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Christoph Günther

Eisen7mann

Von Patrice Schuhmacher, Fotos: Patrick Runte

Bernhard Langer ist auf der Tour ein echter Evergreen: Er läuft und läuft und läuft. Christoph Günther ist allerdings drauf und dran, dem zweifachen Masters-Champion den Titel 'Deutschlands fittester Golfer' abspenstig zu machen. Er schwimmt und radelt und läuft nämlich.

Jan Frodeno und Patrick Lange gehören zu den größten Athleten Deutschlands. Sie spielen zwar nicht Fußball oder Tennis und haben erst recht nichts mit Golf am Hut, beim Schwimmen, Radfahren und Laufen macht den beiden Ausdauermaschinen aber niemand etwas vor. Patrick Lange aus Darmstadt durchbrach im vergangenen Jahr nicht nur die Acht-Stunden-Schallmauer beim Ironman auf Hawaii, sondern verteidigte dort mit einer unglaublichen Bestzeit von 7:52 Stunden auch seinen Weltmeistertitel. Jan Frodeno konnte in diesem Jahr in Kona sogar seinen dritten Sieg beim Ironman feiern und meinte: "Vielleicht muss man für den Sport einen an der Meise haben."

Für Normalsterbliche scheinen die Leistungen, die Frodeno, Lange & Co. beim Ironman vollbringen, schier unmenschlich und wahrscheinlich macht dies den Reiz für viele Nicht-Triathleten aus, den eigenen Körper ebenfalls diesen Strapazen auszusetzen.

Absolute Hingabe und Ehrgeiz sind Voraussetzungen, um nicht nur im Ausdauersport, sondern auch im Profigolfzirkus bestehen zu können. Das war es dann allerdings auch schon mit den oberflächlichen Gemeinsamkeiten von Triathlon und Golf. Zwar gehen auf der PGA Tour mittlerweile ebenfalls Woche für Woche einige durchtrainierte Vollblutsportler à la Brooks Koepka an den Start, der den Ball über 300 Meter weit schlägt, jedoch kommen einem auch Namen wie John Daly oder Kiradech Aphibarnrat in den Sinn, die selbst bei einem Amateur-Darts-Turnier als äußerst propper durchgehen würden. Wenn man allerdings die aktuelle Weltrangliste betrachtet, so fällt auf, dass die absolute Mehrheit der besten Golfer auch mal das Fitnessstudio von innen sieht.

Der deutsche Golfprofi Christoph Günther begann vor einigen Jahren für sich selbst, die sportliche Brücke zwischen Turniergolf und Triathlon zu schlagen. Nicht nur um sich körperlich fit zu halten, sondern auch um seine Konzentrationsfähigkeit und Nervenstärke zu schärfen - Eigenschaften von elementarer Bedeutung beim Kampf ums Preisgeld auf dem Golfplatz. Zwar begleitete ihn der Ausdauersport bereits seit seiner Jugend - ein paar Kilometer nach der Runde laufen, ab und an auch mal ein bisschen Fahrrad fahren, was der Zeitplan eben hergab -, doch nun fährt der 44-Jährige zweigleisig. Triathlon ist mehr als nur ein Hobby.

Christoph Günther: Überstunden: wenn der Perserteppich ein Doppelleben führt
Überstunden: wenn der Perserteppich ein Doppelleben führt

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ES GEHT MIR NICHT DARUM, MIR ETWAS ZU BEWEISEN. ICH LIEBE DEN WETTKAMPF UND DAS SYSTEM DER ALTERSKLASSEN BEIM IRONMAN IST GENIAL UND SEHR MOTIVIEREND.
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Als Christoph sich vor 24 Jahren dazu entschloss, Profigolfer zu werden, bekam er für diesen Schritt wenig Zuspruch. Wenn man nach der Lehre die Ausbildungsstätte verlässt, um sich ganz auf den Sport zu fokussieren, dann sind Zweifel Außenstehender vorprogrammiert. Christoph hat den Ball nicht wirklich lang geschlagen, war kein Mitglied des Nationalkaders und hat zu dem Zeitpunkt nicht oft unter Par gespielt, was im Profi-Business jedoch des Öfteren passieren sollte. Mit solchen Voraussetzungen Preisgeld verdienen zu wollen schien reichlich unrealistisch. "Mit 19 hatte ich Handicap -5, war also viel zu schlecht, um an eine Profikarriere denken zu können. Aber der Traum war da und ich bin glücklicherweise an Steve Hampton, meinen Ausbilder, geraten, der mich unterstützte, wo es nur ging. Ich habe dann viel geackert und hart trainiert." Also setzte er nach seiner Tischlerlehre, inspiriert von den Auftritten des zu diesen Zeiten überragenden Seve Ballesteros, alles auf eine Karte. Und die unzähligen Stunden auf der Driving Range trugen Früchte, denn der gebürtige Göttinger wurde immer besser und konnte sich seit seinem Wechsel ins Profilager 18 Titel auf verschiedensten Touren sichern. Der größte Erfolg: sein Sieg auf der Challenge Tour bei der Kärnten Open im Jahr 2009.

Natürlich hat Christoph während seiner Karriere nicht jeden Cut geschafft und hatte auch mehrere Durststrecken, in denen er immer wieder von Freunden und der Familie ermutigt wurde. Es gab allerdings auch Zeiten, die sportlich sehr erfolgreich waren, und einzelne Ergebnisse, die vom Umfeld besonders intensiv wahrgenommen wurden. "Unter diesem Druck zu stehen war nicht einfach für mich. Wenn Leute zweifeln, dass ich etwas schaffen kann, fällt es mir leichter, diese Sache auch zu erreichen. Wenn dieselben Leute etwas von mir erwarten, fällt es mir schwerer." Gegenwind als Motivator zieht sich wie ein roter Faden durch das Sportlerleben des Christoph Günther.

Das gilt auch für den Triathlon, schließlich grenzt der Versuch, sich für einen Ironman fit zu machen, schon hart an das Klischee einer Midlife-Crisis. Was könnte also besser motivieren als schnippische Bemerkungen aus dem persönlichen Umfeld?

Zum ambitionierten Ausdauersport kam Christoph Günther jedoch wie die Jungfrau zum Kinde. Wirklich außer Form war Christoph nie, doch als er 2015 bei einem gemeinsamen Urlaub mit seiner Freundin Schnappschüsse vom Strand sah, war er alles andere als zufrieden: "Ich meinte: ,Die löschst du bitte sofort! Mit dieser Plauze möchte ich mich nirgendwo sehen.'"

Wenige Monate später veränderte die Teilnahme an einem Pro-Am-Turnier im Heritage Resort auf Mauritius - oder besser gesagt eine ambitionierte Wette während des Events - seine Sportlerkarriere nachhaltig. "Mein Kumpel Thilo und ich haben keinen Ball getroffen und uns auf den letzten Löchern überlegt, wie wir uns noch einmal motivieren könnten. Da wir am nächsten Morgen sowieso zehn Kilometer laufen wollten, sind wir auf die Idee gekommen, für jeden Schlag unter Par zwei Kilometer abzuziehen und für jeden Schlagverlust einen draufzupacken. Mit 15 Schlägen über Par haben wir zu dem Zeitpunkt nicht gerechnet." Zwei Männer, ein Wort: In der Früh baten sie einen Taxifahrer, 25 Kilometer weit zu fahren, und dieser setzte die beiden irgendwo im Nirgendwo aus. "Da durfte man dann erstmalig die Grenzen der eigenen Ausdauer ausreizen."

Inzwischen nahm der Berufsgolfer schon zum zweiten Mal trotz brettharter Qualifikationskriterien an der Ironman-70.3-Weltmeisterschaft teil und schnitt dort mehr als zufriedenstellend ab. Es ist nicht verwunderlich, dass viele Leute aus Christophs Umkreis an seinen Fähigkeiten zweifelten - vor allem weil WM-Teilnehmer eigentlich voll und ganz auf den einen Sport fixiert sind. Doch nicht so seine Freundin, die vor vier Jahren mit der Anmeldung zur Challenge Heilbronn ausschlaggebenden Einfluss auf die Entscheidung hatte, Triathlon gemeinsam auf ein neues Level zu bringen und den vielseitigen Sport nicht nur als Ausgleich, sondern auch als Wettkampf zu betreiben.

Christoph Günther: Weite Streuung: wenn man die verzogenen Abschläge mit dem Fahrrad suchen muss
Weite Streuung: wenn man die verzogenen Abschläge mit dem Fahrrad suchen muss
"Ich liebe die Ehrlichkeit im Ausdauersport. Wenn du gut trainierst, wirst du besser." Eigentlich eine logische Gleichung, doch für den Golfsport gilt sie leider nicht unbedingt: Auch Profis verbringen einen ganzen Tag auf der Range und gehen nicht zwangsläufig mit mehr Selbstvertrauen von dem Übungsgelände. "In solchen Momenten hilft der Ausdauersport sehr. Ich bekomme den Kopf frei, bin für mich allein und kann selbst entscheiden, wie weit ich an die Grenzen gehe, um mich auch mal abzureagieren."

Auf der grünen Wiese profitiert Christoph vom Triathlon und während des Ausdauerwettkampfs vom Profigolf - und das, obwohl die beiden Anforderungsprofile kaum unterschiedlicher sein könnten. Die vorerst als Ausgleichssport betriebenen Disziplinen haben aus Christoph einen anderen Golfer gemacht, der sich inzwischen auf der Runde nicht mehr wie ein Tasmanischer Teufel verhält, sondern seine Emotionen im Griff hat. Auch die Spielstärke profitiert durch die gewonnene Kondition sowie Konzentration und auf der anderen Seite verhilft die jahrelange Erfahrung im Profisport-Business vor dem Startschuss, in der Wechselzone oder auf den letzten Metern zu Bestleistungen. Auch mental hat Christoph beim Ironman den perfekten Ausgleich gefunden: "Triathlon ist einfach purer Sport. Es gibt keinen Schickimicki und kein Bling-Bling, sondern es geht ausschließlich darum, was deine Beine hergeben."

Im Sportgeschäft gab es schon einige Beispiele für erfolgreiche Disziplinenwechsel im Profi-Business. Auf der PGA Tour versuchen beinahe schon regelmäßig Stars aus der NBA sowie der NFL, den Cut zu schaffen. Auch wenn das bislang noch nicht gelungen ist, beeindruckend sind die Leistungen eines Steph Curry oder eines Tony Romo definitiv. Jedoch hat es keiner der beiden Amis so ernst gemeint wie Christoph Günther, der sich immer das Ziel setzt, besser als jeder andere Teilnehmer zu sein. Ganz egal, um welchen Sport es sich handelt. "Es geht mir nicht darum, mir etwas zu beweisen. Ich liebe den Wettkampf und das System der Altersklassen beim Ironman ist genial und sehr motivierend."

Ein Fünfjahresplan soll der Schlüssel zum erhofften Erfolg sein, auf dem neben zahlreichen Einladungsturnieren und Tour-Events tägliche Trainingseinheiten auf dem Rad, im Wasser oder in Laufschuhen stehen. Der erste Test über die volle Ironman-Distanz wird schon im kommenden Jahr in Österreich ausgetragen. Falls in der Folgewoche dann ein Golfturnier in der Nähe stattfindet, wird das natürlich auch noch mitgenommen. Doch ganz ohne Unterstützung lässt sich solch ein langfristiges Projekt nicht bewerkstelligen. "Jeder, der mein Vorhaben spannend findet und in jeglicher Art und Weise helfen möchte, ist im Team herzlich willkommen."

Unabhängig vom sportlichen Erfolg wird Christoph früher oder später zudem eine weitere Karriere als Autor anstreben. Irgendwann wird ein Buch auf den Markt kommen mit der Intention, Menschen zu ähnlichen Experimenten zu motivieren. Doch vorerst haben seine ambitionierten sportlichen Ziele Priorität: Er wird nicht nur alles daransetzen, sich nach seinem 50. Geburtstag für die Senior British Open zu qualifizieren, sondern möchte zur gleichen Zeit an der Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii teilnehmen.

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