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Goldfinger – Teil 2

Der Spion, der Golf liebte

Von Rüdiger Meyer, Fotos: Getty Images (1), Rüdiger Meyer (1), United Artists Corporation (2)

Er ist dafür zuständig, die nächste Ära von Stoke Park einzuläuten. 2021 kaufte der indische Milliardär Mukesh Ambani die Ländereien und schloss die Anlage, um sie umfangreichen Renovierungen zu unterziehen. Das Herrenhaus, das bis vor wenigen Jahren noch eines der imposantesten Clubhäuser der Welt war, wird aktuell immer noch renoviert, um anschließend wieder als Hotel zu dienen. Für Event-Übernachtungen stehen daher aktuell nur die 28 Zimmer des angrenzenden Pavillons zur Verfügung. Dass Stoke Park nicht länger ein Members Club ist und so lange geschlossen war, sorgte in der britischen Boulevardpresse für Spekulationen, die neuen Besitzer würden das Anwesen in Zukunft nur als ihren privaten Spielplatz benutzen. Doch an diesen Gerüchten ist nichts dran, versichert Nick Downie. Auch weil zumindest die historische Colt-/Alison-18-Loch-Schleife unter Denkmalschutz steht und weiterhin als Golfplatz betrieben werden muss. Seit letztem September hat daher auch der Golfplatz wieder die Tore für die ersten Besucher geöffnet. Für ein Greenfee von 125 Pfund - für den Londoner Speckgürtel ein durchaus fairer Preis - dürfen von Mittwoch bis Sonntag jeweils 30 bis 40 Golfer auf die Runde gehen. In Zukunft soll diese Frequenz natürlich erhöht werden, spätestens wenn die Pläne für den Neubau eines Clubhauses auf einer exponierten Stelle der Anlage Realität werden. Mit ihnen würde es dann auch zu einem neuen Routing kommen, damit die Runde dort beginnen und enden kann. Das wäre gleich aus mehreren Gründen schade. Zum einen spielt man aktuell von der 14 bis zur 18 so um das Herrenhaus herum, dass es immer ein Blickfang bleibt, zum anderen würden neue Schlusslöcher natürlich das klassische "Goldfinger"-Finish obsolet machen.

Goldfinger: Goldfinger: He's the man. The man with the slicer's touch
Goldfinger: He's the man. The man with the slicer's touch
Doch derzeit ist dies glücklicherweise noch möglich, sodass ich mit Professional Adam einen klassisch deutsch-englischen Flight bilde. Angesichts unseres enormen Handicap-Unterschieds wage ich nicht, den Roman-Einsatz ins Spiel zu bringen - dort spielten Goldfinger und Bond um 10.000 Dollar. Und da ich keine Ahnung hatte, dass die Filmwette von 1964 "ein Schilling pro Loch" nicht mal mit Inflation ein Britisches Pfund wäre, spielen wir nur um die Ehre.

Wer wie ich Stoke Park lediglich aus dem Film kennt, hat allerdings keine Vorstellung, was genau von diesem Platz zu erwarten ist. Schließlich kürzte Regisseur Guy Hamilton Flemings minutiöse Match-Play-Beschreibung auf die letzten zweieinhalb Bahnen zusammen. Anders als die noch renommierteren Wiesen im Londoner Sandbelt ist Stoke Park kein Heathland-Platz, sondern ein klassischer Parkland-Kurs, dessen historischer Baumbestand von der britischen Denkmalbehörde Historic England mit der zweithöchsten Schutzstufe versehen wurde. Das heißt, kein einziger Baum hier darf angefasst werden, ohne vorher Rücksprache mit den Denkmalpflegern zu halten. Dennoch hat man nie das Gefühl, von den Bäumen beengt zu werden.

Der Spion, der Golf liebte
Einst hatte Harry Colt hier 45 Löcher über das weitläufige Gelände gelegt, die sich trotzdem nicht beengt anfühlen. Vom Tee gibt es in der Regel genügend Platz, dennoch sollte man Kontrolle über seine Abschläge haben, um für den Schlag in die herausfordernden Grüns den idealen Winkel zu haben. Das Gelände selber ist dabei wunderbar wellig, wodurch die großartig designten Bunker noch mehr ins Auge fallen. Insbesondere die Par-3-Löcher sind dabei eine Augenweide - und haben sogar Golfgeschichte geschrieben. An Bahn 7 erinnert ein Schild daran, dass das kurze Par 3 zur Blaupause für die legendäre 16 von Augusta National wurde: Als Colt den Platz 1908 designte, hatte er Alister MacKenzie an seiner Seite, der sich in die 7 schockverliebte und viele Ideen in das (originale) Design der für ihre Hole-in-ones und Wasserschläge berühmten 16 einbaute.

Das englische Wetter zeigt sich an diesem Tag wie gewöhnlich von seiner wechselhaften Seite, sodass das Aus- und Anziehen der Regenklamotten an jedem Loch fast schon zum Ritual wird. Doch kaum haben wir mit der 14 den interessantesten Teil des Platzes erreicht, klart der Himmel für den Rest der Runde endgültig auf. Als wir vom Grün der 16 zum Tee der 17 gehen, höre ich in meinem inneren Ohr Monty Normans legendäres "Bond Theme" spielen, tee meinen Ball auf und stelle mir vor, dass ich ihn wie einst Sean Connery in die Mitte des Fairways platziere. Aber wie mir schnell klar wird, bin ich dann doch der Deutsche im Flight, und der Ball segelt zielgenau in Richtung der Stelle, an die Gert Fröbes Double seinen Ball geschlagen hat. Das Resultat unterscheidet sich dann jedoch deutlich vom Film. Mein Ball stoppt auf den letzten Zentimetern des Fairways direkt vor einem Bunker.

Goldfinger:
Das Ergebnis irritiert mich insofern, dass ich mir am Abend zuvor die Filmszene noch einmal angeschaut hatte und mich zwar an kleine Hügel im Rough, aber keine Bunker erinnern konnte. Als ich Adam, der diese Spielbahn schon seit Jahrzehnten kennt, danach frage, bestätigt er meinen Verdacht. "Die wurden irgendwann hinzugefügt, ich glaube, vor etwa zehn Jahren."

Spontan gehe ich die Handlung des Films noch einmal durch. Wenn Goldfinger seinen Ball in den Bunker geschossen hätte, hätte er seinen Ball nicht verloren, Bond hätte ihn nicht austauschen können und das Match und den Goldbarren damit womöglich verloren. Hat die Tatsache, dass Harry Colt damals auf Bunker verzichtet hat, etwa das Schicksal der (fiktiven) Welt verändert? Tatsächlich nicht. Denn wie es sich herausstellt, war das Golf-Match ohne Konsequenzen und für die Handlung des Films vollkommen unerheblich. Was dessen Einbindung eigentlich nur noch romantischer macht: Für Ian Fleming war Golf so sehr die schönste Nebensache der Welt, dass er es unbedingt in einer seiner Geschichten verewigt sehen wollte.

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