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Die 10 schwärzesten Sonntage

Von Jan Langenbein, Fotos: Getty Images

Ein Golfturnier nach 54 Löchern anzuführen ist alles andere als eine sichere Bank. In den vergangenen zehn Jahren schafften auf der PGA Tour nur 34 Prozent aller Führenden nach drei Runden, auch den Sieg klarzumachen. Einige dieser schwarzen Sonntage waren jedoch weitaus schlimmer als nur eine vergebene Führung - sie waren echte Massaker.

10: ARNOLD PALMER – U.S. OPEN 1966
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ARNOLD PALMER

U.S. OPEN 1966

Lange bevor Phil Mickelson die Personifizierung einer "Pokal oder Spital"-Mentalität wurde, war Arnold Palmer der König der "Alles oder nichts"-Spielweise. Kein Wunder, dass der King, als er bei noch neun zu spielenden Löchern während der Finalrunde der US Open 1966 mit sieben Schlägen vor dem Zweitplatzierten Billy Casper lag, nicht in den Defensivmodus wechselte. Palmer war scharf auf den von Ben Hogan gehaltenen US-Open-Rekord mit 276 Schlägen und zielte gnadenlos auf jede Fahne. Fünf Bogeys auf den zweiten neun waren die unerwünschten Nebenwirkungen dieser Attacken und Casper holte sieben Schläge im Laufe von acht Löchern auf. Arnies rabenschwarzer Sonntag schafft es einzig und allein deshalb nicht höher auf dieser Liste, weil sich Palmer mit letzter Kraft in ein Play-off rettete - das er am folgenden Montag mit vier Schlägen Rückstand verlor.

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PATTY SHEEHAN

U.S. WOMEN'S OPEN 1990

Das miese Wetter über dem Atlanta Athletic Club, wo die US Women's Open 1990 stattfanden, schien Patty Sheehan nicht zu stören. Mit Runden von 66 und 68 Schlägen führte die 43-jährige Amerikanerin das Feld souverän an. Besagte Regenfälle sorgten jedoch dafür, dass die zweite Runde erst am Samstag beendet werden konnte, was einen Finaltag mit 36 Löchern erforderte, an dem Sheehan offensichtlich mit dem falschen Fuß zuerst aufgestanden war, denn von der dominanten Form der ersten Tage war nichts mehr übrig. Einer 75 am Sonntagmorgen ließ die spätere sechsfache Major-Siegerin sogar eine 76 am Nachmittag folgen, um mit einem Schlag Rückstand auf dem zweiten Platz zu landen. Dieser Bloody Sunday in zwei Akten schaffte es jedoch nicht, Sheehan zu demoralisieren, denn 1992 und 1994 konnte sie die US Women's Open doch noch gewinnen.

08: NICK WATNEY – PGA CHAMPIONSHIP 2010
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PHIL MICKELSON

U.S. OPEN 2006

"Ich kann nicht glauben, dass ich das tatsächlich gerade getan habe. Ich bin solch ein Idiot", lautete Phil Mickelsons schonungslose Selbstanalyse nach seinem dramatischen Kollaps in Winged Foot 2006. Es war "Leftys" bisher schmerzhaftester Schuss ins Knie in einer ganzen Reihe von demoralisierenden und herzzerreißenden Schlussrunden bei den US Open. Die Tatsache, dass sein Abschlag auf der 17 in einem Mülleimer landete, war bereits ein böses Omen, doch noch führte Mickelson mit einem Schlag Vorsprung, als er sich zum letzten Abschlag des Turniers bereit machte. Es sollte sein schlechtester werden. Der katastrophale Push Slice landete auf dem Dach eines Festzelts, sein zweiter Schlag traf einen Baum und flog keine 30 Meter weit und der dritte landete im Grünbunker in einer schrecklichen Spiegeleilage. Am Ende blieb nur ein Doppel-Bogey und jede Menge Kopfschütteln.

07: NICK WATNEY – PGA CHAMPIONSHIP 2010
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NICK WATNEY

PGA CHAMPIONSHIP 2010

Wenn die Geschichte der PGA Championship von 2010 erzählt wird, erinnern wir uns selbstverständlich vor allem an den Sieger Martin Kaymer, während amerikanische Golffans sich gerne immer noch über "Bunkergate" echauffieren, das Dustin Johnson um jede Siegchance brachte. Der Name Nick Watney fällt so gut wie nie, wenn das Major in Whistling Straits zur Sprache kommt - verwunderlich, denn der Amerikaner führte nach drei Runden mit drei Schlägen und schien mit extrem kontrolliertem Golf nicht nur den Platz, sondern auch das Feld im Griff zu haben. Ein Doppel-Bogey an Loch 1 war jedoch ein denkbar schlechter Start in die Finalrunden und es sollte noch schlimmer kommen. Fünf Bogeys, einem weiteren Doppel-Bogey und einem Triple-Bogey standen lediglich drei Birdies gegenüber, was eine desaströse 81 bedeutete. Nick Watney ist also garantiert froh darüber, dass sich kaum noch jemand an seine 54-Loch-Führung von 2010 erinnert.

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MARTIN KAYMER

ABU DHABI CHAMPIONSHIP 2015

Traumrunden von 64, 67 und 65 Schlägen und ein daraus völlig verdient resultierender Vorsprung von sechs Schlägen vor dem Zweitplatzierten vor der Finalrunde klingen nach einer recht sicheren Sache. Erst recht wenn man solch ein Birdie-Feuerwerk bei einem Turnier abfackelt, das man in den Jahren zuvor bereits dreimal gewinnen konnte. Rory McIlroy stellte am Samstagabend beeindruckt fest: "Martin spielt hier diese Woche sein eigenes Turnier." Nichts, wirklich gar nichts sprach gegen einen vierten Sieg von Martin Kaymer bei der Abu Dhabi Championship, vor allem nachdem er die ersten vier Löcher der Sonntagsrunde mit drei Birdies begonnen und seine Führung noch um drei Schläge ausgebaut hatte. Doch das sollte es mit den Birdies gewesen sein. Schlimmer noch: Auf den folgenden zwölf Löchern musste Kaymer ein Bogey, ein Doppel- und sogar ein Triple-Bogey notieren. "Ich steh ein bisschen unter Schock", verriet er nach dem Höllen-Finish. "Ich kann nicht in Worte fassen, was gerade passiert ist."

05: RORY MCILROY – MASTERS 2011
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RORY MCILROY

MASTERS 2011

Mit einer Schlussrunde von acht über Par kann man selbst bei einer Clubmeisterschaft keinen Blumentopf gewinnen, von einem Grünen Jackett ganz zu schweigen. 2011 ging Rory zum ersten Mal in seiner Karriere mit einem Vorsprung in die Schlussrunde bei einem Major, doch es sollte der bisherige Tiefpunkt seiner schillernden Karriere werden. Ein höllischer Hook vom zehnten Abschlag war der Auftakt zu einer Negativserie, die sich Triple-Bogey, Bogey, Doppel-Bogey auf der Scorekarte las und jede Siegchance vernichtete. "Ich kann mich nicht erinnern, wann ich davor zum letzten Mal wegen einer Golfrunde geweint habe, doch als ich am Montag danach mit meiner Mutter telefonierte, konnte ich die Tränen nicht zurückhalten", verriet er Jahre später. "Doch wenn ich diesen Sonntag in Augusta nicht durchlebt hätte, hätte ich die US Open wohl nicht gewinnen können." Zwei Monate später vertrieb McIlroy die bösen Geister von Augusta mit seinem ersten Major-Sieg im Congressional Country Club.

04

DUSTIN JOHNSON

WGC HSBC CHAMPIONS 2017

Eigentlich sind nicht nur Dustin Johnsons Nerven so breit wie die Tagliatelle in der Trattoria um die Ecke, auch sein Puls liegt für gewöhnlich im Bereich eines gewissen Jeffrey Lebowski. Dennoch hat es der stets tiefenentspannt wirkende Weltranglistenerste bereits mehrmals geschafft, sicher geglaubte Siege am Sonntag noch aus der Hand zu geben. Der berühmteste Dustin- Johnson-Zusammenbruch ereignete sich ohne Zweifel bei den US Open 2010 in Pebble Beach. Doch damals startete er mit "nur" drei Schlägen Vorsprung in den Sonntag. Was sich am Finaltag des WGC HSBC Champions in China abspielte, war ein anderes Kaliber. Johnson spielte mit Runden von 68, 63 und 68 Schlägen in einer eigenen Liga und führte das Weltklassefeld mit sechs Schlägen Vorsprung an. Was folgte, waren eine desaströse 77 am Sonntag, 14 Schläge schlechter als in Runde zwei, und ein verspielter 1,66-Millionen-Dollar-Siegerscheck. In der Geschichte der PGA Tour wurde bisher kein größerer Vorsprung am Sonntag zunichtegemacht.

03: GREG NORMAN – MASTER 1996
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GREG NORMAN

MASTER 1996

Das Kunststück, einen Vorsprung von sechs Schlägen an einem Sonntag auf der PGA Tour nicht in einen Sieg umzumünzen, gelang aber nicht nur Dustin Johnson. Bobby Cruickshank 1928, Gay Brewer 1969, Hal Sutton 1983, Sergio García 2005 und Spencer Levin 2012 sind ebenfalls Mitglieder in diesem unrühmlichen Club. Niemanden erwischte es aller so hart wie Greg Norman, der 1996 beim Masters ebenfalls sechs Schläge Vorsprung verdaddelte und sich das Erlebte auch Jahre später nicht wirklich erklären konnte: "Ich hatte nicht das Gefühl, dass irgendetwas schief lief. Ich habe weder die Kontrolle verloren, ich war nicht nervös." Ein Wasserball am berühmt-berüchtigten zwölften Loch kostete Norman ein Doppel-Bogey, verloren war zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nichts. "Als der Chip zum Eagle auf der 15 die Lochkante rasierte und nicht fiel, sackte ich förmlich in mich zusammen. Mein Körper war plötzlich wie taub." Kein Wunder, dass der nächste Abschlag an der 16 im Wasser landete. Game over!

02: JORDAN SPIETH – MASTERS 2016
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JORDAN SPIETH

MASTERS 2016

Noch in 100 Jahren werden Golffans darüber debattieren, welche Schlussrunde katastrophaler verlief: Jordan Spieth' beim Masters 2016 oder Jean van de Veldes Horrorsonntag bei der Open 1999 in Carnoustie. Da es eine definitive Entscheidung zwischen diesen beiden Albträumen wohl nie geben wird, ist ein geteilter erster Rang folgerichtig. Jordan Spieth hatte 2016 am Sonntag in Augusta auf Autopilot geschaltet, führte zwischenzeitlich mit fünf Schlägen und cruiste so in Richtung Titelverteidigung - bis er an der diabolischen 12 um 17:38 Uhr Ortszeit seinen Abschlag in Rae's Creek versenkte und fünf Minuten später sein Sand Wedge so markerschütternd fett traf, dass auch der zweite Ball im Wasser unterging. Zehn Minuten dauerte die außerkörperliche Erfahrung, die der Golden Boy des amerikanischen Golfsports auf dem Golden Bell genannten Par 3 durchleiden musste und an deren Ende ein Schneemann auf der Scorkarte stand. Von fünf verlorenen Schlägen auf einer einzigen Spielbahn konnte sich nicht einmal mehr der für seine Nerven aus Stahl bekannte Jordan Spieth erholen und so kam Danny Willett zu einem Grünen Jackett wie die buchstäbliche Jungfrau zum Kinde.

01: JEAN VAN DE VELDE – OPEN CHAMPIONSHIP 1999
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JEAN VAN DE VELDE

OPEN CHAMPIONSHIP 1999

Lediglich ein Doppel-Bogey trennte Jean van de Velde 1999 im verregneten und beinahe unspielbar schwierigen Carnoustie auf der finalen Spielbahn von seinem ersten Major-Sieg. Mit drei Schlägen Vorsprung griff er auf dem 18. Abschlag zum Driver, ehe er eine Kettenreaktion direkt aus der Hölle lostrat, von der er sich nie wieder so richtig erholen sollte. Auf dem Weg in Richtung Grün traf er eine Tribüne, versenkte einen Ball im Barry Burn, watete ohne Schuhe und Socken durch den eiskalten Bach und sah sich am Ende mit einem 1,80 Meter langen Putt zum Triple-Bogey konfrontiert. BBC-Kommentatorenlegende Peter Alliss fasste dieses Drama, das sich vor der gesamten Sportwelt im Live-TV abspielte, treffend zusammen: "Sein Golfgehirn hat vor zehn Minuten Feierabend gemacht." Trotz all des Wahnsinns lochte der Franzose seinen Putt und rettete sich in ein Play-off gegen Paul Lawrie und Justin Leonard, das er mit einem Doppel-Bogey begann, um der Claret Jug somit endgültig Good-bye zu sagen. Nie war Golf brutaler als an diesem grauen Sonntag an der schottischen Ostküste.

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