Trotz der politischen Unruhen hat Daly als jüngstes von sechs Geschwistern eine idyllische Kindheit. Portrush zählt kaum 6.000 Einwohner. Die Nordsee peitscht hier an die zerklüftete Küste Nordirlands. Durchaus rau, jedoch herzlich - sodass sich die Einwohner innerlich gerne mit Bushmills, dem Whiskey Nordirlands, wärmen. Im meist grauen Himmel hängt der Duft von grünen Wiesen und salzigem Meerwasser. Es ist ein Golfparadies. Wie so viele andere große Namen beginnt auch der kleine Fred seine Golfkarriere als Caddie. Er heuert im Royal Portrush Golf Club an, dem Austragungsort der Open 2025, und trägt meistens die Tasche eines Mr. MacMillan. Wenn der lokale Hotelier mal nicht selber spielt, leiht sich Fred dessen Schläger und gewinnt regelmäßig die Turniere der Taschenträger.
Daly bringt sich den Umgang mit Hickory und Feathery selbst bei. Einen Trainer hat er nie. Sein Spiel modelliert der Wind der Küstenregion. "Fred beschrieb einen großen Bogen, weg vom Ball", so Peter Alliss in seinem Standardwerk "The Who's Who of Golf." Um Längenverluste auszugleichen, montiert Fred Schäfte an seine Schläger, die zwei Inch länger sind als üblich. Auf alten Aufnahmen sieht es immer ein wenig so aus, als würde er durch den Ball stolpern. Dennoch stellt Sam Snead fest, dass der Nordire einer der feinsten Eisenspieler seiner Zeit gewesen sei und selbst aus 200 Metern mit dem Eisen 1 jemandem einen Hut vom Kopf habe schießen können.


»HATTE ER ZU BEGINN DER RUNDE NUR EINE HANDVOLL ZUSCHAUER, WIRKTE DIE QUALITÄT SEINES SPIELS WIE EIN MAGNET, SODASS IHN AM LETZTEN GRÜN EINE WILD JUBELNDE MENGE FEIERTE.«
Mittlerweile im Lurgan Club angestellt, macht er in den frühen 1930er-Jahren bei Turnieren in Irland und Nordirland auf sich aufmerksam. Selbst während des Zweiten Weltkriegs spielt und gewinnt er Veranstaltungen. Aber erst in der Nachkriegszeit bestreitet er einen regulären Turnierkalender. Da ist er bereits in seinem dritten Lebensjahrzehnt angekommen - wie ein gut gereifter Whiskey.
Für einen kurzen, aber prägnanten Zeitraum gehören Daly die Schlagzeilen. Als erster irischer Golfer durchbricht er im Juli 1946 die englische Dominanz und gewinnt die Irish Open. Den Südafrikaner Bobby Locke, einen der wohl besten Golfer aller Zeiten, distanziert er um vier Schläge. In Portmarnock spielt Daly auf einem anderen Level. Kein weiterer Golfer kommt auch nur zehn Schläge an ihn heran. Dennoch sei Daly auf den Grüns ansgespannt gewesen, schreibt Peter Aliss. Allerdings habe der Nordire ein famoses Gefühl für die Geschwindigkeit gehabt, an das für ein paar Jahre nur wenige heranreichten.

Das Par 68 spielt sich schwer, keiner der 100 Teilnehmer schafft es, in einer der vier Runden den Platzstandard zu unterbieten. Mit einer 70 am zweiten Tag spielt sich Daly an die Spitze des Felds. Zur Verzückung des Publikums liegt der Nordire vor den favorisierten Briten um Henry Cotton und dem erfolgreichen US-amerikanischen Amateur Frank Stranahan, wie der "Glasgow Herald" feststellt: "Kein Halbzeit-Erfolg in der Open Championship war populärer als der von Daly. Hatte er zu Beginn der Runde nur eine Handvoll Zuschauer, wirkte die Qualität seines Spiels wie ein Magnet, sodass ihn am letzten Grün eine wild jubelnde Menge feierte."
Am finalen Freitag werden damals noch zwei Runden gespielt. Am Morgen geht für Daly kaum etwas zusammen und so liegen am Nachmittag vier Golfer in geteilter Führung. Eisige Böen ziehen über die Anlage. Ein Hauch Portrush. Daly spielt bereits seit ein paar Jahren Schläger aus der Hand von Philip George Stevenson. Dieser ist der Head-Pro auf der Anlage, auf der Daly aufgewachsen ist. Historiker Bamford erinnert sich: "Stevenson war ein anerkannter Coach und Schlägerbauer. Wenn du nach einem guten Hölzer-Set - Driver, Brassie und Spoon - gesucht hast, bist du immer zu ,Stevie' gegangen." In dieser Zeit werden die Hölzer zumeist aus Persimmon, einem tropischen Holz der Dattelpflaume, von Hand gebaut. Erst in den späten 1950er-Jahren kommt die Massenproduktion in Gang.


"Der erste Ire" wird von nun an zum Leitmotiv seiner Karriere. Als erster Ire gewinnt er das News of the World Match Play, noch dazu im Jahr seines Open-Siegs - eine Leistung, die zuvor nur dem legendären James Braid 1905 gelang. Als erster Ire nimmt er 1947 am Ryder Cup teil und wird ihn insgesamt viermal spielen. Bis 1952 klopft er auch bei der Open immer wieder an und beendet das Turnier nur einmal außerhalb der besten vier. Daly hat nun alle Möglichkeiten. Obwohl er gut bezahlte Schauwettkämpfe in Übersee bestreitet, spielt er nie bei anderen Major-Turnieren als der offenen Meisterschaft Großbritanniens. Er bleibt auch dem Balmoral Golf Club treu, der ihn aufnimmt als einen der ihren. Wohl nicht jeder Major Champion würde zurück auf die Range gehen, um am Griff der Wochenend-Hacker zu basteln, und dann das Inventar des Pro-Shops zu überprüfen.
Der Sportjournalist Denis O'Hara erinnert sich, wie er von Daly als Linkshänder gefittet wurde. Auf der anschließenden Runde erfährt er, dass auch der irische Volksheld einst als "Lefty" begonnen habe. Es waren eben die Schläger, die er sich zu der Zeit leihen konnte. 1951 werden Fred Dalys Gedanken zum richtigen Golfspiel als Sammelband herausgegeben: "Golf As I See It". Fred Daly ist ein Wegweiser. Padraid Harrington, Rory McIlroy, Darren Clarke sowie der zweitbeliebteste Golfer aus Portrush, Graeme McDowell, sie alle wandeln auf den Pfaden, die Fred Daly vorgezeigt hat. Als "der erste Ire" 1990 stirbt, gleicht die Beisetzung einem Staatsbegräbnis. Daly war ein Volksheld mit Werten, Courage, Lebensfreude und einem großen Herzen. Darauf einen Bushmills - aber ohne Eis!



