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Die 15 in Falkenstein ist, zumindest auf dem Papier, ein einfaches Loch.

Kolumne

Maximal minimalistisch

Von Tony Ristola, Fotos: Tony Ristola

Oder: warum es dem Hamburger GC Falkenstein an nichts fehlt. Eine genaue Betrachtung des besten Golfplatzes auf deutschem Boden.

Die BBC veröffentlichte 2002 einen interessanten Aufsatz mit dem Titel "Building Courses Using Environmental Psychology". Darin heißt es: "Der Golfboom [...] hat zu einer Zunahme von charakterlosen Golfplätzen geführt. Eine große Anzahl dieser Anlagen erfüllt weder ökonomische noch sportliche Anforderungen [...] Ein distinktives Merkmal vieler neu gebauter Plätze ist die massive Erdbewegung [...] Es sind Alien-Landschaften, die sich nicht in die Umgebung einfügen und schlicht ein Erlebnis zum Abgewöhnen darstellen."

Eigentlich sollte man meinen, das Gegenteil müsse der Fall sein. Dass doch die technischen Möglichkeiten, viel Erdreich zu bewegen, zu einer größeren Vielfalt führen würden. Nur haben sie das ganz und gar nicht. Nach Jahren, in denen Golfplatzmassenware wie Reihenhäuser gebaut wurde, begannen deren Eigenschaften irgendwann, sich immer mehr zu ähneln. Dafür gibt es viele Gründe.

Einer der wichtigsten ist die Größe und die damit verbundenen Limitierungen von modernem schweren Gerät, das beim Platzbau zum Einsatz kommt. Dann stellt sich die Frage, wer diese Maschinen bedient. Wo kommen diese Arbeiter her? Was sind ihre Erfahrungen? Hängt ihr Herz am Golfsport, studieren sie Platzarchitektur? Die Antwort: wahrscheinlich nicht. Viele Arbeiter bei Golfplatzprojekten kommen nämlich aus dem normalen Baugewerbe. Wie sollen sie also exzellente Plätze formen, wenn sie nur wenig Verständnis und Leidenschaft für das Golfspiel mitbringen? Unter täglicher Federführung eines erfahrenen Architekten kann dies gelingen, nur fehlt es meist an einer professionellen Anleitung.

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ES SIND ALIENLANDSCHAFTEN, DIE SICH NICHT IN DIE UMGEBUNG EINFÜGEN UND SCHLICHT EIN ERLEBNIS ZUM ABGEWÖHNEN DARSTELLEN.
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Ein anderes Problem mit dem schweren Gerät ist die Geschwindigkeit, mit der das Erdreich bewegt wird. Gerade wenn kein Architekt vor Ort ist, um die Arbeiter auf den Maschinen anzuleiten, gehen ein enger Zeitplan und ein zu geringes Budget am Ende zu Lasten des Designs.

Die Gemengelage aus Massenware beim Design, großen Maschinen, Zeitdruck beim Bau sowie allein gelassenen Arbeitern ohne Bezug zum Golfsport und ohne die Anleitung eines Architekten ist dann auch der Grund, warum viele Projekte trotz guter landschaftlicher Voraussetzungen und großer Budgets am Ende eine einzige Enttäuschung sind.

Der Hamburger Golfclub in Falkenstein hingegen zeigt, wie es gehen kann, und bildet so einen schönen Kontrast zu diesem modernen Einheitsbrei. Der Platz wurde zu einer Zeit angelegt, in der nicht flächendeckend mit Bulldozern gearbeitet wurde. Die Konstruktion konnte also nur im essenziellen Rahmen und mit den Begebenheiten der Umwelt angegangen werden: Abschläge, Grüns, Bunker und Drainagen. Ein entscheidender Vorteil, sich am Gelände zu orientieren und es nicht gewaltsam umzuschichten, ist neben dem erheblich niedrigeren finanziellen Aufwand, dass der Charakter der Landschaft erhalten bleibt. Weniger ist eben manchmal mehr.

Was sind die wichtigsten Unterschiede von Falkenstein im Vergleich zu vielen modernen Designs?
  • Es gibt keine Wasserhindernisse auf der Anlage - keine Seen, keine Gräben, keine Flüsse, keine Teiche, nichts dergleichen - und das seit 90 Jahren. Es ist schön, dass im Club nicht aus Aktionismus heraus künstliche Wasserläufe gebuddelt wurden. Anstatt das notwendige Bewässerungsbecken als strategisches Hindernis für ein oder mehrere Löcher anzulegen, liegt dieses versteckt zwischen den Bäumen. Nicht viele Clubs oder Architekten würden heute so viel Zurückhaltung zeigen.
  • Der Golfplatz ist nicht einmal 6.000 Meter lang und gehört damit zu den kürzeren der Republik. Die exakt 5.864 Meter aber bieten eine Menge Spielspaß für den professionellen Golfer ebenso wie für den Anfänger.
  • Der Platz spielt sich als Par 71 und die Lochfolge fließt mit der Landschaft. Keine Spielbahn fühlt sich daher erzwungen an und doch hat jedes Loch seinen eigenen Charakter, gerade weil die Löcher sich in die Umgebung einpassen. Diese Konstellation zeigt auch einmal mehr, dass ein großartiger Platz nicht als Par 72 zu spielen sein muss. Es gibt fantastische Par-67-Anlagen und auch die meisten Major-Championship-Plätze spielen sich als Par 70 oder 71.
  • Bemerkenswert ist auch die Grünkonstruktion. Es wurde eine Methode genutzt, die weder USGA- noch FLL-konform ist. Hierbei wurde der natürliche Untergrund auf ein Fundament aus Sand gesetzt und das ganz ohne Drainage-Röhren. Ich möchte damit nicht sagen, dies sei die beste Konstruktionsweise, aber es zeigt, dass es Alternativen gibt zu den Methoden der USGA oder FLL. Es gibt viele fantastische Plätze, die den natürlich gegebenen Untergrund nutzen und, wenn diese Grüns ordentlich gepflegt werden, auch den Vergleich zu den modern konstruierten Grüns nicht scheuen müssen.
  • Massive Aufschüttungen oder kleine Hügel um die Grüns herum sucht man in Falkenstein vergeblich. Der Platz ist die Antithese zu modernen Designs und ihrer Vorliebe zu offensichtlicher Landschaftsmodellierung. Dennoch jagt eine strategische Herausforderung die nächste, ganz nach den Vorgaben der natürlichen Umgebung.
  • Es gibt kein "Signature Hole", dafür aber eine Reihe anspruchsvoller Spielbahnen. Das Ziel jedes Architekten sollte sein, das Maximale aus dem Land herauszuholen, das ihm zur Verfügung steht, und jedes Loch maximal strategisch und so unterschiedlich wie möglich anzulegen.
  • Weil der Platz sich so angenehm in die Landschaft schmiegt und der vorhandene Boden exzellent ist, reicht ein professioneller Head-Greenkeeper, um den Platz in gutem Zustand zu halten, und das zu den Kosten eines durchschnittlichen 18-Loch-Platzes in Deutschland.
Falkenstein ist ein Paradebeispiel dafür, wie in Deutschland Golfplatzentwicklung aussehen sollte: interessant, differenziert, zeitloses Design, dabei eins mit der Landschaft, kosteneffektiv und nicht zuletzt umweltfreundlich. Falkenstein ist dabei kein Einzelfall. Die meisten Plätze in den diversen Top- 100-Listen der Welt wurden zu Zeiten errichtet, in denen an Bulldozer noch nicht zu denken war. Und die modernen Plätze, die es auf diese Listen geschafft haben, sind ebenjener Philosophie gefolgt, den natürlichen Gegebenheiten Raum zu geben und den Platz daran anzupassen, und nicht umgekehrt.

Neben der Region Hamburg hat Deutschland eine Menge an potenziellem Bauland und gute klimatische Voraussetzungen, um Golfnation zu sein. Wie ich bereits einmal schrieb, mag Deutschland gar das Land sein, das in der Lage ist, hervorragende Golfplätze absolut kosteneffektiv zu bauen.

Falkenstein ist sicher vorbildlich in Deutschland. Aber mit einem vernünftigen Budget, einem schönen Stück Land und einem Architekten, der Herz und Seele in sein Projekt legt, kann dieser Standard sicher übertroffen werden.

Jeder Club, der das Maximale erreichen möchte, sollte also von Falkenstein lernen. Dieser Platz ist das wunderbare Beispiel, wie ökonomische Exzellenz auszusehen hat, und im Kern liegt das daran, was die Architekten und der Club eben nicht getan haben.

 
DER AUTOR

DER AUTOR

Tony Ristola, ein Amerikaner mit finnischen Wurzeln, kann nicht nur Golf spielen - er war als Teaching- sowie als Playing-Pro aktiv -, sondern fand in der Golfplatzarchitektur seine wahre Bestimmung. Zusammen mit Arbeitern, von denen die meisten noch nie einen Golfplatz gesehen hatten, schuf er mit Sand Valley in Polen sein erstes, international gefeiertes 18-Loch-Layout. Als einziger Golfplatzarchitekt garantiert er, jeden einzelnen Tag der Planungs- und Bauphase einer neuen Anlage vor Ort zu sein. www.tonyristola.com

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