Dass diese sechsminütige Szene bis heute für Golfer nichts von ihrer Faszination verloren hat, ist eigentlich überraschend, denn Regisseur Guy Hamilton drehte sie explizit für diejenigen, die von dem Sport keine Ahnung hatten: "Jeder einzelne Schritt wird erklärt, damit auch Nicht-Golfer verstehen, was dort gerade passiert und wer am Gewinnen und am Verlieren ist." Tatsächlich läuft fast jedes Gespräch zwischen Goldfinger, Bond und dessen Caddie Hawker darauf hinaus, dass eine Golfregel erklärt wird. Dass Hawker den Satz: "Wenn das sein Ball ist, bin ich Arnold Palmer" äußern durfte, ohne dass dem Publikum erklärt wurde, wer denn genau Arnold Palmer ist, grenzt da schon fast an ein kleines Wunder.
Vielleicht war die Szene aber auch so geschrieben, damit die beiden Hauptdarsteller verstehen, was in der Szene vorgeht. Gert Fröbe war völlig ahnungslos von Golf und Sean Connery "hatte noch nie in seinem Leben einen Golfschläger geschwungen und hielt den Sport für schnöselig und nicht sonderlich interessant", reflektierte Hamilton.

»GERT FRÖBE WAR VÖLLIG AHNUNGSLOS VON GOLF UND SEAN CONNERY ,HATTE NOCH NIE IN SEINEM LEBEN EINEN GOLFSCHLÄGER GESCHWUNGEN'.«
Dass es in "Goldfinger" überhaupt eine Golfszene gibt, ist Ian Fleming zu verdanken. Der Schöpfer der James-Bond-Romane bekam von seiner Großmutter Katie die Liebe zum Golfsport in die Wiege gelegt und nahm bereits in der Grundschule erstmals Schläger in die Hand. Als er nach dem Zweiten Weltkrieg das Korrespondentennetz der "Sunday Times" leitete, trat er in den Royal St. George's Golf Club ein, wo sich Fleming mit dem wohl prominentesten Mitglied anfreundete: dem dreifachen Open-Sieger Henry Cotton.
1959 analysierte Cotton den Schwung von Fleming für seine Golfkolumne in "Farm & Country" und kritisierte dabei die faule Beinarbeit des Autors, aber der Profi-Golfer war mehr als nur ein Golflehrer für Fleming. Cottons luxuriöser Lebensstil und sein Aussehen trugen einen großen Anteil dazu bei, die Figur von James Bond auf dem Papier entstehen zu lassen. Für die golferischen Qualitäten des Geheimagenten musste allerdings Fleming selbst als Vorbild herhalten. Beide hatten ein Handicap von 9 und einen "flachen Schwung", wie der Head Professional von Royal St. Mark's im "Goldfinger"-Roman kommentierte. Ein fiktiver Golfclub, dessen Lage in Sandwich nicht zufällig mit der von Royal St. George's übereinstimmte. Sicher auch deshalb signierte Fleming eine Erstausgabe von "Goldfinger" mit den Worten "Für Henry Cotton, den die Seiten 92-131 amüsieren könnten".


Als ich Mitte April in Stoke Park vorfahre, sucht mein Blick als Erstes natürlich die von Oddjob geköpfte Marmor-Dame. Zwar stehen Statuen vor dem imposanten Haupthaus, diese sehen allerdings völlig anders aus. Wer dennoch in Oddjobs Fußstapfen treten will, bekommt auf der Driving Range die Chance dazu. Nur 170 Meter von den Abschlägen entfernt steht auf einer 15 Meter hohen Säule eine Statue von Sir Edward Coke. Als ich den Stokes Teaching Professional Adam Lewis frage, ob das nicht ein äußerst verlockendes Ziel für die Golfbesucher sei, lächelt er vielsagend. Auf meinen Vorschlag, statt einer Hole-in- one-Prämie eine mit Preisgeld versehene Oddjob-Challenge auszurufen für denjenigen, der den Kopf herunterschießt, wollte er dennoch nicht eingehen. Dabei wäre es sicherlich eine einträgliche Geschäftsidee.
Obwohl der Film am 17. September 1964 Uraufführung hatte und vor genau 60 Jahren am 14. Januar in den deutschen Kinos Premiere feierte, pilgern noch bis heute unzählige Bond-Fans für eine Runde Golf nach Stoke Park. Das Anwesen ist zwar seither in zahlreichen Filmen und Serien wie "Layer Cake", "The Crown" oder dem ersten "Bridget Jones"- Film aufgetaucht und dient im Mai erneut als Drehort für zwei hochkarätige Streaming-Produktionen, doch das Gros der Besucher kommt immer noch her, um zu sehen, wo 007 seinen bis heute vielleicht ebenbürtigsten Widersacher bis aufs Blut reizte, bestätigt Kommunikationsdirektor Nick Downie.