Für Normalsterbliche scheinen die Leistungen, die Frodeno, Lange & Co. beim Ironman vollbringen, schier unmenschlich und wahrscheinlich macht dies den Reiz für viele Nicht-Triathleten aus, den eigenen Körper ebenfalls diesen Strapazen auszusetzen.
Absolute Hingabe und Ehrgeiz sind Voraussetzungen, um nicht nur im Ausdauersport, sondern auch im Profigolfzirkus bestehen zu können. Das war es dann allerdings auch schon mit den oberflächlichen Gemeinsamkeiten von Triathlon und Golf. Zwar gehen auf der PGA Tour mittlerweile ebenfalls Woche für Woche einige durchtrainierte Vollblutsportler à la Brooks Koepka an den Start, der den Ball über 300 Meter weit schlägt, jedoch kommen einem auch Namen wie John Daly oder Kiradech Aphibarnrat in den Sinn, die selbst bei einem Amateur-Darts-Turnier als äußerst propper durchgehen würden. Wenn man allerdings die aktuelle Weltrangliste betrachtet, so fällt auf, dass die absolute Mehrheit der besten Golfer auch mal das Fitnessstudio von innen sieht.
Der deutsche Golfprofi Christoph Günther begann vor einigen Jahren für sich selbst, die sportliche Brücke zwischen Turniergolf und Triathlon zu schlagen. Nicht nur um sich körperlich fit zu halten, sondern auch um seine Konzentrationsfähigkeit und Nervenstärke zu schärfen - Eigenschaften von elementarer Bedeutung beim Kampf ums Preisgeld auf dem Golfplatz. Zwar begleitete ihn der Ausdauersport bereits seit seiner Jugend - ein paar Kilometer nach der Runde laufen, ab und an auch mal ein bisschen Fahrrad fahren, was der Zeitplan eben hergab -, doch nun fährt der 44-Jährige zweigleisig. Triathlon ist mehr als nur ein Hobby.

»ES GEHT MIR NICHT DARUM, MIR ETWAS ZU BEWEISEN. ICH LIEBE DEN WETTKAMPF UND DAS SYSTEM DER ALTERSKLASSEN BEIM IRONMAN IST GENIAL UND SEHR MOTIVIEREND.«
Natürlich hat Christoph während seiner Karriere nicht jeden Cut geschafft und hatte auch mehrere Durststrecken, in denen er immer wieder von Freunden und der Familie ermutigt wurde. Es gab allerdings auch Zeiten, die sportlich sehr erfolgreich waren, und einzelne Ergebnisse, die vom Umfeld besonders intensiv wahrgenommen wurden. "Unter diesem Druck zu stehen war nicht einfach für mich. Wenn Leute zweifeln, dass ich etwas schaffen kann, fällt es mir leichter, diese Sache auch zu erreichen. Wenn dieselben Leute etwas von mir erwarten, fällt es mir schwerer." Gegenwind als Motivator zieht sich wie ein roter Faden durch das Sportlerleben des Christoph Günther.
Das gilt auch für den Triathlon, schließlich grenzt der Versuch, sich für einen Ironman fit zu machen, schon hart an das Klischee einer Midlife-Crisis. Was könnte also besser motivieren als schnippische Bemerkungen aus dem persönlichen Umfeld?
Zum ambitionierten Ausdauersport kam Christoph Günther jedoch wie die Jungfrau zum Kinde. Wirklich außer Form war Christoph nie, doch als er 2015 bei einem gemeinsamen Urlaub mit seiner Freundin Schnappschüsse vom Strand sah, war er alles andere als zufrieden: "Ich meinte: ,Die löschst du bitte sofort! Mit dieser Plauze möchte ich mich nirgendwo sehen.'"
Wenige Monate später veränderte die Teilnahme an einem Pro-Am-Turnier im Heritage Resort auf Mauritius - oder besser gesagt eine ambitionierte Wette während des Events - seine Sportlerkarriere nachhaltig. "Mein Kumpel Thilo und ich haben keinen Ball getroffen und uns auf den letzten Löchern überlegt, wie wir uns noch einmal motivieren könnten. Da wir am nächsten Morgen sowieso zehn Kilometer laufen wollten, sind wir auf die Idee gekommen, für jeden Schlag unter Par zwei Kilometer abzuziehen und für jeden Schlagverlust einen draufzupacken. Mit 15 Schlägen über Par haben wir zu dem Zeitpunkt nicht gerechnet." Zwei Männer, ein Wort: In der Früh baten sie einen Taxifahrer, 25 Kilometer weit zu fahren, und dieser setzte die beiden irgendwo im Nirgendwo aus. "Da durfte man dann erstmalig die Grenzen der eigenen Ausdauer ausreizen."
Inzwischen nahm der Berufsgolfer schon zum zweiten Mal trotz brettharter Qualifikationskriterien an der Ironman-70.3-Weltmeisterschaft teil und schnitt dort mehr als zufriedenstellend ab. Es ist nicht verwunderlich, dass viele Leute aus Christophs Umkreis an seinen Fähigkeiten zweifelten - vor allem weil WM-Teilnehmer eigentlich voll und ganz auf den einen Sport fixiert sind. Doch nicht so seine Freundin, die vor vier Jahren mit der Anmeldung zur Challenge Heilbronn ausschlaggebenden Einfluss auf die Entscheidung hatte, Triathlon gemeinsam auf ein neues Level zu bringen und den vielseitigen Sport nicht nur als Ausgleich, sondern auch als Wettkampf zu betreiben.

Auf der grünen Wiese profitiert Christoph vom Triathlon und während des Ausdauerwettkampfs vom Profigolf - und das, obwohl die beiden Anforderungsprofile kaum unterschiedlicher sein könnten. Die vorerst als Ausgleichssport betriebenen Disziplinen haben aus Christoph einen anderen Golfer gemacht, der sich inzwischen auf der Runde nicht mehr wie ein Tasmanischer Teufel verhält, sondern seine Emotionen im Griff hat. Auch die Spielstärke profitiert durch die gewonnene Kondition sowie Konzentration und auf der anderen Seite verhilft die jahrelange Erfahrung im Profisport-Business vor dem Startschuss, in der Wechselzone oder auf den letzten Metern zu Bestleistungen. Auch mental hat Christoph beim Ironman den perfekten Ausgleich gefunden: "Triathlon ist einfach purer Sport. Es gibt keinen Schickimicki und kein Bling-Bling, sondern es geht ausschließlich darum, was deine Beine hergeben."
Im Sportgeschäft gab es schon einige Beispiele für erfolgreiche Disziplinenwechsel im Profi-Business. Auf der PGA Tour versuchen beinahe schon regelmäßig Stars aus der NBA sowie der NFL, den Cut zu schaffen. Auch wenn das bislang noch nicht gelungen ist, beeindruckend sind die Leistungen eines Steph Curry oder eines Tony Romo definitiv. Jedoch hat es keiner der beiden Amis so ernst gemeint wie Christoph Günther, der sich immer das Ziel setzt, besser als jeder andere Teilnehmer zu sein. Ganz egal, um welchen Sport es sich handelt. "Es geht mir nicht darum, mir etwas zu beweisen. Ich liebe den Wettkampf und das System der Altersklassen beim Ironman ist genial und sehr motivierend."
Ein Fünfjahresplan soll der Schlüssel zum erhofften Erfolg sein, auf dem neben zahlreichen Einladungsturnieren und Tour-Events tägliche Trainingseinheiten auf dem Rad, im Wasser oder in Laufschuhen stehen. Der erste Test über die volle Ironman-Distanz wird schon im kommenden Jahr in Österreich ausgetragen. Falls in der Folgewoche dann ein Golfturnier in der Nähe stattfindet, wird das natürlich auch noch mitgenommen. Doch ganz ohne Unterstützung lässt sich solch ein langfristiges Projekt nicht bewerkstelligen. "Jeder, der mein Vorhaben spannend findet und in jeglicher Art und Weise helfen möchte, ist im Team herzlich willkommen."
Unabhängig vom sportlichen Erfolg wird Christoph früher oder später zudem eine weitere Karriere als Autor anstreben. Irgendwann wird ein Buch auf den Markt kommen mit der Intention, Menschen zu ähnlichen Experimenten zu motivieren. Doch vorerst haben seine ambitionierten sportlichen Ziele Priorität: Er wird nicht nur alles daransetzen, sich nach seinem 50. Geburtstag für die Senior British Open zu qualifizieren, sondern möchte zur gleichen Zeit an der Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii teilnehmen.