Mit einem Sieger-Preisgeld von 1.000 Britischen Pfund hatte der R&A 1959 den Anschluss an die Events in den USA verloren und lag auf einem Niveau mit Turnieren wie der Kentucky Derby Open, der Arlington Hotel Open oder der Tijuana Open, die aus heutiger Sicht klingen, als hätte man sie sich für ein Golf-Videospiel ausgedacht. Gleich 20 Events auf der damaligen PGA Tour boten ein höheres Preisgeld als die Open - von den Majors wie der US Open oder dem Masters mal ganz zu schweigen, bei denen mehr als das Vier- oder Fünffache ausgeschüttet wurde. Entsprechend entschieden sich immer weniger Profis aus den USA für die beschwerliche Überfahrt nach Europa und verdienten sich lieber daheim ein goldenes Näschen.
Erschwerend kamen noch zwei weitere Hürden für die Teilnehmer hinzu. Bis 1974 gab es im Vereinigten Königreich und den USA andere Standards für den Golfball. Weil der kleinere britische Ball weiter und länger flog, mussten sich US-Spieler für ihren Euro - Trip auf ein neues Spielgerät umstellen, um konkurrenzfähig zu sein. Viel Zeit blieb ihnen dafür nicht, denn wer den nicht gerade günstigen Flug nach Großbritannien wagte, konnte nicht automatisch erwarten, auch in das Turnier zu kommen. Bevor der R&A 1963 automatische Qualifikationskriterien einführte, mussten sich alle Teilnehmer über 36 Löcher durch eine Vorauswahl kämpfen. Angesichts der unvorhersehbaren Wetter- und Windbedingungen auf der Insel bestand also durchaus die Gefahr, dass man am Ende der Woche einen Kontostand wie René Benko hatte. Da zudem bereits 14 Tage später die deutlich höher dotierte PGA Championship anstand, sank der Anteil der US-Teilnehmer an der Open ähnlich rapide wie der Aktienkurs von Wirecard. Stand 1955 wenigstens noch fünfmal das Star-Spangled Banner auf dem Leaderboard der Open, sah man es ein Jahr später nur noch zweimal.

»WENN ES WEHT, IST ES DER HÄRTESTE TEST DER OPEN-ROTATION, WEIL ES NICHTS GIBT, WAS EINEN VOR DEN ELEMENTEN SCHÜTZEN WÜRDE - WEDER SANDDÜNEN, NOCH BÄUME.«
Wie Hogan sieben Jahre zuvor hatte Palmer ebenfalls bereits das Masters und die US Open eingefahren. Dass er nun zum ersten Mal zur Open Championship reiste, geschah auch mit dem Gedanken, sich unsterblich zu machen. Auf dem Flug nach Übersee unterhielt sich Palmer mit dem Sportjournalisten Bob Drum über Bobby Jones' Grand Slam von 1930. Wie genau das Gespräch ablief, wird von beiden unterschiedlich erinnert, aber am Ende hatten sie die Grundlage für den modernen Grand Slam aus Masters, PGA Championship sowie den Offenen Meisterschaften der USA und Großbritanniens erschaffen. Zwar verpasste Palmer durch einen zweiten Platz in St. Andrews seine persönliche Chance auf das Major-Quartett, mit der Schaffung des Grand Slam hatte er der Open jedoch wieder mehr Bedeutung bei seinen Landsleuten gegeben. Ganz zu schweigen davon, dass er beim Publikum eine Begeisterung entflammte, wie es sonst nur den Beatles möglich war.
Bereits bei seiner ersten Open war der "King" die Hauptattraktion. Als er ein Jahr später in Royal Birkdale gewann, hatte Arnie's Army bereits eine Division in Großbritannien stationiert. Doch das, was 1962 in Royal Troon passierte, hatte die Welt noch nicht gesehen. Nach zwei Runden hatte sich Palmer bereits zwei Schläge vom Feld abgesetzt, sodass die Fans für die finalen 36 Löcher am Freitag in höchster Erwartung waren. Viele von ihnen ignorierten die Ticketschalter und strömten ohne Eintrittskarte vom Strand auf die Anlage. Mehr als 30.000 sollen sich Schätzungen zufolge um den dominant aufspielenden Palmer geschart haben, dem Polizisten den Weg auf das 18. Grün freimachen mussten. "Ein Mann wurde durch ein Fenster gestoßen, eine Frau fiel in Ohnmacht und zehn Menschen wurden in einen Bunker gedrängt", berichtete der "Daily Telegraph" über die chaotischen Szenen, die dazu führten, dass ein Jahr später die Fairways mit Seilen abgesteckt wurden. Sie führten allerdings auch dazu, dass die Open Championship kein Verlustgeschäft mehr war und ihre alte Bedeutung zurückbekam - nicht zuletzt, weil Palmer 1962 eine andere Legende nach Großbritannien brachte: Jack Nicklaus, der zwischen 1966 und 1978 dreimal die Open gewinnen sollte.


Dass ausgerechnet Troon, das 1978 von Queen Elizabeth II. den royalen Status verliehen bekam, so prädestiniert für US-Sieger ist, erstaunt, denn der Platz ist eigentlich der Gegenentwurf zu US-Golf. "Die Fairways sind wie Schweinerücken und leiten die Bälle nach rechts und links ab", fasste Palmer nach seinem Sieg die Charakteristik des Platzes zusammen. "Und wenn es weht, ist es der härteste Test der Open-Rotation, weil es nichts gibt, was einen vor den Elementen schützen würde - weder Sanddünen noch Bäume." Nimmt man die zahlreichen blinden Schläge hinzu, versteht man sowohl das lateinische Clubmotto "Tam arte quam marte" (grob übersetzt: "Mit Finesse wie auch mit Kraft") als auch die Reaktionen von US-Profis wie Gene Littler, der 1962 jammerte: "Man kann zwei perfekte Schläge in die Fairway-Mitte machen. Einer rollt ins Rough, der andere geht geradeaus und rollt 50 Meter weiter." Und dennoch gewann nach Palmer fünfmal in Folge ein Amerikaner in Troon.
Diese Bilanz ist umso erstaunlicher, da nicht die großen Dominatoren in der Grafschaft Ayrshire triumphierten. Tiger schaffte es nicht über Platz neun hinaus und auch Jack Nicklaus verfehlte die top drei. Lediglich Tom Watson, der als einziger Golfer auf fünf verschiedenen Open-Plätzen gewann, war 1982 siegreich. Stattdessen finden sich in den Siegerlisten von Troon Tom Weiskopf, Mark Calcavecchia, Justin Leonard und Todd Hamilton, die weder davor noch danach ein Major gewinnen konnten. Und so schiebt Jim Furyk, der 1997 in Troon Platz vier belegte, die Erfolgsserie der Amerikaner eher dem Zufall in die Schuhe: "Ich denke, es ist einfach eine dieser Sachen, die passieren."

Ein anderer Rekord dürfte dagegen nicht so leicht zu brechen sein. 2016 stellte Henrik Stenson mit 264 Schlägen eine Major-Bestleistung auf, die bis heute Bestand hat, während der Zweitplatzierte Mickelson mit seinen 267 Schlägen nur gegen einen anderen bisherigen Open-Sieger das Nachsehen gehabt hätte. Die finale Runde der beiden gilt für viele bis heute als eines der größten Major-Duelle aller Zeiten. Aber auch die Royal-Troon-Austragungen davor hatten es in sich: 2004 und 1989 setzten sich Todd Hamilton und Mark Calcavecchia erst im Play-off durch, 1997 holte Justin Leonard am Schlusstag einen Fünf-Schläge-Rückstand auf Jesper Parnevik auf, und als Tom Watson 1982 seine Runde beendete, lag er zwei Schläge zurück, bevor Nick Price das Turnier wegwarf. Spannung sollte also auch 2024 in Royal Troon garantiert sein - und dem Gesetz der Serie nach erneut mit amerikanischer Beteiligung.

US-SIEGE AUF OPEN-PLÄTZEN
Royal Troon 70% (7/10)Royal Birkdale 60,00% (6/10)
St. Andrews 57,89% (11/19)
Turnberry 50,00% (2/4)
Ø 48,42% amerikanische Siege
Royal St. George's 45,45% (5/11)
Muirfield 45,45% (5/11)
Royal Liverpool 44,44% (4/9)
Carnoustie 37,50% (3/8)
Royal Lytham 27,27% (3/11)
Royal Portrush 0,00% (0/2)