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Shane Lowry – Teil 2

Iren sind menschlich

Von Rüdiger Meyer, Fotos: Srixon, Imago, Getty Images

Seine Ankündigung, seine Emotionen im Griff zu behalten, ist spätestens passé, als er und Straka drei Löcher vorne liegen. "So bin ich. Ich habe auch den Rookies gesagt, sie sollen in dieser Woche sie selbst sein, und das da draußen ist Shane Lowry." Selbst als Luke Donald ihn am Nachmittag auf die Reservebank setzt, steht er noch unter Strom. Während die Teamkollegen einen Rekordvorsprung gegen die Amerikaner herausspielen, feiert Lowry jeden guten Schlag, jeden gelochten Putt wie ein Duracell-Häschen, dem man gerade eine neue Batterie eingepflanzt hat. Er springt herum, ballt die Fäuste, rollt sich im Gras und feiert mit den Fans und Teamkollegen eine große Party, die am Sonntag alle Grenzen sprengt. Seinen ersten Ryder Cup feiert Lowry mit Champagnerduschen, einer irischen Flagge um den Hals und einem Video von der Busfahrt, das im Internet schnell Millionen Klicks einfährt. Angefeuert von Lowry schmettert das gesamte Team "Europe's on fire, U.S.A. is terrified!", während Rory McIlroy die Trophäe in der Hand hält und der Bus unter Lowrys Gehüpfe zu zittern beginnt wie Zach Johnson vor seiner Arbeitsbewertung als US-Kapitän.

Es soll nicht das letzte Mal sein, dass Rory und Shane mit einer Gesangseinlage Schlagzeilen machen. 2024 gewinnen die beiden gemeinsam die Zurich Classic of New Orleans, den einzigen Teamwettbewerb auf der PGA Tour, und stimmen danach im Festzelt den Gassenhauer "Don't Stop Believin'" von Journey an, ehe Rory den Auftritt mit einem Mic Drop beendet. "Auf der PGA Tour zu gewinnen ist immer toll, aber es mit einem seiner engsten Freunde zu schaffen ist noch mal was ganz anderes. Wenn man überlegt, wie wir uns das erste Mal getroffen haben und wo wir jetzt sind, ist das schon eine echt coole Reise", versucht McIlroy nach dem Turnier, ihre besondere Beziehung zusammenzufassen.

Shane Lowry: Can't lay your hands on me? Challenge akzeptiert!
Can't lay your hands on me? Challenge akzeptiert!

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EINIGE MEINER SCHÖNSTEN GOLFERINNERUNGEN SIND, WIE ICH ABENDS UM 22 UHR MIT MEINEM VATER UND MEINEM BRUDER SPIELE, ODER AUCH DIE CHIPPING-DUELLE MIT FREUNDEN.
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Gemeinsam unter dem Dach von Golf Ireland aufgewachsen sind die beiden aktuell noch Nachbarn im floridianischen Jupiter und immer engere Freunde geworden. "Ich glaube, ich bin gut für ihn, aber er ist auch sehr gut für mich", fasste Lowry ihre Beziehung in der Netflix-Doku "Full Swing" zusammen. "Wenn du Rory McIlroy und der größte Spieler deiner Generation bist, sind die Leute in deiner Nähe nicht authentisch. Aber wenn ich mit ihm zusammen bin, bin ich einfach ich selbst und deshalb kann auch er er selbst sein." Ähnlich erhellend war die Aussage von Lowry, dass er sich vielleicht auch ein wenig als Rorys Beschützer fühlt - was Lowrys Auftritt als Bodyguard erklärt, als es beim letzten Ryder Cup zwischen McIlroy und Caddie Joe LaCava fast zur Schlägerei gekommen wäre.

Iren sind menschlichIren sind menschlich:
Dass er golferisch meist im Schatten des zwei Jahre jüngeren McIlroy steht, stört Lowry nicht. Schließlich hatte er bereits einen Moment im Rampenlicht, der alles übertrifft: sein Sieg bei der Open Championship in Royal Portrush. Wie er 2019 von mehr als 250.000 fanatischen Fans zum Sieg gebrüllt wurde, ist ein Moment, den er nie vergessen wird. "Ich liebe Turniere vor großen Kulissen. Das ist der Grund, wieso wir Golf spielen, und die Motivation, morgens aufzustehen. Wenn man dann ein Heimturnier wie die Open in Portrush hat, ist das eine sehr besondere Woche. Und dann das zu tun, was ich 2019 geschafft habe, macht es noch einmal zu etwas ganz Einzigartigem."

Lowry ist seit 2014 bis heute ohne Unterbrechung in den Top 100 der Weltrangliste zu finden, aber sein erster Major-Triumph katapultiert ihn golferisch und auf der Beliebtheitsskala in neue Sphären. Nach dem Open-Sieg folgt eine Feierorgie, die ihn von den Pubs in Dublin über das Croke-Park-Stadion bis auf die Straßen seines Heimatorts führte. "Clara ist eine Arbeiterstadt mit 2.000 bis 3.000 Einwohnern. Zu sehen, was es den Menschen dort bedeutet hat, dass jemand aus unserer kleinen Stadt etwas auf der großen Weltbühne erreicht, war sehr besonders", erinnert sich Lowry an seine Rückkehr. Für Rory McIlroy ist daher klar: "Er wird bis ans Ende seines Lebens ein Nationalheld bleiben."

Shane Lowry: Probleme bei der 'Dirty Dancing'-Hebefigur (l.). Große Freude: Malermeister-Prüfung bestanden (r.)Shane Lowry: Probleme bei der 'Dirty Dancing'-Hebefigur (l.). Große Freude: Malermeister-Prüfung bestanden (r.)
Probleme bei der 'Dirty Dancing'-Hebefigur (l.). Große Freude: Malermeister-Prüfung bestanden (r.)
Das wird spätestens 2024 bei den Olympischen Spielen von Paris deutlich. Lowry, der 2020 in Tokio zum ersten Mal die irischen Farben bei Olympia vertrat, wird gemeinsam mit Hürdensprinterin Sarah Lavin als Flaggenträger auserkoren. "Die Eröffnungsfeier war unglaublich", erinnert sich Shane an den feuchtfröhlichen Abend auf der Seine. "Dass Golf jetzt ein Teil von Olympia ist, ist fantastisch und es wird mit der Zeit nur größer werden. Es gibt kein Preisgeld, es geht nur um Medaillen. Das ist für mich die purste Form des Wettkampfs." Eine olympische Medaille wäre daher auch für Lowry ein Traum, den es zu erfüllen gilt, doch ein Ereignis ist noch wichtiger: 2027 kehrt der Ryder Cup nach Irland zurück. "In Adare Manor werde ich 40 Jahre alt sein, also hoffentlich noch jung genug, um ins Team zu kommen. Das ist natürlich etwas, was mich die nächsten Jahre antreibt. Adare Manor ist einer der unglaublichsten Orte der Welt und es wäre ein Traum für mich, ein Teil davon zu sein." Aber erst einmal will er in Bethpage Black den Amerikanern kräftig in den Hintern treten.

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