Featured StoriesFeatured Stories

Sean Einhaus

Golf Yogi

Von Wolfgang Block, Fotos: Felix Krüger

Er war Deutschlands größtes Golftalent, doch statt Majors fand Sean Einhaus einen anderen Weg zur Erfüllung: Er kombiniert Yoga mit Golf und berät Athleten als Mentaltrainer.

Als Teenager trug Sean Einhaus die Erwartung des deutschen Golfsports auf seinen Schultern. Mit einem Handicap von +5,2 galt er als das vielleicht größte Talent, das der deutsche Golfsport je gesehen hatte. Entsprechend hoch steckte er seine Ziele: "Die Nummer eins der Welt werden", war ein regelmäßiges Mantra. Um dies zu erreichen, studierte er mit einem Golfstipendium an der Oklahoma State University, wo er Teamkollege von Rickie Fowler, Wyndham Clark und Talor Gooch war. Doch die großen Erfolge blieben im Profilager aus. Er spielte mehrere Jahre auf der Challenge Tour und PGA Tour Australasia, doch der Druck des ausbleibenden Erfolgs nahm ihm die Freude am Spiel - bis er Yoga für sich entdeckte und damit auch die Leidenschaft für den Golfsport wiederfand. Als Mentaltrainer und speziell auf Golf zugeschnittener Yogalehrer gibt er seine Erfahrungen heute an Top-Athleten weiter. Wir trafen uns mit ihm in Terras da Comporta zum Sonnengruß.

Wie unterscheidet sich der heute 34-jährige Sean Einhaus von dem aufstrebenden 13-jährigen Sean Einhaus?
Mit 13 Jahren hatte ich einen genauen Plan, was und wer ich sein wollte. Ich hatte genaue Ziele. Ich habe sie aufgeschrieben und an die Wand gehängt. Das mache ich heutzutage nicht mehr. Ich versuche, die nächsten 24 Stunden so gut zu leben, wie es geht, und wo ich dann in zwei Jahren bin, ist wirklich nicht mehr so mein Ziel. Klar habe ich gewisse Ziele, aber ich bin, sagen wir mal, offener geworden. Ich lasse mich auch gerne einmal vom Leben führen.

Gab es früher viel Druck von außen?
Wenn es Druck von außen gab, habe ich den nie so wirklich wahrgenommen. Der Druck, den ich mir selber gemacht habe, war immer der größte. Und das war auch, glaube ich, Teil des Problems.

Wie bist du zu der Entscheidung gekommen, Yoga statt Golf zu deinem Lebensinhalt zu machen?
Ich habe jetzt keinen bestimmten Moment im Kopf. Es war schon ein langsamer Prozess. So eine große Entscheidung fällst du nicht einfach über Nacht. Als ich ein Jahr auf der PGA Tour of Australasia spielte, habe ich mit dem täglichen Yoga angefangen. Ich habe es eigentlich nur gemacht, um mich zu dehnen, weil ich damals Rückenprobleme hatte. Aber ich habe gemerkt, es verändert sich etwas in mir. Dann kam irgendwie alles zur gleichen Zeit - Familie, Golf, Yoga - und so war es für mich eine natürliche Entscheidung.

Wann genau hast du die Liebe zum Yoga für dich entdeckt?
Ich mache jetzt bestimmt seit acht Jahren Yoga, seit vier Jahren jeden Morgen für eine Stunde. Ich fühle mich nach dem Yoga viel klarer im Kopf, viel ruhiger. Und es ist für mich auch nicht mehr so, dass ich sagen würde: "Ich muss jetzt Yoga machen." Aber ich möchte nicht durchs Leben laufen, ohne das gemacht zu haben.

Bist du auch durch dein familiäres Umfeld auf Yoga gekommen?
Die ganze nepalesische Kultur prägt mich total. Meine Mutter ist eine sehr stolze Nepalesin und auch stolz auf die asiatische Kultur. Ich glaube schon, dass ich dazu bestimmt bin, mich dafür zu interessieren. Deswegen war es für mich vielleicht auch einfacher, in die Sachen reinzugehen.

Sean Einhaus: Sean Einhaus:

»
WIR VERSUCHEN, NEGATIVE GEDANKEN WEGZUDRÜCKEN UND DAS MIT POSITIVEM ZU ÜBERSPIELEN, DAS FUNKTIONIERT NICHT SO GUT.
«

Bild oben: ÜBUNG 01
Beginne in einem tiefen Ausfallschritt, indem du das hintere Knie auf den Boden und den Fußrücken ablegst. Beachte, dass das vordere Knie über dem Sprunggelenk bleibt, und richte den Oberkörper auf. Strecke das hintere Bein, während du die Arme über den Kopf hebst und die Brust öffnest. Neige deinen Oberkörper dabei leicht nach hinten. Diese Haltung dehnt die Hüftbeugemuskulatur des hinteren Beins, öffnet Brust und Schultern und aktiviert deine Körpermitte und Beinmuskulatur für Stabilität. Halte die Position mehrere Atemzüge und wechsele die Seite.


Was fasziniert dich daran?
Heutzutage ist Yoga ein bisschen kommerziell geworden. Da geht es nur um die Bewegung. Aber Yoga ist natürlich viel, viel tiefgründiger. Yoga im Westen und im Osten sind völlig andere Hausnummern. Ich habe in Europa mit meiner Ausbildung angefangen, mich aber besonders in den letzten Jahren mehr mit der Philosophie dahinter beschäftigt und mich mehr auf das Spirituelle als die Bewegung konzentriert.

Wie hast du dich durch deine neue Leidenschaft verändert?
Ich glaube, dass ich als Jugendlicher oder als Athlet jeden Tag versucht habe, mich zu verbessern. Im Yoga ist es ein ganz anderer Angang: Was kann ich heute tun, um mich näher kennenzulernen? Um mich zu akzeptieren? Das heißt nicht, dass man faul herumsitzt und nichts tut. Man macht immer noch alles ganz normal. Aber nicht mit diesem Drang, sich verbessern zu müssen.

Du arbeitest mittlerweile als Mental Performance Coach. Weshalb?
Ich hatte viele Mentaltrainer. Ich glaube, die machen sehr gute Arbeit, aber sie konnten mir nicht wirklich helfen. Mir kam es manchmal vor wie eine Art Notlösung, durch die man Sachen schnell fixen will, ohne die Ursache zu beheben. Ich brauchte aber einfach für mich selber Antworten und deswegen mache ich das, was ich heute mache.

Sean Einhaus:
Bild oben: ÜBUNG 02
Beginne, indem du das linke Knie über dem linken Knöchel und das rechte Bein gestreckt hältst. Halte die Arme parallel zum Boden. Senke die rechte Hand aufs rechte Bein und hebe die linke Hand über den Kopf, während du sanft in eine Rückbeuge gehst. Achte darauf, dein Becken stabil zu halten und die Dehnung in der linken Körperseite zu spüren. Halte die Position für mehrere Atemzüge, bevor du zurückkehrst und die Seite wechselst. Du kannst auch den Handrücken deiner rechten Hand auf den Rücken legen, um die rechte Schulter zu dehnen. Dieser Übergang fördert Flexibilität, Kraft und Balance.


Was genau ist das?
Ich arbeite mit vielen Sportlern. Ich glaube, ich kann mich gut in deren Position hineinversetzen, weil ich selbst auch mal da war. Ich habe keine spezielle Methode, ich höre einfach zu. Ich versuche, den Menschen hinter dem Sportler zu verstehen, denn dann kann ich der Person auch helfen. Nicht weil ich alle Antworten hätte, sondern weil ich glaube, dass jeder Mensch, wenn er zuhört und weil er vielleicht ein bisschen stiller wird, selbst die Antworten findet. Aber dafür muss man erst einmal die richtige Umgebung schaffen.

Worin liegt der größte Unterschied zum traditionellen Mentaltraining?
Der normale Angang ist, sich positiv einzustimmen, aber ich glaube, das ist eher kontraproduktiv. Denn sobald du versuchst, dich zu überzeugen, dass du gut genug bist, glaubst du auf einer tieferen Ebene nicht an dich. Sonst würdest du es dir ja gar nicht erst sagen müssen. Wir sind als Menschen, nicht nur als Athleten, generell zu viel mit unseren Gedanken beschäftigt. Wir versuchen, negative Gedanken wegzudrücken und das mit Positivem zu überspielen. Das funktioniert nicht so gut.

Gehört Yoga zum anderen Angang?
Yoga ist auf jeden Fall ein Teil davon. Ich zwinge niemanden, Yoga zu machen, der keine Lust darauf hat. Aber jeder, der es mal praktiziert hat, weiß, dass Yoga einen krassen Effekt auf den Körper und den Kopf hat. Deswegen ist es für mich das größte Werkzeug, um am Mentalen zu arbeiten. Wir können alle hier sitzen und sagen: "Ich möchte positiv denken!", aber am Ende des Tages haben wir weniger Kontrolle über unsere Gedanken, als wir gerne hätten. Und ich glaube, Yoga hilft dir, das zu verstehen.

Wie ist das Feedback für deine Arbeit?
Besonders in den letzten zwei Jahren sind viele Leute auf mich zugekommen und wollten mit mir reden und arbeiten. Und ich denke schon, dass es für einige Spieler sehr, sehr hilfreich war und ist. Ja, es ist auch schön für mich, weil ich aus meinem Leben und auch aus meinen Fehlern Lehren ziehen konnte. Ich kann das positiv benutzen, um anderen Leuten damit zu helfen.

Sean Einhaus: Sean Einhaus:
Bild oben: ÜBUNG 02

Wenn du heute selber Golf spielst, fühlt sich das anders an?
Es fühlt sich auf jeden Fall anders an, weil ich nicht mehr diese Beziehung zum Sport habe, die ich damals hatte. Ich muss jetzt nicht rausgehen und 5 unter Par schießen. Ich glaube, dass mir die Zeit, in der ich weg war vom Sport, erst gezeigt hat, wie krass ich Golf liebe. Ich habe Sehnsucht danach, Golf zu spielen. Und das war in den letzten Jahren meines Profi-Daseins auf jeden Fall nicht mehr der Fall.

Hast du das Gefühl, dass du dich verändert hast?
Dass ich mich krass verändert habe, glaube ich nicht. Ich bin der gleiche Typ geblieben. Klar haben sich gewisse Sachen verändert. Ich habe eine Familie, ich habe drei Kinder, ich spiele nicht mehr auf der Tour. Es ist alles anders, aber ich bin immer noch der gleiche Typ. Ich mache immer noch den gleichen Quatsch. Ich bin jetzt kein seriöser Mensch geworden, so einer war ich noch nie.

Was würdest du Menschen raten, die vielleicht neugierig auf Yoga geworden sind und es selbst einmal versuchen wollen?
Yoga gibt es heute überall. Wichtig ist, dass man einen Lehrer findet, dem man vertraut und zu dem man eine gewisse Beziehung aufbaut. Der einen führen kann und einem Sachen beibringt. Wichtiger als die Übungen und das Stretching ist das Meditieren. Dass man sich Zeit für sich selber nimmt, dass man sich selber kennenlernt, in Stille sitzt und vielleicht nicht die ganze Zeit am Telefon hängt.

Featured Stories