Von Rüdiger Meyer, Fotos: Getty Images (8), Tino Dertz (1)
Erst zum dritten Mal in ihrer 48-jährigen Geschichte macht die Women's British Open im 'Home of Golf' Station. Wird erneut eine der Weltbesten auf dem Old Course von St. Andrews siegen? Oder schafft Esther Henseleit als eine von neun deutschsprachigen Spielerinnen eine Sensation?
Als 2007 zum ersten Mal eine Women's British Open auf dem Old Course von St. Andrews ausgetragen wurde, war es ein Zeichen für den aufsteigenden Respekt, der Frauengolf entgegengebracht wurde. Doch auch für das "Home of Golf" selber war es ein wichtiges Ereignis. 2000 hatte Tiger Woods bei der Open Championship mit 19 Schlägen unter Par einen neuen Rekord aufgestellt, 2005 erzielte er das drittniedrigste Ergebnis aller Zeiten. Der aufkeimenden Diskussion, dass der Old Course nicht mehr in der Lage sei, die besten Profis der Welt zu testen, schob die Women's Open 2007 kurzzeitig einen Riegel vor. Obwohl das Turnier bei bestem Wetter ausgetragen wurde und mit Lorena Ochoa das Frauengolf-Gegenstück zu Tiger Woods siegte, war ihr Ergebnis von 287 Schlägen das zweithöchste seit 1990. Dies war vor allem der Tatsache geschuldet, dass auf dem Old Course Erfahrung das wichtigste Element ist, um die trickreichen Wellen auf den Grüns und drum herum perfekt zu beherrschen.
Der Längenboom macht zwar auch vor den Damen nicht halt - bei Stacy Lewis' Sieg 2013 wurde der Old Course statt als Par 73 nur noch als Par 72 gespielt -, ein Test blieb er für die ehemalige Weltranglistenerste und ihre Kolleginnen dennoch. Elf Jahre später kehrt die Women's British Open endlich zurück und wenigstens neun Teilnehmerinnen aus dem deutschsprachigen Raum machen sich Hoffnungen auf ein Siegerfoto auf der Swilcan Bridge. Dass sie alle den Old Course zumindest in einem Wettbewerb noch nicht gespielt haben, muss dabei kein Nachteil sein. Schließlich hat Sophia Popovs Unvertrautheit mit Royal Troon sie 2020 auch nicht davon abgehalten, die Women's Open zu gewinnen. Und von den aktuell 100 besten Spielerinnen der Weltrangliste waren 2013 gerade einmal 13 auf dem Old Course am Start - und nur gut die Hälfte von ihnen überstand den Cut.
Als vielleicht größte Favoritin muss daher wohl die englische Links-Expertin Georgia Hall gelten, die 2018 in Royal Lytham & St. Annes gewann, 2021 in Carnoustie nur um einen Schlag das Nachsehen hatte und 2013 auf dem Old Course immerhin Platz 42 erreichte - schlaggleich mit der neuseeländischen Olympiasiegerin Lydia Ko, die im zarten Alter von 16 Jahren als Leading Amateur über die Swilcan Bridge ging und 18 Monate später zur jüngsten Weltranglistenersten aller Zeiten wurde.
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ES WÄRE TOLL, WENN EINE VIERTELMILLION MENSCHEN ZUSEHEN WÜRDEN. DAS IST DAS, WAS DIESE SPIELERINNEN VERDIENEN.
MARTIN SLUMBERS, R&A
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Damals spielten die Damen um ein Preisgeld von 2,75 Millionen US-Dollar; in diesem Jahr wird allein schon die Siegerin 1,35 Millionen der auf neun Millionen US-Dollar angestiegenen Ausschüttung mitnehmen. Anders als bei den Herren gehört die Women's British Open damit zu den größten Zahltagen im Damengolf. Lediglich die US Women's Open, die Women's PGA Championship und das Finale der LPGA Tour sind besser dotiert.
Dass sich das Preisgeld allein seit Popovs Sieg verdoppelt hat, zeigt auch, welche Sprünge Damengolf in den letzten vier Jahren in der öffentlichen Wahrnehmung gemacht hat - und dank Nelly Korda auch in den kommenden Jahren machen wird. Die kurzzeitige Dominanz der Weltranglistenersten, die zwischen März und Mai sechs ihrer sieben Starts auf der LPGA Tour gewinnen konnte, war wie ein Brennglas auf den Sport. Korda, die bei den letzten fünf Women's British Open viermal unter den besten 15 landete, ist natürlich auch sportlich in diesem Jahr zu beachten. Vor allem aber wird interessant sein, wie sich ihre Präsenz auf das Zuschauerinteresse auswirken wird. 2013 verliefen sich gerade einmal 31.700 Interessierte auf den Old Course, für dieses Jahr rechnen die Veranstalter mit wenigstens 50.000 Golf-Fans.
Eine gute Zahl, die für den scheidenden R&A-Chef Martin Slumbers aber nur der Anfang sein soll. "Es wäre toll, wenn eine Viertelmillion Menschen zusehen würden. Das ist das, was diese Spielerinnen und das Frauengolf verdienen", verkündete Slumbers 2023 als seine Vision für das Turnier. Ein ambitioniertes Ziel, wenn man bedenkt, dass die Open Championship in Royal Troon auch nur diese Zahl erreichte - obwohl sie in der Nähe von Glasgow stattfand, dessen Metropolregion eine Million mehr Einwohner hat als die von Edinburgh.
Auf der anderen Seite ist es deutlich günstiger, bei der Women's British Open zuzusehen. Ein Erwachsenen-Ticket für den Finaltag kostet lediglich 45 Pfund, für alle vier Turniertage plus Einspielrunde sind 160 Pfund fällig. Bei den Herren kostete allein der Finaltag 110 Pfund - und in St. Andrews fliegt nicht alle paar Minuten ein startendes oder landendes Flugzeug über die Köpfe.
DEUTSCHSPRACHIGE TEILNEHMERINNEN
ALEXANDRA FÖRSTERLING (links oben)
Der deutsche Shootingstar qualifizierte sich über das LET-Ranking 2023. Mit zwei Siegen in diesem Jahr bewies die 24-Jährige ihre tolle Form, bei Majors kam sie 2024 jedoch noch nicht in die Top 50. Dennoch muss sie immer als Kandidatin für einen Spitzenplatz gelten.
ESTHER HENSELEIT (links unten)
Die Silbermedaillengewinnerin von Paris und beste Deutsche der Weltrangliste hat gerade einen Major-Lauf mit Rang 14 bei der PGA Championship und jeweils Platz sieben bei den Evian und Chevron Championships. Ist nach zwei zweiten Plätzen in Folge vielleicht sogar der Sprung nach ganz oben möglich?
SOPHIA POPOV (2.v.l. oben)
Dank ihres Siegs bei der Women's Open 2020 darf Popov theoretisch bis 2053 teilnehmen. Nach ihrer Babypause fehlt logischerweise noch ein bisschen die Konstanz, aber ein 26. Platz bei der US Women's Open zeigte bereits ihr Potenzial.
OLIVIA COWAN (2.v.l. unten)
Dass sie die Open kann, bewies die 28-Jährige im letzten Jahr mit Rang neun. Eine Wiederholung käme zur rechten Zeit, denn durch ein schwächeres 2024 fiel die Deutsche aus den Top 100 der Welt.
PATRICIA ISABEL SCHMIDT
Erst am Montag sicherte sich die 28-Jährige im Final Qualifying in Crail einen Startplatz für die diesjährige Open - kurz nachdem sie mit einem Sieg bei der LET Access Series Selbstvertrauen tankte. Ein gutes Ergebnis bei der Women's Open könnte aus einem wechselhaften Jahr ein gutes für die Deutsche machen. Einen Schlag hinter ihr verpasste Laura Fünfstück im Qualifying einen direkten Platz im Feld. Als zweite Nachrückerin hat sie jedoch Chancen, noch ins Feld zu rutschen.
EMMA SPITZ (2.v.r. oben)
In Berlin verfehlte die Österreicherin nur knapp ihren ersten Toursieg. Doch Platz zwölf in der Order of Merit brachte sie ins Feld der Women's Open - ihre erste Chance, sich 2024 in einem Major zu beweisen. Zwar verpasste sie letze Woche in Schottland den Cut, aber dass sie Linksgolf kann, hat sie in ihrer Amateurkarriere bewiesen.
ALBANE VALENZUELA (rechts oben)
Die einzige Schweizerin in den Top 100 der Welt spielt seit 2019 auf der LPGA Tour. Dieses Jahr landete die in New York geborene 26-Jährige in zwei Major-Turnieren bereits unter den Top 30. Auch bei Olympia machte sie dank der besten Schlussrunde des Tages als 13. auf sich aufmerksam.
MORGANE MÉTRAUX (2.v.r. unten)
Mit ihrem Sieg bei der Jabra Ladies Open spielte sich die Schweizerin zur Women's Open. Zur rechten Zeit, denn mit fünf verpassten Cuts auf der LPGA Tour in Folge brauchte es einen Kurswechsel. Den hatte sie bereits kurzzeitig bei den Olympischen Spielen eingeschlagen als sie drei Runden lang auf Goldkurs lag - bevor sie mit einer enttäuschenden Finalrunde aus den Medaillenrängen fiel.
CHIARA TAMBURLINI (rechts unten)
Die 24-Jährige aus St. Gallen ist erst seit August 2023 Profi, kann jedoch schon einen LET-Sieg vorweisen. Nach Rang 55 bei der Evian Championship im Juli ist die Women's Open erst ihr zweites Major-Turnier. Unglücklicherweise kommt sie nach St. Andrews mit zwei freien Extra-Tagen: bei der Scottish Ladies Open verpasste sie den Cut.