Starterfeld, Gastro-Tipps für Longhitter und die Erkenntnis, dass Bernd Ritthammer offenbar nichts von Kevin Costners Course-Management hält.

Kaum einer der 19.000 Zuschauer rund um die 18. Spielbahn konnte am späten Sonntagnachmittag glauben, was sich dort auf der Teebox abspielte, als Bernd Ritthammer - immerhin im Final-Flight um seinen ersten Sieg mitspielend auf dem abschließenden Par 5 des Platzes - zum Eisen 2 anstelle seines Drivers griff. Auch wir rieben uns verwundert die Augen, denn die Ausgangslage war klar: Gelingt dem Bayern ein Birdie, kommt es zum Stechen gegen Ryder-Cup-Veteran und Nummer 17 der Weltrangliste Paul Casey, der gerade erst mit einem Drei-Putt auf dem finalen Grün und dem daraus folgenden Par seinem 907 Weltranglistenplätze weiter hinten platzierten Gegner die Tür zum Play-off zumindest einen Spalt breit offen gelassen hatte.

Zwei Platzrekorde von Bernd Wiesberger und Romain Wattel (jeweils 64 Schläge) hatten die Fans auf der Anlage im Laufe des Tages bereits bejubeln dürfen. Diese verblassten aber vollständig angesichts der offensichtlichen Dreistoppstrategie Ritthammers, die das nötige Birdie zwar alles andere als unmöglich, dennoch aber etwas unwahrscheinlicher machte als ein Monster-Drive aufs Fairway gefolgt von einem zweiten Schlag aufs Grün. Einen suboptimalen Lay-up und ein kitzliges Lob Wedge später sah sich Ritthammer zwar mit einem etwa sechs Meter langen Birdie-Putt vom Vorgrün konfrontiert, doch die Golfgötter wollten nach einem monumentalen Fünfmann-Play-off eine Woche zuvor in der Schweiz hier und heute offenbar rechtzeitig Feierabend machen und so blieb Ritthammers Putt zu kurz und der Traum vom ersten Sieg auf der European Tour beim 100. Turnierstart eben genau das: ein Traum. Paul Casey hingegen freute sich über seinen ersten Sieg in Europa seit 2014, 330.300 Euro Preisgeld und jede Menge Ranglistenpunkte, die den 42-jährigen Routinier seinem großen Ziel, den Olympischen Spielen in Tokio 2020, ein kleines Stück näher bringen.

Die vom Pinot Grigio redseligen Zuschauer auf der VIP-Tribüne schwadronierten noch ob des offensichtlich hasenfüßigen Taktikfehlers Ritthammers, da stand der Hauptdarsteller dieses Dramas längst in der Pressekonferenz Rede und Antwort: "Ich hatte die ganze Runde über Probleme mit dem Driver und so gut wie keinen guten Abschlag damit geschlagen. Alle waren links oder rechts der Spielbahn und auf der 11 sogar ein grottenschlechter Schlag ins Wasser, der zum einzigen Bogey der Runde führte. Die 18 ist ein schwieriger und enger Tee-Schuss. Darüber hinaus hatten wir am Tag zuvor die Fahnenposition des Sonntags bereits gesehen und wussten, dass sie sehr ungünstig für einen Angriff mit dem zweiten Schlag war. Daher war der Plan, die Bahn mit drei Schlägen zu spielen, bereits im Hinterkopf. Als dazu dann noch der Driver nicht funktionierte, war die Entscheidung klar. Und in aller Offenheit: Für mich und meine Karrieresituation macht es einen großen Unterschied, ob ich hier Zweiter oder Achter werde." Applaus für so viel Weitsicht und Ehrlichkeit!

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DER BELGIER HATTE BEREITS NACH DER ERSTEN RUNDE DAS SPIELFORMAT DURCHSCHAUT UND SCHALTETE FOLGERICHTIG IN DEN SCHNELLFEUERMODUS.
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SCHNELLFEUER UND SCHNITZEL


Für uns begann der Spaß in dieser Woche allerdings bereits weit vor dem Drama des Sonntagnachmittags, denn auch 2019 wurde auf der Reeperbahn die Tradition der Urban Golf Challenge fortgeschrieben. Im Kreise der Topstars durfte auch Lokalmatador Max Schmitt beweisen, dass er mindestens genauso gut pitchen kann wie Xander Schauffele, Patrick Reed und Kollegen. Vor knapp 1.000 Golf-Fans und Kiezgängern galt es, kurze Pitches in aufgestellten Netzen zu versenken, was eigentlich nach einer lustigen Idee klingt. Doch leider hatten die Kreativen der Eventagentur, die sich diesen Spaß ausgedacht hatten, die Rechnung ohne Thomas Pieters gemacht. Der Belgier hatte bereits nach der ersten Runde das Spielformat durchschaut, schaltete folgerichtig in den Schnellfeuermodus und machte im Finale kurzen Prozess mit dem Rheinhessen. Was Pieters auf dem Spielbudenplatz zeigte, mutete an, als würde Phil Taylor drei Dartspfeile auf einmal in die Hand nehmen und mit einem Wurf die 180 klarmachen. "Besten Dank fürs Mitmachen, wo steht mein Preis?" Als Belohnung für die Schlitzohrigkeit fuhr Pieters die gesamte Woche mit einem brandneuen Cayenne Coupé zur Anlage.

Wir hatten zu diesem Zeitpunkt bereits erfahren, dass wir am nächsten Morgen zusammen mit Allen John auf die Pro-Am-Runde gehen durften, und ließen trotz Freibier auf dem Spielbudenplatz die Vernunft walten. Man möchte sich schließlich nicht blamieren, wenn das Grüne Monster von Winsen zum Tanz bittet.

Bestens ausgeschlafen warteten wir am nächsten Tag am sechsten Tee voller Vorfreude auf unsere Pros, denn neben Allen John hatte sich mit LET-Shootingstar Esther Henseleit eine zweite Fachkraft zu unserem Flight gesellt.

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Zwei Profis und zwei Hacker - was sollte da schon schiefgehen können?

"Es gibt höchstens zwei oder drei Spieler auf der Tour, deren Drives mich dermaßen beeindrucken wie die von Allen John", verriet uns Peter Hanson von einigen Monaten im Interview und auch uns klappte die Kinnlade runter, als Allen am ersten Abschlag unserer Runde eine Bombe zündete, die wie an der Schur gezogen 300 Meter weit das Fairway hinunterzischte. Die Folge: Für den zweiten Schlag auf diesem 430 Meter langen Par 4 war lediglich noch ein Eisen 9 vonnöten. Wie einfach, bitte, kann Golf sein?

Die Begeisterung hielt allerdings nicht lange an, da sich nach circa zwei Stunden unser Ballvorrat aufgrund zu vieler Slices dem Ende zuneigte. Es war ein ernüchternder Vorgeschmack auf das, was den Profis ab morgen auf diesem unglaublich schweren Golfplatz blühte, und eine erneute Lehrstunde, dass Profi- und Amateurgolf zwei unterschiedliche Welten sind. Leider ließ sich Allen von unserem Dilettantismus anstecken und mit einem Ergebnis von -9 im Tour-Scramble-Format hatten wir gegen die Sieger, die fantastische -19 ins Clubhaus brachten, keine Chance.

Wenn es uns schon nicht gelang, unserem Profi in golferischer Sicht unter die Arme zu greifen, so konnten wir ihn doch von einem abendlichen Besuch bei "Erika's Eck" - einer Kneipe, die dank äußerst angenehmer Öffnungszeiten von 17 bis 14 Uhr als so etwas wie die inoffizielle GolfPunk-Kantine fungiert - überzeugen können. Im Stillen machten wir uns dann auch Vorwürfe, als Allen am Donnerstag mit ernüchternden 80 Schlägen die Runde beendete. Trotzdem hat der Deaflympics-Sieger von 2017 seit dieser 80er-Runde absoluten Legendenstatus in der Golf-Punk-Redaktion, postete er am Abend auf seinem Instagram-Kanal doch tatsächlich ein riesiges Schnitzel und ein noch breiteres Grinsen aus unserer Lieblingskneipe.

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PROFIS AM WERK


Als am Freitagabend der Cut anstand, war dann leider Schluss für Allen. Von den insgesamt 17 Deutschen, die bei der Porsche European Open 2019 an den Start gingen, schafften es fünf ins Wochenende, darunter Marc Hammer, der noch den Amateurstatus genießt und seinen Geburtstag am "Moving Day" auf dem Golfplatz vor den Toren Hamburgs verbringen durfte. In den Top 20 platzierten sich derweil drei deutsche Profis: Max Rottluff, Dominic Foos und Bernd Ritthammer, der sogar ganz vorne mitspielte und erster Verfolger des stark aufspielen den Robert MacIntyre war. Dem bisher sieglosen Rookie aus Schottland gelangen in diesem Sommer bisher nicht nur zwei zweite Plätze, sondern am Freitag in Green Eagle auch eine blitzsaubere 65, was eine komfortable Führung von vier Schlägen und das Privileg des "Leader's Car", ein 911 Carrera 4S, der direkt hinter dem Grün auf den Führenden des Tages wartete, mit sich brachte. Sein Rezept für eine solche Fabelrunde klang danach äußerst simpel: "Die Abschläge waren in dieser Saison noch nie so gut wie heute. Der Ball fliegt nicht nur geradeaus, sondern auch meilenweit. Keine Ahnung, was ich gerade mache, aber es funktioniert."

Ob es an den 450 PS unter der Haube oder doch an dem knüppelharten Golfplatz von Green Eagle lag, wollte MacIntyre nach Runde 3 nicht verraten, dennoch ließ er mit einer 74 das Feld am Samstag wieder an sich heran und niemand nutzte diese Chance konsequenter als Bernd Ritthammer. Nach 70 Schlägen in Runde 3 verabschiedete er sich nach 54 gespielten Löchern schlaggleich mit dem Schotten in den Samstagabend und hätte damit eigentlich den Beifahrersitz im "Leader's Car" verdient, als stolzer Vater eines einjährigen Sohns zog Ritthammer jedoch die Familienkutsche vor. Schließlich galt es am Sonntag, einen großartig begonnenen Job zu beenden. Einen Schlag hinter den beiden Überraschungsführenden hatte sich Top-Favorit Paul Casey in Stellung gebracht und blieb dabei äußerst entspannt: "Ich cruise hier einfach ein bisschen und genieße die Zeit. Die Sonne scheint, von Wind keine Spur - so liebe ich es, Golf zu spielen."

Am Sonntag gingen dann elf Spieler mit maximal fünf Schlägen Rückstand in die Schlussrunden und sorgten bereits lange vor den Führenden für jede Menge Entertainment. Der Franzose Romain Wattel war zwar nur als 14. in den Sonntag gestartet, stellte am Sonntagabend durch ein Eagle auf der letzten Bahn mit acht Schlägen unter Par den neuen Platzrekord auf, ging aber trotzdem nicht als Führender ins Clubhaus. Im gleichen Flight wurde die 64 nämlich Augenblicke später durch Bernd Wiesberger egalisiert, der mit -12 die neue Bestmarke setzte. Erst als Paul Casey auf dem drittletzten Loch einen fast zehn Meter langen Birdie-Putt einlochte und auf der 17 ebenfalls ein Birdie spielte, übernahm er die Spitze des Leaderboards, und Bernd Wiesberger dämmerte langsam, dass er die Schläger im Kofferraum verstauen konnte. Was dann folgen sollte, war das bereits beschriebene Drama auf Bahn 18, das tatsächlich zwei Sieger hervorbrachte: Paul Casey, der in Green Eagle den 14. European-Tour-Sieg seiner Karriere feiern konnte, und Bernd Ritthammer, der im ersten Halbjahr 2019 bei zwölf Starts entmutigende zehn Mal am Cut gescheitert war und den geteilten zweiten Platz im Heimatland daher völlig zu Recht wie einen Sieg wahrnahm.

Nach dem letzten gelochten Ball hätten die Stimmungslagen der Zweitplatzierten kaum unterschiedlicher sein können. Robert MacIntyre, der mit seiner dritten Zweitplatzierung in dieser Saison im Race to Dubai auf den 13. Rang kletterte, hatte trotz einer soliden Schlussrunde keinen Grund zur Freude: "Ich komme immer näher ans Ziel, aber es ist einfach frustrierend, den Sieg zum dritten Mal in dieser Saison so knapp verpasst zu haben." Ritthammer kämpfte derweil im TV-Interview mit den Tränen: "So eine Erfahrung habe ich bisher in meiner gesamten Karriere nicht gesammelt. Natürlich möchte man gewinnen, wenn man so nah dran ist, aber für mich zählt auch ein zweiter Platz enorm viel. Ich bin Profi und muss in jeder Situation versuchen, mein persönliches Optimum zu spielen. Ich habe mich zu dem Zeitpunkt nicht ansatzweise in der Lage gefühlt, das Grün mit zwei Schlägen zu treffen."

Paul Casey, der bei der European Open, die 1991 in Walton Heath ausgetragen wurde, noch als freiwilliger Helfer im Einsatz war, nahm freudig grinsend den Pokal in Empfang, schielte dabei aber vielmehr auf das "Leader's Car", das er in dieser Woche noch nicht fahren durfte, und konnte sich eine letzte Frage an den Turnierdirektor nicht verkneifen: "Kann ich das ,Leader's Car' nun mit nach London nehmen? Ich bringe es in einem Jahr auch wieder unversehrt zurück. Versprochen."

 

Porsche European Open 2019

POS.NAMECOUNTRYTO PARR1R2R3R4TOTALRACE TO DUBAI POINTSOFFICIAL PRIZE MONEY
1CASEY PaulENG-1466736966274460,00333.330 €
2MACINTYRE RobertSCO-1368657468275204,67149.140 €
2RITTHAMMER BerndGER-1371667068275204,67149.140 €
2SCHWAB MatthiasAUT-1367727066275204,67149.140 €
5WIESBERGER BerndAUT-1271697264276116,0084.800 €
6WATTEL RomainFRA-117274676427796,7070.000 €
7LARRAZÁBAL PabloESP-107071686927875,6355.000 €
7MIGLIOZZI GuidoITA-107168726727875,6355.000 €

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