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Ryder Cup 2018 – Teil 2

Molliwood Blockbuster

Von Jan Langenbein, Fotos: Getty Images

Drei Triumphe in den ersten drei Matches des Ryder Cup 2018 waren nichts anderes als ein Bilderbuchauftakt für Captain Furyks Mannschaft, doch Moliwoods erster Punkt markierte den Auftakt zu einer Serie, wie sie die europäische Ryder-Cup-Geschichte noch nicht gesehen hatte, denn auch die folgenden sieben Partien konnten Thomas Bjørns Männer für sich entscheiden und so stand es nach 1 zu 3 während der Mittagspause am Freitag keine 24 Stunden später plötzlich 8 zu 3. Diese Phase der absoluten Dominanz schloss einen "clean sweep" in den klassischen Vierern am Freitagnachmittag ein, in dessen Verlauf die acht aktiven Europäer lediglich 60 Löcher benötigten, um ihre Gegner sprichwörtlich vom Platz zu fegen.

ACHT AUF EINEN STREICH
Am heftigsten erwischte es an diesem Nachmittag die unglückliche Kombination aus Phil Mickelson und Bryson DeChambeau, die gegen Sergio García und Alex Norén bereits nach neun Löchern 7down lagen. "Wir werden heute Abend mit einem miesen Geschmack im Mund ins Bett gehen, so viel steht fest", rekapitulierte Jim Furyk einen ernüchternden Tag für sein Team am Freitagabend. "Aber ich möchte betonen, dass Team Europa an diesem Nachmittag unglaublich gutes Golf gespielt hat. Jedes ihrer vier Duos lag entweder Even Par oder unter Par und das auf einem sehr schwierigen Golfplatz im klassischen Vierer. Vor solch einer Leistung muss man den Hut ziehen."

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Am nächsten Morgen - die europäische Siegesserie ist immer noch in vollem Gange - folgen wir der Partie von Sergio García und Rory McIlroy gegen Brooks Koepka und Tony Finau inside the ropes und stellen uns auf Loch 6 an ziemlich genau die Stelle, an der Koepka am Vortag eine Zuschauerin mit einem gepullten Drive nicht nur niedergestreckt, sondern, wie sich wenige Tage später herausstellen sollte, sogar auf einem Auge blind geschossen hatte. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir von dieser Tragödie allerdings noch nichts. Im doppelten Irrglauben, es hätte sich gestern lediglich um eine Platzwunde gehandelt und ein dreifacher Major-Sieger werde seinen Ball schon nicht zweimal in Folge an dieselbe Stelle im Rough verziehen, schlägt plötzlich Koepkas Ball keine fünf Meter von uns entfernt auf einem kleinen Hügel in knietiefem Wildwuchs ein.

Obwohl wir genau gesehen haben, wo der Ball im Rough verschwand und kurze Zeit später vier Weltklassespieler samt ihren Caddies und einer riesigen Entourage bestehend aus Schiedsrichter, Familienangehörigen, Kameraleuten und zwei GolfPunk-Redakteuren fünf Minuten lang ein zehn Quadratmeter großes Fleckchen Rough nach Koepkas Ball durchwühlen, bleibt dieser unauffindbar. Tony Finau muss das Loch allein zu Ende spielen, kann mit einem Par allerdings wenig gegen Rorys Birdie ausrichten und so geht nicht nur Loch 6, sondern zwei Stunden später auch das gesamte Match für die Amerikaner verloren.

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Koepkas Ball ist nicht das erste amerikanische Opfer des knüppelharten Platz-Set-ups, das Thomas Bjørn als Kapitän der Gastgebermannschaft in Auftrag gab, und längst macht sich in den Untiefen der Twitter-Gemeinde auf der anderen Seite des Atlantiks Unmut über die angeblich unfairen Platzbedingungen in Paris breit. Vergessen wird dabei jedoch selbstverständlich, dass Rough wie bei einer US Open und Fairways schmal wie Bahngleise bei einem Ryder Cup absolut nichts Neues sind. Als während der 80er- und 90er-Jahre die Longhitter und Prügelknaben nicht auf Seiten der Amerikaner, sondern für Europa aufteeten, bereitete es der PGA of America eine diebische Freude, den Herren Ballesteros, Lyle und Woosnam mit höllisch schwer hergerichteten Plätzen alle vier Jahre in die Suppe zu spucken.

Platzbedingungen als Heimvorteil sind so alt wie der Ryder Cup selbst. Paul Azinger ging 2008 sogar so weit, dass er in Valhalla Baumkronen absägen ließ. um den Monster-Drives von J.B. Holmes mehr Platz zu verschaffen - mit durchschlagendem Erfolg.

NUTZLOSER VOLLMOND
Als die Vierer-Matches am Samstagabend beendet sind und die Captains bei einem Zwischenstand von 10 zu 6 über ihrer Ausstellung für die morgendlichen Single-Matches brüten, ist die Verzweiflung bei den anwesenden amerikanischen Medienvertretern bereits so weit fortgeschritten, dass sie tatsächlich die Astrologie bemühen, um für ihr Team am morgigen Sonntag noch so etwas wie eine Restchance herbeizureden. Wie ein findiger und wohl spirituell bewanderter Redakteur des Golf Channel herausfindet, herrschte während dieser Woche Vollmond über Paris und die einzigen beiden Male, bei denen während eines Ryder Cup über dem Austragungsort ebenfalls der Vollmond schien, waren 1999 in Brookline und 2006 in Chicago. In beiden Fällen stand es nach zwei Tagen 10 zu 6 und beide Male schaffte das zurückliegende Team die kaum noch für möglich gehaltene Wende. Unbeeindruckt von solch tief gehender Recherchearbeit zucken die französischen Kollegen im Pressezelt lediglich mit den Schultern und entkorken die nächste Flasche Rotwein.

Am Sonntagmorgen traut sich dann allerdings - Vollmond hin oder her - kein Reporter des Golf Channel, Tiger Woods zu fragen, ob Francesco Molinari ihn in seinen Träumen verfolgt. Denn der Italiener kostete den größten Golfer aller Zeiten in dieser Saison nicht nur eine Claret Jug, sondern während der vergangenen beiden Tage auch drei Ryder-Cup-Punkte. Oder ob er während dieser Woche auch mit Regenhose ins Bett gegangen ist. Denn wie schon an den Tagen zuvor erschien der 14-fache Major-Sieger auch am Sonntagvormittag in Regenhosen auf der Driving Range und wärmt sich, während "Slim Shady" aus den Lautsprechern seines Smartphones scheppert, für sein anstehendes Match gegen Jon Rahm auf. Wenige Meter entfernt versucht Phil Mickelson, der nach seiner desaströsen Leistung am Freitagvormittag nicht mehr zum Einsatz kam, gemeinsam mit seinem Coach den Schwung zu finden, mit dem er im März die WGC-Mexico Championship gewinnen konnte. Sein Gesichtsausdruck lässt jedoch vermuten, dass diese Suche erfolglos bleiben wird.

Thomas Bjørn steht währenddessen mit verschränkten Armen und verspiegelter Sonnenbrille über den Augen wie in Stein gemeißelt auf einem Hügel zwischen Driving Range und erstem Abschlag und gibt dabei das perfekte Abbild eines Feldherren ab, der bestens vorbereitet nur darauf wartet, seine Männer in die Schlacht zu schicken.

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Als um kurz nach 14 Uhr Ortszeit dann alle zwölf Matches unterwegs sind und die Amerikaner wie auch schon an den beiden vorangegangenen Tagen auf den alles andere als pfeilschnellen Grüns ihre Putts reihenweise zu kurz lassen oder sich beim Lesen der subtilen Breaks von Le Golf National wie Analphabeten anstellen, wird deutlich, welchen Unterschied die Quote 8 zu 233 ausmacht. Acht Turnierrunden konnten die Spieler von Team USA zu Beginn der Woche auf diesem Golfplatz vorweisen. Bubba Watson unternahm 2011 eine Dienstreise hierher, die mehr Negativschlagzeilen produzierte als eine Horde Versicherungsvertreter auf Firmenausflug in Ungarn. 2014 verpasste Brooks Koepka auf dieser Anlage ebenfalls den Cut und Justin Thomas meldete als einziger Amerikaner für die Open de France 2018 und wurde geteilter Achter. Team Europa dagegen bringt es hier gemeinsam auf 233 Runden unter Wettkampfbedingungen und hat mit Tommy Fleetwood und Alex Norén die letzten beiden Sieger auf diesem Platz in seinen Reihen. Deutlicher kann ein Heimvorteil nicht ausfallen.

Als Alex Norén den letzten Nagel in den Sarg des angeblich besten amerikanischen Teams aller Zeiten geschlagen hat, sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache. Thomas Bjørns Captain's Picks schafften es, satte 9,5 Punkte zu erspielen, und waren somit die besten vier Wildcards in der Geschichte des Ryder Cup. Jim Furyks All-Star-Picks bestehen aus Tiger Woods, Phil Mickelson und Bryson DeChambeau spielten insgesamt neun Matches und verloren allesamt. Lediglich Tony Finau rechtfertigte als finaler Pick mit zwei Punkten seinen Platz im Team und hinterließ dabei den Eindruck, als könnte er für lange Zeit ein fester Bestandteil von Team USA sein.

In Paris trafen 2018 zwei Teams bestehend aus den besten Golfern der Welt aufeinander, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Auf der einen Seite eine müde Truppe gejetlaggter und außer Form spielender Un toter, die dringend ins Bett gehört, um zu Saisonbeginn wieder halbwegs auf der Höhe ihrer sonst schier übermenschlichen Kräfte zu sein. Ihnen gegenüber standen zwölf Europäer, die den Eindruck erweckten, als wären sie nichts weiter als eine Gruppe von Golf- Buddies, die sich tierisch freuen, gemeinsam Resturlaub abfeiern zu können. Wie es sich für einen Buddy-Trip gehört, hatte auch Team Europa bereits Wochen vor dem Abflug eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe für alle Teilnehmer eingerichtet. "Diese Gruppe war nichts anderes als ein riesiges Lovefest", verriet Rory McIlroy kurz nach der Siegerehrung mit einer bereits signifikanten Menge Champagner im Blutkreislauf, ehe ihm Teamkollege Justin Rose ins Wort fiel: "Wir wollen bitte nicht die größte Leistung dieser Mannschaft vergessen. Dieses Team hat es geschafft, dass Rory endlich WhatsApp auf seinem Telefon installiert hat. Darauf sollten wir trinken!"

Bleibt nur noch eine Sache zu klären: Was diente als Profilbild dieser WhatsApp-Gruppe? Ein grinsender Justin Thomas in einem aus Hazeltine stammenden "Beat Europe!"-T-Shirt. Alles andere als ein Kantersieg wäre unverdient gewesen.

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